Labskaus, Matjes, Rote Grütze: Lecker und norddeutsch kochen
Woraus besteht Labskaus, was genau ist Matjes und woher stammt das Franzbrötchen? Viele bekannte norddeutsche Spezialitäten haben eine besondere Geschichte. Wissenswertes und Rezepte.
Deftig, bodenständig und sättigend - dafür ist die norddeutsche Küche bekannt. Typische Zutaten vieler traditioneller Gerichte sind Fleisch, Fisch, Kohl und Kartoffeln. Doch die Speisekarten im Norden sind vielfältiger als manche denken. Auf ihnen haben auch Gerichte mit Lamm und süße Leckereien ihren festen Platz. Einige Gerichte sind nur in bestimmten Gebieten bekannt, andere werden im gesamten Norden serviert.
Fisch, Krabben, Muscheln und Lamm
An den Küsten von Nord- und Ostsee spielen Fischgerichte eine große Rolle. Scholle, Steinbutt, Hering und Kabeljau, der an der Ostsee als Dorsch bezeichnet wird, sind nur einige der typischen Fische, die bereits seit Jahrhunderten im Norden gefischt werden. Typisch vor allem für die Nordseeküche sind Gerichte mit Krabben (Nordseegarnelen) oder Miesmuscheln. Eine besondere Delikatesse ist das Fleisch des Salzwiesenlamms. Das salzige Gras und die frischen Kräuter von den Deichen und Salzwiesen der Nordseeküste verleihen dem Fleisch ein besonderes Aroma.
Hamburger Pannfisch und Finkenwerder Scholle
Das große Fisch-Angebot aus Elbe und Nordsee prägte auch die Hamburger Küche. Sehr beliebt ist die nach einem Hamburger Stadtteil benannte Finkenwerder Scholle, bei der der Fisch mit einer Speckstippe serviert wird. Ein weiteres Traditionsgericht ist der Hamburger Pannfisch. Dazu werden zunächst Kartoffeln mit Zwiebeln in einer Pfanne (Pann) angebraten, dann kommt der Fisch dazu. Typisch ist die kräftige Senfsoße, mit der alles serviert wird. Sie überdeckte früher den manchmal schon etwas strengeren Geruch des Fisches in dem einstigen "Arme-Leute-Essen".
Stint und Matjes: Spezialitäten im Winter und Frühjahr
Der Straßenname Stintfang erinnert in vielen norddeutschen Hafenstädten an den kleinen Fisch, der zwischen Februar und April in großen Schwärmen von der Nordsee in die Elbe und Weser flussaufwärts wandert, um zu laichen - dann ist Stint-Saison in Norddeutschland. Traditionell wird er ausgenommen, gebraten und im Ganzen gegessen, meist mit Bratkartoffeln oder Kartoffelsalat.
Frühestens ab Mitte Mai beginnt die Matjes-Saison. Dabei handelt es sich um jungen, mit Salz im Holzfass gereiften Hering. Typischerweise isst man ihn entweder im Brötchen oder nach "Hausfrauenart" mit einer Sahne-Zwiebel-Apfelsoße und Kartoffeln.
Labskaus - Traditionsgericht der Seeleute
An diesem Gericht scheiden sich die Geister, denn optisch macht Labskaus meist nicht viel her. Für die Zubereitung werden gepökeltes Rindfleisch, Kartoffeln, Zwiebeln, Rote Bete und Gemüsebrühe zu einem herzhaften Brei gestampft. Serviert wird das Gericht mit Gewürzgurken, Roter Bete, Spiegelei und wahlweise Rollmops, Bismarckhering oder Matjes. Labskaus ist ein typisches Seemannsgericht und stammt aus einer Zeit, als man an Bord der Schiffe beim Kochen auf haltbare Lebensmittel wie Eingelegtes und Gepökeltes angewiesen war.
