Bürgerpreis für dubiosen Verein
Die Ware Mensch - eingewickelt in Fischhaltefolie, versehen mit einem Strichcode. Am Jungfernstieg, in der Fischauktionshalle, überall in der Stadt stehen an einem sonnigen Tag im vergangenen Mai Frauen und Männer, von oben bis unten in Zellophan gehüllt. Es ist Kirchentag in Hamburg und die Aktion des Vereins "Mission Freedom" soll auf Themen aufmerksam machen, die sich sonst eher im Verborgenen abspielen: Zwangsprostitution und Menschenhandel.
Es sind diese Missstände, die vor einigen Jahren zum Lebensthema von Gaby Wentland wurden. Die vierfache Mutter gründete den Verein Mission Freedom. Sie sieht sich als überzeugte Kämpferin gegen Zwangsprostitution, die sie auch als hundertfache Vergewaltigung Unschuldiger bezeichnet. Durch ganz Deutschland tourt Wentland mit ihren Vorträgen, besucht Kirchen-Gemeinden, Unternehmen, Marktplätze. Kümmert sich mit ihrem Verein nach eigenen Angaben um betroffene Frauen. "Fangt an sie zu befreien", ruft sie in Imagevideos von Mission Freedom auf. Und wer wollte ihr bei diesem wichtigen Thema widersprechen?
Missionarischer Eifer
Gaby Wentland erntet Lob von vielen Seiten, ihr Verein erhält Spendengelder der Aktion Mensch und des Hamburger Spendenparlaments, ist Mitglied in der Diakonie. Nun soll die 56-Jährige sogar mit dem mit 20.000 Euro dotieren Bürgerpreis der Deutschen Zeitungen ausgezeichnet werden. Das Hamburger Abendblatt hatte sie für die Auszeichnung vorgeschlagen. Doch wer ist diese Frau, die sich zur Retterin der Verlorenen stilisiert und dafür gefeiert wird?
Schnell wird deutlich: Gaby Wentland hat sich in der Vergangenheit vor allem als Predigerin und Missionarin hervorgetan. Ihr Mann ist Pastor in der Freien Gemeinde Neugraben, einer Gemeinde der Pfingstkirchen. Jahrelang reiste Wentland mit ihm durch Afrika, um Menschen zu bekehren. Wenige Klicks im Internet führen zu Predigten, die den gedanklichen Hintergrund der charismatischen Frau offenbaren. Ihre Ansichten sind extrem konservativ: Die Bibel ist ihr Gesetz, sie nimmt sie wörtlich und ruft auf, sich streng daran zu halten. Sex vor der Ehe oder Homosexualität sind für sie eine Sünde. Der Glaube an Jesus ist der einzig wahre. Immer wieder warnt sie vor Satan, ruft dazu auf Buße zu tun und Gott um Vergebung zu bitten.
"Fehlende fachliche Kompetenz"
In der Antwort auf eine kleine Anfrage im Senat zu den Methoden des Vereins attestieren Behörden und Opferschutzverbände Mission Freedom "fehlende fachliche Kompetenz". Zudem wird die "spezifisch religiöse Ausrichtung" hervorgehoben. Die Behörden arbeiten nicht mit Mission Freedom zusammen. Es steht die Frage im Raum, ob es bei der Arbeit des Vereins auch um eine Missionierung der betroffenen Frauen gehen könnte. Gaby Wentland betrachtet das als nicht haltbar. Natürlich begleite der christliche Gedanke die Arbeit. Mehr aber auch nicht. Die Religionsfreiheit des Einzelnen werde berücksichtigt.
"Für mich ist der Verein nicht seriös", sagt der Leiter der Abteilung für organisierte Kriminalität im Hamburger Landeskriminalamt, Jörn Blicke. "Der Umgang mit den Opfern und wie er von Mission Freedom gepflegt wird ist nicht so, wie wir uns vorstellen, wie mit Opfern umgegangen wird." Aufmerksam wurde Blicke vor allem durch die Geschichte einer jungen Frau, die Mission Freedom auf einer DVD mit einer vermeintlichen Dokumentation zum Thema Zwangsprostitution öffentlich machte. Sie sei als Mädchen von ihrem Vater an andere Männer zum Sex verkauft worden, erzählt die junge Frau in dem Film. Später sei sie dann auf dem Straßenstrich gelandet und schließlich ihren Peinigern entkommen. Das LKA ermittelte. "Wir haben letztendlich festgestellt: An dieser Geschichte ist nachweislich nichts dran", bestätigt Jörn Blicke gegenüber den Panorama-3-Reporterinnen.
Polizei: "Keine Zusammenarbeit mit dem Verein"
Auch Gaby Wentland wurden die Ermittlungsergebnisse im Juli dieses Jahres von dem LKA-Beamten persönlich mitgeteilt. Doch noch auf einer Veranstaltung Ende August 2013 wirbt sie für die DVD. Als die Panorama-3-Reporterinnen Wentland mit den Vorwürfen konfrontieren, zeigt sie sich wenig schuldbewusst. Schließlich gebe es Geschichten wie die des Mädchens, so Wentland. Jörn Blicke bestreitet das. "Von so einer krassen Geschichte wie auf dieser DVD gibt es keine zweite. Ich mache den Beruf seit den 80er-Jahren und das habe ich noch nicht erlebt", sagt er. Doch Wentland wiegelt ab. "Ich will den Frauen einfach glauben", sagt sie. Erst als die Kamera aus ist teilt sie mit, dass Mission Freedom die DVD künftig aus dem Programm nehmen will.
Wie man angesichts dieser Widersprüche zu Wentland und ihrem Verein zu der Auszeichnung mit dem Bürgerpreis steht, wollen die Panorama-3-Reporterinnen auch vom Hamburger Abendblatt wissen. Dort sieht man offenbar kein Problem. "Wir haben sie aus bestem Gewissen vorgeschlagen", heißt es dort lediglich. Bei der Diakonie regen sich auf detaillierte Nachfrage von Panorama 3 jedoch mittlerweile erste Zweifel. Man wolle die Vorwürfe prüfen und sich in den kommenden Tagen vor Ort ein Bild machen, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.
Für Jörn Blicke vom LKA dagegen ist die Sache klar: "Es gibt keine Zusammenarbeit mit Mission Freedom, es wird auch keine geben, so wie das im Moment absehbar ist. Weder mit uns, noch mit irgendeiner anderen Polizeidienststellen in Hamburg."