Eine Frau drückt mit dem Daumen in die andere Handfläche. © Colourbox Foto:  Astrid Gast

Karpaltunnelsyndrom: Was hilft gegen taube Hände?

Stand: 07.03.2021 16:01 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Kribbeln, Brennen und Taubheitsgefühle im Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger sind typische Symptome für das Karpaltunnelsyndrom. Dabei ist ein wichtiger Nerv des Handgelenks eingeklemmt.

Beim Karpaltunnelsyndrom können vor allem am Daumen auch Schmerzen und Missempfindungen auftreten, die sich wie schwache elektrische Schläge anfühlen und bis in den Arm ausstrahlen können. Im fortgeschrittenen Krankheitsstadium kann es zu einer Atrophie kommen, einem Abbau der Muskulatur des Daumenballens.

Ursachen des Karpaltunnelsyndroms erkennen

Die Ursache der Beschwerden liegt in einer Verengung des Karpaltunnels, einer knöchernen Rinne an der Innenseite des Handgelenks. Dort verläuft der Medianusnerv in Daumen, Zeigefinger und Mittelfinger. Er ist für das Gefühl zuständig und für die Steuerung der Muskeln. Ausgelöst wird die Verengung zum Beispiel durch:

  • manuelle Belastungen (zum Beispiel längere Benutzung von Unterarmgehstützen, ausgedehnte Fahrradtouren)
  • hormonelle Veränderungen durch Schwangerschaft oder Wechseljahre
  • Krankheiten wie Diabetes und Schilddrüsenunterfunktion

Karpaltunnelsyndrom: Diagnose mit einfachen Tests

Oft kann der Arzt schon mit einfachen Tests erkennen, ob es sich um ein Karpaltunnelsyndrom handelt:

  • Beim Klopftest prüft der Arzt, ob ein Klopfreiz am Medianusnerv zu einem elektrisierenden Gefühl führt, das in die Hand einschießt.
  • Der Phalentest provoziert den Nerv durch ein Zusammenstauchen, das zu einem tauben, kribbelnden Gefühl in den Fingern führt.

Diagnose mit Strom und Ultraschall

Zur Diagnose eines Karpaltunnelsyndroms misst der Arzt die Leitfähigkeit der Nerven und untersucht den Bereich per Ultraschall. Zur Messung der Nervenleitfähigkeit (Elektroneurografie) schickt ein Neurologe über Elektroden schwache Stromimpulse durch den Arm. Ein Impuls auf der einen Seite des Karpaltunnels muss zu einer Muskelreaktion auf der anderen Seite führen. Ist die Leitfähigkeit gestört, spricht das für ein Karpaltunnelsyndrom. Zeigt die Untersuchung einen normalen Befund, liegt kein Karpaltunnelsyndrom vor. Eine hochauflösende Ultraschalluntersuchung des Nervs kann nützlich sein, wenn die Elektroneurografie keine klare Aussage bringt, oder wenn die Operation eines Karpaltunnelsyndroms nicht den gewünschten Erfolg bringt.

Andere Auslöser für Beschwerden ausschließen

Zeigt die Ultraschalluntersuchung keine Einengung und Schwellung des Nervs, müssen die Symptome eine andere Ursache haben:

  • Das kann zum Beispiel eine Autoimmunkrankheit sein, die zu Nervenentzündungen führt.
  • Auch verspannte Nackenmuskeln, Gelenkzysten oder verstopfte Arterien können Symptome verursachen, die zunächst auf ein Karpaltunnelsyndrom hindeuten.
  • Seltener kann ein Kribbeln in den Fingern auch durch einen schlecht verheilten Schlüsselbeinbruch nach einem Unfall ausgelöst werden oder durch einen bösartigen Tumor, der in die Nervengeflechte einwächst (Pancoast-Tumor).

Muskelengpass-Syndrom als Auslöser

Kann der Arzt schmerzhafte Triggerpunkte ertasten, deutet das auf ein sogenanntes Muskelengpass-Syndrom hin:

  • Auf seinem Weg von der Halswirbelsäule zur Hand durchläuft der Medianusnerv einige Engstellen: Am Halsansatz verläuft das Nervenbündel durch eine kleine Lücke zwischen den Skalenusmuskeln. Bei einer Einengung an dieser Stelle spricht man vom Skalenus-Syndrom.
  • Weiter unten kreuzt der Nerv an der Brust den Musculus pectoralis minor. Ist er verspannt, zum Beispiel durch Fehlhaltungen am Schreibtisch, kann der Nerv gequetscht werden - die Folge ist ein sogenanntes Pectoralis-Minor-Syndrom.

Beide Syndrome führen zu Missempfindungen in der Hand und teilweise auch im Arm. Ein solches Muskelengpasssyndrom ist leicht zu behandeln durch eine bessere Körperhaltung und viel Dehnung von Brust- und Halsmuskulatur.

Karpaltunnelsyndrom behandeln

Wenn die Beschwerden zunehmen, deutet das darauf hin, dass der Medianusnerv unter Druck steht. Eine Behandlung ist wichtig, weil sonst die Gefahr besteht, dass Nervenfasern unwiederbringlich absterben. Zu Beginn des Karpaltunnelsyndroms lassen sich die Beschwerden in der Regel konservativ behandeln - mit Vitamin B6, Kortison-Spritzen, manueller Therapie und einer speziell angepassten, nur nachts getragenen Armschiene.

