So erleben niedersächsische Abgeordnete Hass und Hetze
Es handelt sich nicht mehr nur um verbale Entgleisungen. Immer häufiger werden Politikerinnen und Politiker angegriffen. Das merken auch die Abgeordneten im Niedersächsischen Landtag.
Es ist Mittwochvormittag, die Debatte über Hass und Hetze gegen Politikerinnen und Politiker ist gerade zu Ende, als der NDR Niedersachsen vier Abgeordnete trifft, um mit ihnen über ihre Erfahrungen zu sprechen - zum Beispiel Meta Janssen-Kucz. Die Grünen-Politikerin sitzt seit Jahrzehnten im Landtag. Seit dieser Wahlperiode ist sie Landtagsvizepräsidentin, und seitdem wachse auch der Hass gegen sie, sagt Janssen-Kucz.
Verhängter Ordnungsruf führt zu persönlicher Anfeindung
Hass-Mails, Bedrohungen und Beleidigungen - die Grünen-Politikerin erlebt die ganze Bandbreite. "Es ist, wie manchen die Zunge gewachsen ist", sagt sie. Und zitiert dann aus den Mails, die ihr geschrieben werden: Sie sei "dumm", "dämlich", "treten Sie zurück", "Sie haben hier nichts verloren". Diese Aussagen gehören noch zu den harmloseren. Dabei gehe es häufig auch um grüne Politik. Der Hass gipfelte im vergangenen Jahr in einer persönlichen Anfeindung an der Tankstelle, dort wurde Janssen-Kucz bedroht, weil sie zuvor in einer Landtagssitzung einen Ordnungsruf an die AfD verteilt hat, wie sie sagt.
Werden verbale Entgleisungen im Landtag Freifahrtschein
Als Grund für den starken Anstieg sieht sie auch die Debattenkultur, die sich inzwischen auch im Landtag niedergeschlagen hat. Die Diskussionen seien manchmal grenzwertig. "Das wirkt für viele wie ein Freifahrtschein." Trotz der vielen Anfeindungen ist Aufgeben für die Vize-Landtagspräsidentin aber keine Option. Auch, wenn diese Angriffe sie belasten, wie sie sagt. Janssen-Kucz ist überzeugt: "Wir Politikerinnen und Politiker müssen noch mehr raus, viel mehr sprechen." Aber auch die Gesellschaft sei in der Pflicht. Davon ist auch Kirsikka Lansmann (SPD) überzeugt: "Wir sind nicht die da oben, wir sind ganz normale Menschen, die in der Nachbarschaft wohnen."
AfD sieht bei sich keine Verantwortung
Auch die AfD wird angefeindet. Harm Rykena berichtet von "Nazi-Brut-Rufen" am Wahlkampfstand. Allerdings sieht sich die AfD dabei vor allem selbst als Opfer. Eine Mitschuld an der Situation sieht Rykena nicht. Anders nimmt das Colette Thiemann von der CDU wahr. Sie sieht einen klaren Zusammenhang zwischen den Hass-Mails und ihren Reden mit AfD-Bezug im Landtag. Die Christdemokratin hat viele Anfeindungen erlebt: Morddrohungen, nächtliche Anrufe, bei denen nur das Atmen einer Person zu hören ist und fremde Menschen auf ihrem Grundstück sind nur einige Beispiele für diese Form der Gewalt. "Das ist natürlich sehr belastend, nicht nur für mich, sondern auch für meine Familie, die ungewollt mit geschädigt ist."
Colette Thiemann: "Ein Kampf gegen die Demokratie"
Das habe auch Auswirkungen auf ihr eigenes Verhalten. "Ich ertappe mich, dass ich hinter mich gucke, wenn ich Schritte höre. Das ist mir total fremd, das kannte ich früher nicht", sagt sie. Thiemann fordert deshalb eine Klarnamenpflicht, um im Internet besser gegen Hass und Hetze vorgehen zu können. Und sie will, dass der Umgang mit Medien in Schulen stärker in den Fokus gerückt wird. Die CDU-Politikerin ist überzeugt: "Das ist ein Kampf gegen die Demokratie, da müssen alle demokratischen Fraktionen zusammenhalten."