NDR Info exklusiv: Bundeswehrpistolen auf Schwarzmärkten in Afghanistan und Pakistan
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Deutsche Pistolen aus Bundeswehrbeständen werden auf dem Schwarzmarkt in Afghanistan und Pakistan gehandelt. Nach Recherchen von NDR Info sind darunter Waffen aus einer Lieferung des Bundesverteidigungsministeriums von 10.000 Pistolen an die afghanischen Sicherheitskräfte. Afghanische und pakistanische Waffenhändler sagten zu NDR Info, es seien Hunderte deutscher Pistolen im Angebot. Weder die Bundesregierung noch eine zuständige US-geführte Sicherheitseinheit haben den Verbleib der Waffen verfolgt. Bündnis 90/Die Grünen bezeichneten die Vorgehensweise der Bundesregierung als "grob fahrlässig". Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sprach von einem "Risiko für die eingesetzten Deutschen" in Afghanistan. Beide fordern eine Untersuchung des Vorgangs.
Die deutschen Pistolen vom Typ Walther P-1 gelten in Afghanistan und Pakistan nach Auskunft von Experten und Waffenhändlern als Prestigeobjekte und werden zu Preisen von teilweise über 1000 Dollar gehandelt. So wurde eine fast 50 Jahre alte, aber nahezu unbenutzte Bundeswehrwaffe in Kabul für 1600 Dollar angeboten. Unter anderem verkaufen aktive und ehemalige afghanische Polizisten und Soldaten die Waffen illegal. Das bestätigten NDR Info Händler und ein Ex-Polizist, der seine Dienstwaffe Walther P-1 zum Kauf anbot. Nach UN-Angaben verlassen 20 bis 25 Prozent der afghanischen Polizisten jährlich die Sicherheitskräfte. Die deutschen Pistolen werden auch in Nord-Afghanistan gehandelt, wo die Bundeswehr stationiert ist, sowie in der Nordwestgrenzprovinz Pakistans und den angrenzenden Stammesgebieten, wohin die Pistolen aus Afghanistan geschmuggelt werden.
Das Bundesverteidigungsministerium erklärte NDR Info, es habe den Altbestand von 10.000 ausgemusterten Walther-P1-Pistolen im Januar 2006 "zur Ausrüstung der im Aufbau befindlichen Sicherheitskräfte" an das afghanische Innenministerium übergeben, das die Waffen dann an Polizei und Armee verteilt habe. Über den weiteren Verbleib sei dem Bundesministerium nichts bekannt. Wie ein US-Armeesprecher in Kabul NDR Info mitteilte, hat das für die Kontrolle der Waffen zuständige "Combined Security Transition Command Afghanistan" (CSTC-A) die deutschen Pistolen in Empfang genommen. Das CSTC-A wird seit Jahren vom US-Rechnungshof GAO für seinen nachlässigen Umgang mit Waffen kritisiert. Die US-Einheit räumte gegenüber NDR Info ein, nur von 4563 der 10.000 Pistolen detaillierte Aufzeichnungen zu haben. Der genaue Verbleib aller Waffen könne deshalb nicht nachvollzogen werden. Nach Recherchen von NDR Info waren deutschen Polizisten und Diplomaten 2005 die Zustände in der US-Einheit ebenso bekannt wie das hohe Maß an Korruption und Fluktuation bei der afghanischen Armee und vor allem der Polizei.
Der verteidigungspolitische Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Winfried Nachtwei, sagte NDR Info, die Bundesregierung hätte bei der Lieferung der Pistolen alles dafür tun müssen, "dass der Endverbleib so sehr gesichert wird, wie es eben nur geht". Berlin hätte sich nicht allein auf die Zusicherung der afghanischen Regierung verlassen dürfen. "Es ist eine grob fahrlässige Vorgehensweise, weil es gerade bei Lieferungen in instabile Länder mit wenig Rechtsstaatlichkeit blauäugig ist bis dorthinaus, einfach nur auf Papieren und Dokumenten zu bestehen." Nach Ansicht Nachtweis widerspricht dies "eindeutig der deklarierten Politik der Bundesregierung, überall gegen die Weiterverbreitung von Kleinwaffen und den illegalen Handel damit tätig zu werden". Kritik kommt auch von der Gewerkschaft der Polizei. Jörg Radek, im GdP-Bundesvorstand für Auslandseinsätze zuständig, sagte NDR Info: "Die Befürchtung ist, dass solche Waffen natürlich auch in falsche Hände geraten. Es ist auch ein Risiko für die eingesetzten Deutschen, ein Risiko für die Sicherheit dort im Land." GdP und Grüne fordern von der Bundesregierung eine Untersuchung des Vorganges. "Schon im Interesse der von uns nach Afghanistan geschickten Polizisten, Soldaten, Zivilexperten ist es notwendig, dieses zumindest nachträglich aufzuklären", sagte der Grünen-Politiker Nachtwei, "denn es wäre ja wirklich absurd sondergleichen, wenn dort Soldaten durch von Deutschland fahrlässig gelieferte Waffen bedroht würden."
Nach NDR Info-Recherchen hatte der Bundessicherheitsrat 2005 den bislang einzigen deutschen Waffen-Export nach Afghanistan seit dem Sturz des Talibanregimes genehmigt. Die Berliner Regierung wich damit von ihrem Grundsatz ab, wonach Waffen von der Ausstattungshilfe außerhalb der NATO ausgeschlossen sind. Der Bundestag erfuhr von der Lieferung erst nach der Übergabe. Von möglichen Risiken war dabei nicht die Rede. Dazu der Grünen-Politiker Nachtwei: "Insgesamt beschönigen und die heiklen Sachen dann möglichst unter dem Teppich zu lassen, das geht irgendwann immer nach hinten los. Das ist nach aller Erfahrung auch strohdumm." GdP-Vorstand Radek kritisierte die auf mehrere Bundesministerien und Ämter verteilten Zuständigkeiten: "Es ist für mich ein beredtes Beispiel dafür, dass wir es hier mit unorganisierter Verantwortlichkeit zu tun haben."
11. Oktober 2009 / RC