Grünkohl: Viele verschiedene Zubereitungsarten
Im Spätherbst und Winter beginnt in Norddeutschland die Grünkohl-Saison. Die Zubereitung ist regional leicht unterschiedlich. So kocht man den Kohl im Oldenburger und Bremer Raum traditionell mit Hafergrütze. Serviert wird er mit Pinkel, einer geräucherten Grützwurst.
In Hamburg und Schleswig-Holstein reicht man zum Grünkohl Kassler oder Kohlwurst. Im Raum Hannover und Braunschweig gibt es Bregenwurst, eine leicht geräucherte Mettwurst. In Mecklenburg-Vorpommern isst man den beliebten Kohl wahlweise mit Kassler, Kohlwurst oder Schweinebacke. Traditionelle Beilage sind Salz- oder Bratkartoffeln, in Schleswig-Holstein auch Karamell-Kartoffeln - kleine, runde Kartoffeln (Drillinge), die in der Pfanne mit etwas Zucker karamellisiert wurden. Wer mag, bestreut den Grünkohl zusätzlich mit etwas Zucker.
Deftiges mit Fleisch und Gemüse
Im Harz und an der Mecklenburgischen Seenplatte stehen traditionell Wildgerichte auf der Speisekarte - in den weitläufigen Waldgebieten leben Rehe, Hirsche und Wildschweine. Spezialität in der Lüneburger Heide ist das zart-würzige Fleisch der Heidschnucke. Aus Schleswig-Holstein stammt Schnüsch - ein sommerlicher Eintopf mit Bohnen, die mit weiterem Gemüse in Milch gegart werden. Der Klassiker ist vegetarisch, kann aber auch mit Holsteiner Katenschinken serviert werden. Diese Spezialität wird kalt geräuchert.
Die norddeutsche Küche kombiniert gern Herzhaftes mit Süßem oder Säuerlichem. So etwa in dem Traditionsgericht Birnen, Bohnen und Speck oder in der Aalsuppe, die ihren typisch süß-säuerlichen Geschmack durch Backobst erhält. Ob die Suppe ursprünglich immer Aal enthielt oder so heißt, weil einfach alles (plattdeutsch aal) mitgekocht wurde, was die Vorratskammer hergab, darüber herrscht bis heute Uneinigkeit.
Rote Grütze und Welfenspeise: Norddeutsche Dessert-Klassiker
Neben deftigen Speisen mögen es die Norddeutschen auch süß: Das vielleicht bekannteste Dessert im Norden ist Rote Grütze, die aus roten Früchten wie Himbeeren, Erdbeeren, Kirschen und Johannisbeeren zubereitet und mit Vanillesoße, Sahne oder Eis serviert wird. Beliebter Abschluss festlicher Essen ist in Niedersachsen die Welfenspeise, ein Schichtdessert aus Wein- und Vanillecreme. Die gelb-weiße Schichtung entspricht den Farben der Welfen, die Nachspeise wurde speziell zum 200. Thronjubiläum des Adelsgeschlechts erfunden.
Friesentorte und Franzbrötchen: Süßes aus der Backstube
Auch ein paar besondere Backwaren hat der Norden zu bieten. Dazu zählt etwa die Friesentorte - eine Schichttorte aus Mürbe- und Blätterteigböden mit Füllungen aus Pflaumenmus und Sahne - und das Franzbrötchen. Ob es sich dabei um die Erfindung des "Franz'schen Bäckers" handelt, einer Bäckerei, die um 1825 im damals noch zu Dänemark gehörenden Altona ansässig war, oder ob die Hamburger Bäcker während der französischen Besatzungszeit im 19. Jahrhundert anfingen, weißes Baguettebrot zu backen und anschließend in der Pfanne mit Zimt und Zucker zu braten, ist unklar. Sicher ist nur: Heute ist das leckere, zimtig-süße Plundergebäck in fast jeder Hamburger Bäckerei erhältlich.