Migräne ist eine eigenständige neurologische Erkrankung, die sich durch anfallsweise auftretende Kopfschmerzattacken äußert. Die Dauer der einzelnen Anfälle beträgt vier bis 72 Stunden. Die Kopfschmerzen können einseitig auftreten. Ihr Charakter ist pulsierend und pochend und die Schmerzintensität ist sehr stark. Körperliche Tätigkeit verstärkt die Schmerzen, sodass die Patientinnen und Patienten in der Regel Bettruhe einhalten müssen. Die Schmerzen können von Übelkeit, Erbrechen, Lärm- und Lichtüberempfindlichkeit begleitet werden. Auch Sprach- und Sehstörungen (Flimmern vor den Augen), Kribbel-Missempfindungen, Sprachstörungen, Lähmungen, epileptische Anfälle, Schlaganfälle, Bewusstseinsstörungen und andere Erscheinungen können dabei auftreten.
Es gibt 45 verschiedene Formen von Migräne. Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal ist die sogenannte Aura. Migräne tritt mit und ohne sogenannte Aura auf. Dabei handelt es sich um neurologische Begleitsymptome, die in der Regel vor den Kopfschmerzen auftreten. Die Unterformen werden in der internationalen Kopfschmerzklassifikation aufgelistet.
Die Migräne erfordert für die Diagnosestellung zwingend eine allgemeine ärztliche sowie eine neurologische Untersuchung. Eine ärztliche Untersuchung ist also notwendig, wenn der Verdacht auf eine Migräne besteht oder ungeklärte Kopfschmerzen vorhanden sind.
Zu den häufigsten Auslösern der Migräne, den sogenannte Triggern, zählen Stress, Unregelmäßigkeit im Tagesrhythmus, Auslassen von Mahlzeiten, Flackerlicht und Überanstrengung. Gemeinsam ist allen Auslösern, dass sie zu einem hohen Energieverbrauch in den Nervenzellen führen.
Spezielle Nahrungsmittel sind nur selten Auslösefaktoren für Migräne. Früher glaubte man, dass zum Beispiel Schokolade und Käse potente Auslöser der Migräne sind. Heute weiß man, dass der Heißhunger auf hoch kalorienhaltige Speisen oft ein Vorbotensymptom der Migräne darstellt. Dieser Heißhunger wird durch ein Energiedefizit in den Nervenzellen ausgelöst. Ursachen und Folgen sollten also nicht verwechselt werden. Alkohol und insbesondere süße alkoholische Getränke können jedoch tatsächlich Migräneattacken auslösen. Migräne-Patienten bevorzugen intuitiv kohlenhydratreiche Nahrung wie Kartoffeln, Nudeln, Reis und Brot. Es ist sehr wichtig, die Hauptmahlzeiten regelmäßig einzunehmen.
Vor allem ein umfangreiches kohlenhydratreiches Frühstück ist entscheidend, denn nach der langen Nachtphase sind die Kohlenhydratspeicher in den Nervenzellen erschöpft und müssen wieder aufgefüllt werden. Als Energieträger können Nervenzellen nur Kohlenhydrate verwenden. Fett und Eiweiß sind als Energiesubstrat für Nervenzellen ohne Nutzen. Auch ausreichendes Trinken mit mindestens drei Litern pro Tag kann Migräneattacken vorbeugen. Das Nervensystem benötigt ebenfalls ausreichend Sauerstoff.
Während der Migräne-Attacke sollte schnell und möglichst effektiv eingegriffen werden. Die wirksamsten Medikamente, die heute zur Verfügung stehen, sind die sogenannten Triptane. Mittlerweile werden sieben verschiedene Wirkstoffe unterschieden. Diese werden in der ärztlichen Beratung speziell für den betroffenen Patienten ausgewählt. Bei leichten Attacken helfen auch freiverkäufliche Medikamente vom Typ ASS, Paracetamol, Ibuprofen und ähnliche Präparate.
Davon darf aber nicht zu viel eingenommen werden, sonst droht ein Medikamenten-Übergebrauchs-Kopfschmerz. Schmerzmittel sollten maximal an zehn Tagen pro Monat verwendet werden. Zwanzig Tage im Monat sollten also frei von deren Einnahme sein. Bei der 10-20-Regel werden nicht die an den zehn Tagen verwendeten Tabletten gezählt, sondern nur der jeweilige Tag, unabhängig von der eingenommen Menge.
