Stand: 04.11.2010 14:45 Uhr

Erste Rabbinerin seit 75 Jahren ordiniert

Die Rabbinerin Alina Treiger steht in der Synagoge des Abraham-Geiger-Institutes in Berlin. © dpa - Bildfunk Foto: Marcel Mettelsiefen
Die Menschen sollen die reiche Tradition des Judentums aufnehmen, sagt die Rabbinerin.

Sie will für ein positives, in die Zukunft gewandtes Judenbild werben. Alina Treiger ist die erste in der Bundesrepublik ausgebildete Rabbinerin. Am Donnerstag hat sie gemeinsam mit zwei Rabbinern ihre Ernennungsurkunde erhalten. Die 31-Jährige wird zukünftig in zwei niedersächsischen Gemeinden arbeiten: in Oldenburg und Delmenhorst. Bundespräsident Christian Wulff nahm an der Einsetzung teil und gratulierte der jüdischen Gemeinde in Deutschland. Die Ernennung Treigers zeige, dass "das jüdische Leben aller Richtungen - von orthodox bis liberal - auf eine noch intensivere Weise in unserem Land wieder Wurzeln geschlagen hat".

"Reiche Tradition des Judentums aufnehmen"

Die Rabbinerin und ihre Kollegen sind Absolventen des Abraham-Geiger-Kollegs in Berlin. Treiger ist die erste Frau seit 75 Jahren, die in Deutschland ordiniert wurde. Sie stammt aus der Ukraine, die beiden weiteren Rabbiner gehören der zweiten Generation russischsprachiger jüdischer Zuwanderer in Deutschland an. Für die Zeremonie waren 30 Rabbinerinnen und Rabbiner aus aller Welt nach Deutschland angereist. Treiger betonte im ZDF-"Morgenmagazin", dass sich jüdische Menschen durch "positive Erfahrungen identifizieren", und nicht nur an negative Erfahrungen anknüpfen sollen. Der Holocaust gehöre sicherlich "zu unserer Geschichte", die Menschen sollen aber vor allem die "reiche Tradition des Judentums aufnehmen".

Ungezwungenes jüdisches Leben

Die Rabbinerin Alina Treiger steht in der Synagoge des Abraham-Geiger-Institutes in Berlin vor einer Schriftrolle. © dpa - Bildfunk Foto: Marcel Mettelsiefen
Gemeinsam mit zwei Kommilitonen ist Alina Treiger am Donnerstag ordiniert worden.

Die gebürtige Ukrainerin spricht ein fast einwandfreies Deutsch, als sie mit den Reportern am Donnerstag am Tisch des jüdischen Gemeindezentrums in Berlin sitzt. Sie wird die vierte Rabbinerin sein, die in Deutschland arbeitet. Alle sind in liberalen Gemeinden tätig, weil orthodoxe Juden Frauen im Amt strikt ablehnen. Sie habe mit dieser Einstellung kein Problem. "Ich weiß darum und verstehe das auch. Ich kämpfe aber nicht um ihre Anerkennung, weil ich weiß, dass sie ihre Lebensweise haben - ich habe eben eine andere." Ungezwungen begann auch Treigers jüdisches Leben in ihrer Familie, in der es keine praktische Ausübung der Religion gegeben habe. Erst als die Sowjetunion zusammenbrach, habe sie aktiv zum Judentum gefunden. Sie fand schrittweise neben der ethnischen Zugehörigkeit auch den Glauben dahinter.

Andacht am 9. November in Delmenhorst

Noch im November beginnt die Rabbinerin mir ihrer Arbeit in Niedersachsen. Am 9. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, werde sie in Delmenhorst eine Andacht halten. Anschließend folge ein öffentlicher Auftritt im Rathaus von Oldenburg.

Als weltweit erste Frau wurde Regina Jonas am 27. Dezember 1935 nach einem Studium an der liberalen Hochschule für die Wissenschaft des Judentums in Berlin zur Rabbinerin ordiniert. Sie durfte damals nur als Religionslehrerin arbeiten und keine Predigten in Synagogen halten. Sie starb 1944 im KZ Auschwitz-Birkenau.

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