HSV-Idol Uwe Seeler - Beliebt, bescheiden, bodenständig
Uwe Seeler war einer der populärsten deutschen Fußballer aller Zeiten. Der Mittelstürmer schoss für den HSV in fast 20 Jahren mehr als 400 Tore, war Kapitän der Nationalmannschaft und wurde als erster Sportler mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Mit 85 Jahren starb er im Juli 2022.
Seeler und der HSV: Eine ähnlich enge Verbindung zwischen Club und Starspieler gab es im deutschen Fußball wohl nur zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und Fritz Walter. Trotzdem wurde Seeler schon während seiner aktiven Karriere auch von Fans anderer Vereine gefeiert und verehrt. Selbst viereinhalb Jahrzehnte nach seinem Karriere-Ende war die Beliebtheit des ehemaligen Mittelstürmers, den die Hamburger einst "Uns Uwe" tauften, ungebrochen.
Ein Vorbild für die Menschen im Nachkriegsdeutschland
Bereits mit 17 bestritt Seeler 1953 sein erstes Ligaspiel für den HSV, ein Jahr später debütierte er in der Nationalmannschaft. "Ich war ein Fußball-Frühreifer", so Seeler. Fast zwei Jahrzehnte lang schoss er Tor um Tor, oftmals spektakulär im Fallen, Liegen oder - wie bei der WM 1970 gegen England - per Hinterkopf. Andere schossen noch mehr Tore oder waren begabtere Fußballer, die Popularität von Seeler erreichte keiner.
Durch alle Stadien in Deutschland hallten die "Uwe, Uwe"-Rufe. Was machte den Hamburger so beliebt? "Uwe hat genau in seine Zeit hineingepasst. Uwe hat geschuftet, geschafft, geackert. Das was die Menschen in Deutschland getan haben, hat er auf dem Fußballplatz gezeigt", so Reporter-Legende Rudi Michel.
"Energie einer Kanonenkugel"
Während sein kongenialer Partner Charly Dörfel - laut "taz" der "Gegenentwurf zum Wirtschaftswunder-Protagonisten Uwe Seeler" - schon mal mit dem Publikum am Rothenbaum während des Spiels seine Späße trieb, ackerte Seeler unermüdlich über den Rasen. Nichts hasste er mehr als zu verlieren. Seeler - Kampfname: "der Dicke" - redete unentwegt auf seine Mannschaftskameraden und den Schiedsrichter ein und konnte recht ungemütlich werden, wenn sich das Spiel nicht so entwickelte wie erhofft.
"Der Uwe war kein Bequemer auf dem Spielfeld", so Franz Beckenbauer. Trotzdem blieb er auch in der Niederlage ein fairer Sportsmann. "Man muss immer wieder hart arbeiten. Ich habe Fußball mit Leidenschaft, Spaß und Freude gespielt", beschrieb Seeler seine Einstellung.
Mit der "gesammelten Energie einer Kanonenkugel" (FAZ) warf er sich den größeren Verteidigern entgegen. Obwohl der Mittelstürmer nur 1,70 m groß war, gab es in Europa kaum einen besseren Kopfballspieler. "Uwe ist hochgestiegen, als ob er Sprungfedern in den Schuhen hatte", staunte sein Freund und ehemaliger Gegenspieler von Werder Bremen, Max Lorenz, über Seelers Qualitäten. Dessen Einsatzbereitschaft und Trainingsfleiß waren ebenfalls außergewöhnlich.
Niemals zeigten sich diese Eigenschaften deutlicher als 1965. Nach einem Achillessehnenriss bescheinigten fast alle Experten Seeler das Karriere-Ende. Nicht einmal sechs Monate später stand er mit extra angefertigten Schuhen wieder auf dem Platz. In seinem ersten Länderspiel nach der schweren Verletzung schoss der HSV-Stürmer mit seinem Siegtreffer zum 2:1 in Schweden die deutsche Nationalmannschaft zur WM 1966 in England.
Symbol für den ursprünglichen Fußball
Als "redlich", "ehrlich", "bescheiden" oder "bodenständig" wird Seeler allgemein beschrieben. "Man darf sich nicht zu wichtig nehmen", sagt er selbst - und: "Das Schönste auf der Welt ist es, normal zu sein." Seeler spielte zu einer Zeit, als Stadien noch nicht die Namen von Sponsoren trugen und Arena hießen, sondern Glückauf-Kampfbahn, Stadion Rote Erde und Bremer Brücke.
Und so verkörpert er für zahlreiche Fans auch heute die Erinnerung an einen Fußball, der noch nicht von Sponsoren, Fernsehinteressen und Gewinn-Maximierung geprägt war. Dass er 1961 ein Millionen-Angebot von Inter Mailand ausschlug und in Hamburg blieb, rechnen ihm noch immer viele Fans hoch an.
Frau Ilka als Liebe des Lebens
Skandale abseits des grünen Rasens hat es bei Seeler nie gegeben. Er war seit 1959 mit seiner Frau Ilka verheiratet. Schon während der aktiven Karriere baute er sich ein zweites Standbein auf und verkaufte viele Jahrzehnte Sportartikel der Marke mit den drei Streifen. "Man muss aktiv blieben, damit die Birne nicht einrostet", so Seeler in seiner typischen Diktion.
Nur einmal traf "Uns Uwe" eine offenkundige Fehlentscheidung, als er sich 1995 zum Präsidenten seines HSV wählen ließ. Von der Boulevardpresse ins Amt gedrängt und umgeben von falschen Freunden, wirkte Seeler überfordert. Zur Ruhe kam der Verein nicht, gute drei Jahre später trat Seeler entnervt als Präsident zurück. Sein guter Name half jedoch maßgeblich, den Stadion-Umbau auf den Weg zu bringen. Viele Fans forderten, dem Stadion den Namen des größten Vereinsidols zu geben. Die Clubführung entschied sich anders. An Uwe Seeler erinnert vor dem Stadion ein tonnenschweres Ungetüm in Form eines Bronze-Fußes.
Als größtes Vereinsidol blieb Seeler stets ein gefragter Gesprächspartner. Der Satz "Ich mache mir Sorgen um den HSV" wurde dabei zu einem Klassiker. Meist hatte Seeler mit dieser Einschätzung Recht.