Schaufensterkrankheit: Ursachen, Symptome und Behandlung
Die periphere Arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) - auch Schaufensterkrankheit genannt - ist eine gefährliche Durchblutungsstörung. Gezieltes Gehtraining kann eine OP oft verhindern.
In Deutschland leiden rund 10 bis 20 Prozent der Menschen über 60 Jahren unter Verkalkungen der Becken- und Beinarterien, einer sogenannten peripheren Arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) oder Schaufensterkrankheit. Im Jahr 2018 waren es fast 2,3 Millionen Betroffene, wobei Expertinnen und Experten von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, da viele Betroffene lange Zeit keine oder nur hin und wieder Symptome zeigen.
Bei einer Verkalkung der Schlagadern - auch Arteriosklerose genannt - lagern sich im ganzen Körper unbemerkt Kalk und Fett an den Gefäßwänden ab. Allmählich schwindet dadurch die Elastizität der Adern, die Gefäße verengen sich bis zum vollständigen Verschluss. Vor allem Rauchen, hohe Blutfettwerte und Bluthochdruck erhöhen das Risiko. Sind die Beine betroffen, kann dies im Extremfall bis zum Absterben des Beines und zur Amputation führen.
Symptome der pAVK: Krampfartige Schmerzen
Typisch für die Schaufensterkrankheit sind diffuse, krampfartige Beinschmerzen bei Belastung, zum Beispiel beim Gehen, die im Ruhezustand verschwinden. Früher mühelos zu bewältigende Strecken werden zunehmend zum Problem. Die Muskeln schmerzen, weil ihnen durch die mangelhafte Blutversorgung der Sauerstoff fehlt.
Mit der Zeit treten die Schmerzen auch in Ruhesituationen auf, vor allem nachts, wenn die Beine waagerecht liegen und die Muskulatur nicht ausreichend durchblutet wird. Beim Gehen bekommen die Betroffenen wegen der mangelnden Durchblutung so starke Beinschmerzen, dass sie immer wieder Pausen einlegen müssen, bis der stechende Schmerz in den Waden nachlässt.
Auch Schmerzen im Fuß, Wunden, trockene Haut und offene Stellen an den Beinen können ein Hinweis auf die Schaufensterkrankheit sein. Das Problem: Bei älteren Menschen wird all dies oftmals als Altersbeschwerden abgetan.
Diagnose mit Blutdruck- und Pulskontrolle, Ultraschall und Angiografie
Die periphere Arterielle Verschlusskrankheit lässt sich einfach diagnostizieren:
- Bei der Blutdruckkontrolle wird am Arm und an den Fußgelenken gemessen. Teilt man dann den am Bein ermittelten Wert durch den am Arm gemessenen Blutdruck, erhält man den Knöchel-Arm-Index.
- Mit einer Blutdruckkontrolle an einem Zeh
- Pulskontrolle an den Füßen, in den Kniekehlen und Leisten
- Ultraschalluntersuchung und Röntgenaufnahme der Beinarterien mit Kontrastmittel (Angiografie)
Früherkennung senkt auch Schlaganfall- und Herzinfarkt-Risiko
Je früher die Schaufensterkrankheit behandelt wird, umso besser lässt sich ihr Fortschreiten bremsen. Das ist auch deshalb enorm wichtig, weil bei den meisten pAVK-Erkrankten auch die Herz- und Hirngefäße betroffen sind. Das führt zu einem erhöhten Risiko für einen Schlaganfall oder Herzinfarkt - mehr als 75 Prozent aller pAVK-Patientinnen und -Patienten sterben im weiteren Verlauf daran.
Mit gezielt eingesetzten Medikamenten und einer gesunden Lebensweise kann dem Fortschreiten der Arteriosklerose entgegengewirkt werden. In jedem Fall müssen Betroffene mit dem Rauchen aufhören.
Gehtraining statt OP: Laufen bis zur Schmerzgrenze
Sehr hilfreich ist ein konsequentes Geh- und Gefäßtraining, wie Studien zeigen: Sind Betroffene in der Lage, mehr als 50 Meter am Stück zu gehen, kann ein spezielles, möglichst angeleitetes Training sogar erfolgreicher sein als das Einsetzen von Gefäßstützen (Stents).
- Eine gute Anleitung ist entscheidend für den Erfolg der sportlichen Maßnahmen. Bei einer diagnostizierten pAVK besteht Anspruch auf eine Gefäßreha, bei der das entsprechende Training erlernt wird. Empfohlen wird eine Gefäßreha bei einer schmerzfreien Gehstrecke von unter 200 Metern.
