Das NDR Vokalensemble auf der Suche nach Licht
Das NDR Vokalensemble war in der Kulturkirche Altona zu Gast - geleitet vom herausragenden Chordirigenten Kaspars Putniņš. Der Lette präsentierte ein Programm mit viel Neuer Musik, aber auch mit romantischen Klängen.
"Piano heißt leise. Pianissimo heißt normalerweise etwas Emotionales. Das ist nicht nur leise, das ist etwas mehr!" - Ende vergangener Woche im Studio 11 des NDR. Kaspars Putniņš, ein großgewachsener Mann mit beeindruckenden Händen, sitzt auf einem Hocker am Flügel. Gemeinsam mit den Sängerinnen und Sängern vom NDR Vokalensemble feilt er am Ausdruck der Musik und an Details der Interpretation. So wie in Mendelssohns Motette "Mein Gott, warum hast Du mich verlassen".
Programm voller Licht und Hoffnung
Für ihn sei diese Psalmvertonung ein Schrei der Verzweiflung: "Ein Schrei aus diesem Drama des menschlichen Lebens, aus dem Tanz von Leben und Tod, in dessen Mitte wir uns befinden." Mendelssohns Vertonung von Psalm 22 ist der Auftakt zu einem Programm mit dem Titel "Light seeking Light", das die Suche nach Licht ins Zentrum rückt - und zwar nicht nur im religiösen Sinn. In der dunklen Jahreszeit und durch die derzeitige Weltlage hat dieses Thema eine besonders aktuelle Dimension und Dringlichkeit.
Das Licht ist neben vielem anderen auch ein Symbol der Hoffnung, so wie in den "Plainsongs for Peace and Light" des 2012 gestorbenen Komponisten Jonathan Harvey. "Er hat es auf dem Sterbebett geschrieben, er hat es seinem Assistenten diktiert", erzählt Putniņš über das Stück. "Und es ist trotzdem ein sehr strukturiertes, ziemlich komplexes und für mein Empfinden absolut schönes Stück. Was tatsächlich ein Fest von Friede und Licht ist - die Botschaft eines sterbenden Mannes! Also ja, ich glaube, es gibt eine viel Hoffnung in diesem Programm."
Ruhige Atmosphäre
In seinen Plainsongs for Peace and Light greift Jonathan Harvey gregorianische Melodien auf und verwebt sie zu einem feinen und zugleich sehr dichten Geflecht. Das ist ebenso faszinierend wie anspruchsvoll und schwer zu durchschauen. Aber Kaspars Putniņš hat den Überblick. Er dirigiert oft nur mit der rechten Hand, gibt einen gleichmäßigen Puls und bleibt immer tiefenentspannt. Das kommt bei den Sängerinnen und Sängern sehr gut an.
Auch Sopranistin Catherina Witting vom NDR Vokalensemble freut sich über die angenehme Atmosphäre: "Ich finde, er ist unfassbar ruhig, sehr geduldig und auch von Anfang an sehr klar, in dem, was er will, wie er einstudiert. Nimmt sich Zeit für die einzelnen Stimmgruppen, wenn da Schwierigkeiten sind. Dann wiederholt er das gerne, ohne groß Aufhebens zu machen. Das macht es sehr angenehm einfach."