Phagentherapie: Bakterien mit Viren bekämpfen
Viren können im Kampf gegen multiresistente Keime helfen. Sogenannte Bakteriophagen zerstören Bakterien, gegen die kein Antibiotikum mehr Wirkung zeigt und können unter anderem bei der Wundheilung helfen.
Immer mehr Bakterien werden resistent gegen Antibiotika, die zuvor jahrelang gut gewirkt hatten. Im Kampf gegen solche multiresistenten Keime setzen Ärzte in den früheren Ostblockstaaten schon lange erfolgreich auf Viren, sogenannte Bakteriophagen. Auch in Deutschland wird entsprechend geforscht.
Phagen bringen Bakterien zum Platzen
Phagen zerstören Bakterien - es sind unterschiedliche Viren, die jeweils auf ein bestimmtes Bakterium spezialisiert sind. Trifft ein Phage auf "sein" Bakterium, heftet er sich an dessen Zellwand und injiziert seine DNS. Auf Befehl der Phagen-DNS produzieren die Bakterienzellen neue Phagen. Schließlich sind so viele dieser speziellen Viren im Bakterium, dass es platzt und die neuen Phagen freisetzt. Die wiederum greifen andere Bakterien an - bis schließlich alle Bakterien zerstört sind. Dann verschwinden auch die Viren wieder, denn sie haben keinen Wirt mehr.
Um Phagen gegen eine bakterielle Infektion einsetzen zu können, werden die beteiligten Bakterien zunächst identifiziert und vermehrt, um sie anschließend mit verschiedenen Phagen zu konfrontieren. Greift einer dieser Phagen die Bakterien im Labor an, wird er in das infizierte Gewebe injiziert.
Forscher filtern Phagen aus dem Wasser
Phagen tummeln sich überall, wo Bakterien sind: in der Umwelt, auf unserem Körper und vor allem in Abwässern. Um Phagen zu isolieren, wird das Wasser gefiltert. Anschließend werden die Viren vermehrt und in ihrer Wirkung gegen Bakterien erprobt.
Um die Viren auch als Medikament nutzen zu können, müssen sie entsprechend den Regularien des deutschen Arzneimittelgesetzes vor einer Zulassung in klinischen Studien getestet werden. Da aber jeder Phage nur genau ein Bakterium bekämpft, benötigte man hunderte unterschiedliche Phagen, um sie flächendeckend in Krankenhäusern gegen multiresistente Erreger einsetzen zu können. Für jeden einzelnen Phagen eine klinische Studie durchzuführen ist jedoch zu teuer und aufwendig. Daher ist eine Phagentherapie zur Zeit wegen der fehlenden Zulassung nur in Ausnahmefällen als Heilversuch möglich.
Phagentherapie gegen multiresistente Keime in Deutschland noch selten
Das Leibniz-Institut in Braunschweig hat die größte Phagen-Sammlung in Deutschland zusammengetragen. Dort werden derzeit die bestwirksamen Phagen gegen ein bestimmtes Bakterium gesucht, das schwere Darminfektionen verursacht. Sind die richtigen Phagen gefunden, sollen diese exemplarisch in einer klinischen Studie getestet werden, um die Effizienz und Sicherheit der Phagentherapie exemplarisch zu belegen. An der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) wurden bis Ende 2023 über 30 Patienten, die mit multiresistenten Keimen infiziert waren, mit Phagen behandelt. 90 Prozent der Erkrankten konnten mit der Therapie geheilt werden. Anfragen für eine Phagentherapie muss die Klinik jedoch wegen der fehlenden Zulassung fast immer zurückweisen.
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