Historikerin Sylvia Necker © Maike Raap Foto: Maike Raap

Konstanty Gutschow "war der Albert Speer von Hamburg"

Stand: 30.12.2024 12:00 Uhr

Auf den Plänen des NS-Architekten Konstanty Gutschow basiert Hamburgs heutiges Stadtbild, zumindest in Teilen. Die Historikerin Sylvia Necker hat 2013 mit dem NDR über den "Speer der Hansestadt" gesprochen.

von Kristina Festring-Hashem Zadeh*

Die Historikerin Sylvia Necker hat sich ausführlich mit Biografie und Werk des Hamburger "Führerstadt"-Architekten Konstanty Gutschow (1902-1978) auseinandergesetzt. In ihrem Buch "Konstanty Gutschow - Modernes Denken und volksgemeinschaftliche Utopie eines Architekten", zugleich ihre Dissertation, beschreibt die Wissenschaftlerin ausführlich die berufliche Laufbahn Gutschows. Den Blick richtet sie besonders auf seine Rolle während des Nationalsozialismus sowie seine Bedeutung für die weitere Stadtentwicklung Hamburgs. Necker sprach 2013 mit dem NDR über Gutschows Bedeutung während des Nationalsozialismus und nach dem Zweiten Weltkrieg.

Was war Ihr Anlass, sich mit Konstanty Gutschow zu beschäftigen?

Sylvia Necker: Zunächst bin ich zufällig im Rahmen eines Hauptseminars an der Universität Hamburg auf den Namen gestoßen. Obwohl Gutschow neben bekannten Nationalsozialisten wie Albert Speer und Hermann Giesler einer der wichtigsten "Führerstadt"-Architekten war, gab es über ihn lange keine umfassende Monografie. Das fand ich verwunderlich, denn Gutschow war im Grunde der Albert Speer von Hamburg.

Zur Person: Sylvia Hecker

Welche Rolle spielt Gutschow im Rahmen der Hamburger Stadtentwicklung?

Necker: Zum einen war er ab 1939 im Auftrag Hitlers für typisch nationalsozialistische Repräsentationsbauten verantwortlich, die in allen fünf "Führerstädten" zu finden sind. Doch darüber hinaus hat Gutschow vor allem die Stadt Hamburg mit einem Generalbebauungsplan völlig neu gestaltet. Dieser offenbart Züge moderner Stadtplanung. Beim Wiederaufbau der Stadt Hamburg wurden Gutschows Pläne zur Grundlage der neuen Entwürfe. Natürlich nicht alle, aber viele Grundgedanken finden sich wieder.

Wie sah das "Neue Hamburg" Gutschows aus?

Necker: Sein Ziel war es, die aufgrund der Industrialisierung wild gewachsene Stadt neu zu ordnen. Die Stadt sollte aufgelockert und mit mehr Grün- und Wasserflächen ausgestattet werden. Insgesamt sollten die Wohnbauten besser über die Stadt verteilt werden. Ein großer Reichsautobahnring und neue Straßen wie die Ost-West-Straße waren zur Entlastung der überalterten Verkehrssysteme geplant.

Interessant finde ich auch seinen Versuch, den nationalsozialistischen Gedanken der "Volksgemeinschaft" in eine städtebauliche Form zu bringen. Dieses Anfang der 1940er-Jahre entwickelte Konzept nannte er "Ortsgruppe als Siedlungszelle". Dahinter verbergen sich hierarchisch gegliederte Siedlungen, in denen der Ortsgruppenleiter an exponierter Stelle wohnt, darunter gruppiert sich die gesamte Siedlung nach der Hierarchie der NSDAP. Das war eine bisher nie dagewesene Kombination von politischem System und städtebaulicher Gliederung.

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Wurde diese Organisation von Wohneinheiten nach Ende des Zweiten Weltkriegs fortgeführt?

Necker: Zwar nicht in Form der hierarchischen Ordnung. Doch die Grundidee, diese überschaubaren Wohnblock-Einheiten zu bilden, finden wir nach 1945 im bundesrepublikanischen Wiederaufbau in transformierter Form - unter dem unbelasteten Begriff der Nachbarschaft.

Welchen Eindruck haben Sie von dem Architekten Gutschow gewonnen?

Necker: Es war vor allem deshalb spannend, mich mit ihm zu beschäftigen, weil er durchaus einiges an Widersprüchen in sich vereint. Zum einen war er ein NS-Architekt, der sich das Regime zunutze machte. Zugleich war er ein leidenschaftlicher Stadtplaner - und zwar mit einem überraschend modernen Ansatz. Er wollte die Stadt neu organisieren, endlich eine neue städtische Ordnung schaffen. Aus seiner Sicht hatte seine Arbeit nur peripher mit dem Nationalsozialismus zu tun. Und doch war er, wie aus seinen Vorträgen zwischen 1933 und 1945 zu lesen ist, mit voller Überzeugung für die Nationalsozialisten tätig.

Auch seine Arbeitsweise ist interessant. Gutschow war an Typisierungen und Normierungen in der Architektur interessiert. Er studierte Akten, sammelte Daten zu allem, was den Städtebau betraf, und zog Vergleichsbeispiele. Diese Arbeitsweise unterscheidet ihn stark vom Bild des klassischen Architekten, der am Zeichentisch geniale Entwurfsgedanken in Zeichnungen überführt. Daher scheint mir für Gutschow auch ein anderer Begriff notwendig zu sein. Ich würde ihn als Archikraten bezeichnen - eine Mischung aus Architekt und Bürokrat.

*Die Autorin führte das Interview im Jahr 2013, sie ist inzwischen nicht mehr für den NDR tätig.

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