- Abhängig vom Ort der Engstelle werden gezielt verschiedene Muskelgruppen trainiert.
- Bei einer verengten Arterie im Leistenbereich muss gezielt die nächstliegende Muskulatur in Oberschenkel und Gesäß trainiert werden, zum Beispiel mit der Beinpresse oder auf dem Fahrradergometer. Wichtig ist die "Fußschaukel": Dabei die Ferse und den Vorderfuß abwechselnd belasten.
- Sitzt die Ursache der Durchblutungsstörung weiter unten, ist Ergometertraining nicht sinnvoll. In diesem Fall ist möglichst forsches Gehen wichtig. Dabei sollten die Betroffenen nicht nur einfach geradeaus gehen, sondern bergauf und bergab und dabei intensiv mit der Ferse auftreten und den Fuß abrollen - dabei die Gehstrecke erweitern.
Entscheidend ist es, bis an die Schmerzgrenze zu gehen und darüber hinaus. Denn erst, wenn es etwas wehtut, bilden sich winzige, aber für die Durchblutung wichtige Umgehungsstraßen (Kollateralen) und die Gefäßfunktion verbessert sich. Die Muskelbelastung regt die Zellkraftwerke (Mitochondrien) an, Blutfluss und Stoffwechsel werden gesteigert.
Therapie nach Leitlinien: Risikofaktoren beachten
Expertinnen und Experten beklagen, dass viele Hausärzte die aktuellen Leitlinien zur Versorgung der pAVK nicht kennen, sodass Betroffene keine adäquate Behandlung bekommen. Bei der Therapie der pAVK sollten immer auch drei Risikofaktoren beachtet und behandelt werden:
- Thrombose: Vor Blutgerinnseln sollen Blutverdünner der neuen Generation schützen, dadurch besteht eine geringere Gefahr für Amputationen.
- Cholesterin: Gegen zu hohe Blutfettwerte werden neue Lipidsenker (PCSK9-Inhibitoren) eingesetzt.
- Diabetes: Erhöhte Blutzuckerwerte lassen sich mit neuen Anti-Diabetes-Mitteln in den Griff bekommen.
Laut einer aktuellen Studie der Uni Münster, bei der die Daten von 200.000 Patientinnen und Patienten ausgewertet wurden, die wegen einer kritischen Mangeldurchblutung der Beine im Krankenhaus behandelt werden mussten, waren nur zwei Drittel der betroffenen Männer mit den in den Leitlinien empfohlenen Therapien behandelt worden. Bei Frauen war der Anteil noch geringer, obwohl sie häufiger an einer pAVK erkranken.
Dies galt sowohl für Katheter- und gefäßchirurgische Eingriffe als auch für Medikamente. Die Auswirkungen auf die Lebenserwartung und -qualität der Betroffenen waren dramatisch: 20 Prozent mussten sich noch während des Klinikaufenthaltes einer Amputation unterziehen, weitere 18 Prozent in den folgenden zwei Jahren. Die Hälfte aller Patientinnen und Patienten verstarb innerhalb von vier Jahren.
Operation der Gefäßverengung mit Ballonkatheter
Ist die Arteriosklerose bereits fortgeschritten, können Operationen nötig werden. Abhängig von Ausdehnung und Sitz der Gefäßverengung kann ein Katheterverfahren, die Perkutane Transluminale Angioplastie (PTA), eingesetzt werden. Dabei wird die Engstelle mit einem Ballon aufgedehnt und gegebenenfalls durch einen Stent zusätzlich gestützt. Das Problem: Durch den Eingriff kann es zu Narbenbildungen kommen, das Gefäß kann sich wieder verschließen.
Das Risiko ist mit einer neuen Technik geringer: Dabei wird zur Aufdehnung der Engstelle ein Ballonkatheter verwendet, der mit Medikamenten beschichtet ist. Er soll verhindern, dass Gefäßzellen auf die OP mit verstärktem Wachstum reagieren. Ein Stent ist dabei nicht mehr nötig. In schweren Fällen kann die Engstelle auch durch einen Bypass überbrückt werden.
Nach dem Eingriff hängt der weitere Verlauf vom Lebenswandel ab: Rauchen, Bewegungsmangel und Übergewicht schädigen die Gefäße und erhöhen die Gefahr einer erneuten Arterienverstopfung. Betroffene sollten sich reichlich bewegen und versuchen, ihr Gewicht in den Griff zu bekommen.
Expertinnen und Experten zum Thema