Deutschlands erster Fernsehkoch: Clemens Wilmenrod
Er brutzelte und schmorte ab 1953 im Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR): Clemens Wilmenrod war Deutschlands erster Fernsehkoch. Viele Zuschauer konnte er mit seinen eigenwilligen Rezepten begeistern, doch auch kritische Stimmen erreichten den selbsternannten "Bundesfeinschmecker".
Nur acht Wochen nach dem offiziellen Sendestart des täglichen öffentlichen Fernsehens im Nordwestdeutschen Rundfunk (NWDR) kochte Clemens Wilmenrod bereits das erste Menü in einem Hamburger Küchenstudio. Bei der Premiere seiner Kochsendung "Bitte in zehn Minuten zu Tisch" am 20. Februar 1953 kredenzte der gelernte Schauspieler - und keineswegs ausgebildete Koch - seinem Publikum ein "Italienisches Omelette".
Lob und Kritik
Nach dieser Premiere blieb seine vierzehntägliche Sendereihe bis 1964 im Programm. Viele Zuschauer zeigten sich über Wilmenrods kulinarische Kreationen wie "Verlorene Eier" oder "Ananasscheibe Casablanca" begeistert. Sie schrieben an den Sender Briefe wie diesen: "Die Sendungen des Fernseh-Kochs Wilmenrod sind nach meiner Meinung durchweg lustig und anziehend. Was er an neuen Gerichten bietet, ist auch so, dass man sie gerne mal selbst probieren möchte", lobte eine Zuschrift aus Kiel. Eine andere Zuschauerin wünschte sich 1958 Folgendes: "Am 16. Januar bereitete uns Clemens Wilmenrod das 'Arabische Reiterfleisch'. Es wäre mir angenehm den richtigen [!] Rezept dazu von Ihnen empfangen zu dürfen. Einen Teil hatten wir nicht gut verstanden."
Doch es gab auch Zuschriften von Zuschauerinnen und Zuschauern, die von Wilmenrods Rezepten weit weniger begeistert waren. So wies eine Briefeschreiberin im März 1958 darauf hin, dass die vom Fernsehkoch vorgestellten Zutaten zu teuer seien. Außer der Verfasserin hatten weitere 33 Zuschauerinnen und Zuschauer den Brief unterzeichnet. In etwas ungelenker Form fasste man, oder besser frau, die Beschwerden in Gedichtform:
"Die leckren Speisen, die dann entstehen,
wir kennen Sie nur von Ihnen beim Sehen.
Viel Fernsehteilnehmer - beim besten Willen
empfinden Ihre Hinweise dann als bittere Pillen.
Ihre Speisen, ach die sind zu teuer!
Wir kriegen so etwas nicht aufs Feuer.
Oh, - denken Sie doch einmal nach,
was eine Durchschnittsfamilie an einem Tag
sich führen kann zum Munde.
DM 450,- Verdienst liegen da zu Grunde.
Berücksichtigen Sie doch künftig auch
as bei diesem Monatslohn zu kochen Brauch.
Auch für kleine Verdienste muss doch eben
es schmackhafte noch nicht bekannte Gerichte geben.
Bedenken Sie, welch grosser Kreis
dann Ihrer Sendung zu danken weiss!"
Ein Zuschauer kritisierte darüber hinaus Wilmenrods oft ungewöhnliche Kombinationen von Zutaten. Sein Beschwerdebrief erreichte den Sender im Juli 1958: "Es mag für Leute, welche normal ihren Hunger nicht mehr stillen können, interessant sein, zu sehen, wie Ihr Spezialkoch-Schauspieler da einiges zusammenreimt. […] Was uns fehlt, ist eine rechte echte Köchin aus Schrot und Korn. […] Es gibt hunderte bürgerliche Gerichte, preiswert, die es lohnt, kennen zu lernen."
In der Küche gibt es keine Vorschriften
Worauf der Fernsehnutzer in seinem Brief Bezug nimmt: Wilmenrod plädierte in seiner Sendereihe immer dafür, auch eigene Abwandlungen von Rezepten vorzunehmen, denn in der Küche gebe es "keine feste Vorschrift. Es ist ja keine Kaserne. Es kann ein jeder machen in der Küche, was er will. Wenn der Salat Ihnen nicht schmeckt …, wenn er zu sauer ist, dann macht er ihn ein bisschen süßer und dann ist es halt sein Salat" (aus der undatierten Folge "Verlorene Eier").
Diese Aufforderung, in der Küche zu experimentieren, dürfte für die Zuschauer in den 50er-Jahren eine neue Erfahrung gewesen sein. Erst das neue, fast grenzenlose Warenangebot der Wirtschaftswunderjahre erlaubte es nach den Hungerjahren endlich lang gehegte kulinarische Gelüste zu stillen und Zutaten auch nach eigenen Vorstellungen zu kombinieren. Doch der Zuschauer hatte insgesamt recht, wenn er Wilmenrods mitunter fragwürdige Experimente anspricht, von denen die mit Mandeln gefüllte Erdbeeren oder eine Kombination von Sauerkraut mit Speck und Honig gute Beispiele geben.
"Äußerst unhygienisch und unappetitlich"
Aber nicht nur so manche Zusammenstellung Wilmenrods wirkte auf einige Fernsehteilnehmer ungewöhnlich, sondern auch sein Umgang mit den Lebensmitteln. Einen Zuschauer aus Wiesbaden packte schier das "Grausen", als Wilmenrod Rührei aus Straußeneiern zubereitete (in der Folge vom 8.2.1956) und dabei "äußerst unhygienisch und unappetitlich" vorging, wie er in einem Brief äußerte: "Er pustete den Inhalt aus dem Ei heraus und hat damit doch seinen Lungeninhalt - Bazillen aller Art, Nikotin usw. - mit in das Eigelb und Eiweiß geblasen […]. Dass der ausgeblasene Lungeninhalt bei jedem Menschen ungesunde Stoffe enthält, wird Ihnen wohl jeder Arzt und Biologe bestätigen."
- Teil 1: Lob und Kritik
- Teil 2: Kritik auch aus den Medien