Operation sollte nur bei eindeutiger Diagnose erfolgen

Schlägt die Behandlung nicht an, muss operiert werden. Vorher sollte allerdings die elektrophysiologische Diagnostik ein Karpaltunnelsyndrom eindeutig bestätigt haben. Immer wieder wird laut Experten operiert, obwohl die eindeutige Diagnose fehlt.

Zwei verschiedene OP-Verfahren

Beim klassischen offenen Verfahren durchtrennt der Chirurg das Karpalband am Handgelenk und das einengende Bindegewebe, um den Nerv zu befreien. Der Eingriff dauert 10 bis 15 Minuten. Probleme durch das fehlende Karpalband sind nicht zu erwarten. Im Anschluss an die Operation muss die Hand kurzfristig ruhiggestellt werden. Beim minimalinvasiven Verfahren wird ein Endoskop durch einen kleinen Schnitt am Ende des Unterarms eingeführt und in den Karpaltunnel vorgeschoben. Dort spaltet der Chirurg mit einem ausfahrbaren Messer von unten das Dach des Karpaltunnels.

Karpaltunnelsyndrom: Operation nicht ohne Risiken

Nach dem Eingriff ist bei Betroffenen durchaus Geduld gefragt: Manchmal dauert die Rückbildung der Beschwerden drei bis vier Monate. Falls die Beschwerden zunehmen, sollte nach zwei Monaten nochmals eine elektrophysiologische Diagnostik oder gegebenenfalls eine Ultraschalluntersuchung durchgeführt werden. Beide Methoden haben Vor- und Nachteile: Bei der offenen Operation wird die Haut an einer Stelle durchtrennt, an der bei einigen Menschen feine Hautnerven verlaufen. Die Narbe kann dadurch sehr empfindlich sein. Nach einer minimalinvasiven Operation können Erkrankte ihre Hand schneller wieder benutzen, allerdings hat auch dieses Verfahren Risiken: Werden Nerven und Blutgefäße verletzt, kann das zu dauerhaften Schäden und Schmerzen führen.

Wenn die OP erfolglos bleibt

In einigen Fällen bleibt die Operation beim Karpaltunnelsyndrom erfolglos, zum Beispiel, wenn der Medianusnerv nicht am Handgelenk, sondern am Ellenbogen oder in der Halswirbelsäule eingeklemmt ist. Eine andere Krankheit, die ähnliche Symptome wie das Karpaltunnelsyndrom hervorruft, ist das Wartenberg-Syndrom. Dabei ist der Radialnerv am Unterarm eingeklemmt.

Tipps und Übungen: Karpaltunnelsyndrom vorbeugen

  • Neutrale Handposition: Wiederholtes Beugen des Handgelenks fördert das Karpaltunnelsyndrom. Deshalb sollte man auf eine neutrale Handstellung - wie beim Händeschütteln - achten.
  • Gelenkschoner nutzen: Handgelenkschoner aus der Apotheke helfen, bei der Arbeit oder auch im Schlaf eine neutrale Handposition zu behalten. Das ist wichtig, weil viele Menschen mit gebeugtem Handgelenk schlafen.
  • Schreibtischstuhl einstellen: Den Schreibtischstuhl so einstellen, dass beim Sitzen die Unterarme auf einer Linie mit der Tastatur liegen. Hände und Handgelenke sollten dabei eine Linie mit den Unterarmen bilden. Während der Arbeit den Körper nicht dauerhaft zur Seite drehen oder beugen.
  • Pausen machen: Bei Tätigkeiten wie Schreiben auf einer Tastatur oder Gemüseschneiden sollte man alle 10 bis 15 Minuten eine kurze Pause einlegen, die Handgelenke dehnen und ausschütteln.
  • Monotone Tätigkeiten vermeiden: Bei der Arbeit nicht zu lange die gleiche Position einnehmen und, wenn möglich, alle 20 bis 40 Minuten die Tätigkeit wechseln.
  • Kraft sparen: Wer mit möglichst wenig Kraftaufwand arbeitet, vermeidet eine Überlastung der Handgelenke. Bei der Arbeit auf Werkzeuge in der richtigen Größe achten: Eine zu große oder zu kleine Maus kann die Handgelenke überlasten. Zum Radfahren ergonomische Lenkergriffe mit Ballenauflage montieren.
  • Hände warmhalten: Bei Arbeiten in einer kalten Umgebung werden die Hände eher steif und schmerzen. Daher sollten Handschuhe getragen werden.
  • Wassergüsse anwenden: Für zusätzliche Entspannung sorgen kalte oder lauwarme Wassergüsse, die von den Händen bis zum Unterarm geführt werden.

Da ein beidseitiges Karpaltunnelsyndrom ein sehr frühes Symptom einer sogenannten ATTR-Amyloidose sein kann, sollte nach der Operation eine Gewebeprobe in der Pathologie angefärbt und feingeweblich untersucht werden. Auf diese Weise lässt sich die Erkrankung früh genug erkennen, um ihr Fortschreiten durch effektive Therapien zu bremsen.

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR Fernsehen | Visite | 09.03.2021 20:15

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