Bei circa 30 Prozent der Betroffenen kündigen sich Migräne-Anfälle schon bis zu drei Tage vorher an. Die Zündschnur der Migräne glimmt also quasi schon. Die Patienten spüren dies, oft merken aber auch Angehörige die Veränderung. Man unterscheidet zwei Formen von Ankündigungssymptomen: Die "erregenden" zeigen sich durch eine gesteigerte Aktivität, innere Unruhe, Reizbarkeit, aber auch erhöhte Leistungsfähigkeit und Kreativität; "hemmende" charakterisieren sich durch Müdigkeit, mangelnde Belastbarkeit und auch depressive Stimmungsveränderungen.
Der Schwerpunkt der Migräne-Therapie muss auf die Vorbeugung von Migräne-Attacken gerichtet werden. Dabei gibt es zwei Strategien. In erster Linie sollte das Verhalten an die Migräne-Erkrankung angepasst werden. Betroffene sollten in einem möglichst regelmäßigen Tagesrhythmus leben, sich gleichmäßig ernähren, Pausen machen, Arbeit und Freizeit gut ausbalancieren sowie Entspannungsverfahren anwenden.
Außerdem helfen regelmäßig betriebener Ausdauersport wie Schwimmen, Radfahren oder Wandern dem Gehirn dabei, zu "entspannen". Auch spezielle Übungen können helfen. Die zweite Strategie umfasst verschiedenste vorbeugend wirkende Medikamente, die der Arzt verordnen kann. Dabei gibt es sehr unterschiedliche Untergruppen, die durch eine gezielte Untersuchung und Beratung im Einzelfall für den Patienten ausgewählt werden können.
Es handelt sich dabei um eine genetische Veranlagung. Die Betroffenen haben ein besonders aktives Nervensystem. Das bedeutet, dass sie eine besondere Aufmerksamkeit auf Reize, also eine besonders schnelle Reizverarbeitung haben. Migräne-Patient*innen fühlen tiefer und erleben mehr. Man kann sich von wiederkehrenden Reizen nicht gut distanzieren. Und das permanent, nicht nur während des Anfalls.
Viele glauben, Migräne sei eine Sache der Attacke. Aber so ist das nicht. Migräne ist eine Krankheit wie Bluthochdruck oder Diabetes: eine permanente Besonderheit im Nervensystem, der man Rechnung tragen muss, damit sie nicht auslöst. Migräne lässt sich nicht einfach mit einer Schmerztablette abschalten, wie es oft suggeriert wird. Betroffene müssen daran arbeiten und ihr Leben darauf einstellen.
Kinder können schon im ersten Lebensjahr Migräne-Attacken erleiden, bemerkbar durch neurologische Ausfälle. Etwa im sechsten bis siebten Lebensjahr beginnen die typischen Schmerzphasen der Migräne. Am häufigsten sind während der Einschulungsphase Jungen betroffen. Circa drei Prozent der Kinder in der ersten Klasse leiden bereits an Migräne. Die Häufigkeit der Attacken steigt dann schnell an. Während der Pubertät sind bereits rund sieben Prozent der Jungen und 14 Prozent der Mädchen betroffen.
Kinder benötigen ein eingehendes Konzept zur Behandlung ihrer Migräne. Dazu gehören die bereits oben beschriebenen Strategien für das Verhalten. Die Auswahl von Medikamenten ist bei Kindern anders vorzunehmen als bei Erwachsenen und auch daher ist eine spezielle Migräne-Beratung für Kinder erforderlich.
Hilfe zur Selbsthilfe, Beratung und vertiefende Informationen für Betroffene bieten diese Oranisationen:
- Deutsche Schmerzliga e.V.: Informationen zu verschiedenen Arten von Kopfschmerzen.
- Migräneliga Deutschland e.V.: Hilfe zur Selbsthilfe für Migräne-Kranke.
- Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e. V.: Kopfschmerzkalender zum Ausdrucken sowie Infos zu den verschiedenen Kopfschmerzarten.