VIDEO: Rückenschmerzen: Ursachen erkennen und mit Übungen behandeln (9 Min)

Rückenschmerzen: Übungen und Physiotherapie können helfen

Stand: 23.04.2025 16:28 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Rückenschmerzen sind häufig, oft haben sie muskuläre Ursachen. Übungen und Physiotherapie können helfen, die Schmerzen in den Griff zu bekommen. 

Rückenprobleme sind eine Volkskrankheit: Ein Drittel der Erwachsenen in Deutschland ist davon betroffen. Die Ursache liegt in der Regel aber nicht in der Wirbelsäule, sondern in den Weichteilen, also verkürzten Muskeln und verklebten Faszien, oder aber in Problemen an anderen Gelenken wie dem Knie. In vier von fünf Fällen ist eine Über- oder Fehlbelastung der Muskulatur verantwortlich für Schmerzen im oberen oder unteren Rücken

Mögliche Ursache: Fehlbelastung nach Arthrose im Knie 

So wird bei Problemen und Schmerzen im Kniegelenk, zum Beispiel durch Gelenkverschleiß (Arthrose), oft auch der Rücken in Mitleidenschaft gezogen. Das passiert dann, wenn ständige starke Kniebeschwerden zu einer dauerhaften Fehlbelastung führen. Betroffene nehmen automatisch eine Schonhaltung ein. Dadurch kann sich auf Dauer die komplette Körperachse verschieben. Die Folge: verspannte Muskeln, die auf Nerven drücken. Und über Nervenbahnen kann sich der Schmerz bis in den Rücken fortsetzen.  

Beckenverwringung kann Rückenbeschwerden auslösen 

Auch Becken und Hüfte können Rückenschmerzen verursachen. Das Becken hat eine zentrale Rolle im Körper. Es verbindet den Oberkörper mit den Beinen. Das Hüftgelenk sorgt für Stabilität, aber auch für Beweglichkeit. Im Stand nimmt das Becken eine fast waagerechte Position ein. Eine dauerhafte einseitige Belastung, zum Beispiel durch ständiges Tragen auf einer Schulter, kippt das Becken zur Seite - ein Beckenschiefstand entsteht. Die Folge sind Verspannungen des Lenden-Darmbein-Muskels (Musculus iliopsoas), der für die Beugung im Hüftgelenk und eine aufrechte Haltung wichtig ist. Es kommt zu einer sogenannten funktionellen Beinlängendifferenz. Diese wiederum ist Ausgangspunkt weiterer Fehlhaltungen, Verspannungen und multipler Schmerzen - ein Teufelskreis. 

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Schmerzen im unteren Rücken: Verspannter Piriformis-Muskel und ISG-Syndrom

Auch Verspannungen des Piriformis-Muskels (Piriformis-Syndrom) in der tiefen Hüftmuskulatur können am Schmerzgeschehen im Rücken beteiligt sein. Meist strahlt der Schmerz dann ins Gesäß und ins Bein aus, weil der birnenförmige Muskel, der das untere Ende der Wirbelsäule mit dem Oberschenkel verbindet, auf den Ischiasnerv drückt. 

Bei Beschwerden im unteren Rücken gehen Schmerzen nicht selten auch vom Iliosakralgelenk (ISG), auch Kreuz-Darmbein-Gelenk genannt, aus. Das ISG verbindet die Beckenschaufeln mit dem unteren Teil der Wirbelsäule, dem Kreuzbein. Es hat eine stabilisierende Funktion und kann nicht aktiv bewegt werden. Entzündungen oder Blockaden können ursächlich für das sogenannte ISG-Syndrom sein. 

Weitere mögliche Ursachen für Rückenschmerzen: 

Bei diesen Diagnosen sind teils dringend spezielle Therapien erforderlich. 

Neurologische Symptome erkennen 

Guten Orthopäden und Orthopädinnen genügen meist Augen, Ohren und Hände, um in den allermeisten Fällen zur richtigen Diagnose und Therapie zu kommen. Dafür müssen sie sich die Beschwerden genau beschreiben lassen, den Patienten bei der Bewegung beobachten, Gelenke testen und nach muskulären Verspannungen abtasten.

Der Arzt achtet dabei auch auf neurologische Zeichen wie in die Beine ausstrahlende Schmerzen mit Taubheitsgefühl, Kribbeln, Muskelschwäche, Blasen- und Mastdarmschwäche, Gefühlsstörungen am After und ein Nachlassen des Schmerzes bei zunehmender Lähmung. Solche Zeichen weisen auf eine Wirbelsäulenerkrankung hin, die das Rückenmark oder einzelne Nervenwurzeln beeinträchtigt. Bildgebende Verfahren wie Röntgen oder MRT können darüber Aufschluss geben.  

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Physiotherapie und Übungen: Behandlung in fünf Säulen 

Bei der Behandlung von Rückenschmerzen sollten Mediziner und Physiotherapeuten eng zusammenarbeiten. Ein umfassendes physiotherapeutisches Therapiekonzept kann helfen, langjährige Rückenschmerzen wieder loszuwerden. Es ruht auf fünf Säulen:  

Säule 1: Gründliche Anamnese  

Um den aktuellen Schmerz zu verstehen und optimal behandeln zu können, ist es wichtig, auf seine Entstehung und mögliche Ursachen zurückzublicken:

  • Wann kommt der Schmerz? 
  • Wann wird er besser?  
  • Was muss der Körper im Alltag leisten? 
  • Gab es in der Vorgeschichte Operationen, Unfälle, Stürze? 
  • Welchen seelischen Kummer, welche Sorgen gibt es? 

Säule 2: Tests und Untersuchungen 

Mit Tests der Beweglichkeit, manualtherapeutischen und osteopathischen Untersuchungen können dafür ausgebildete Physiotherapeuten nach Schmerzursachen wie Blockaden oder Verwachsungen fahnden.  

Säule 3: Aufklärung und Coaching  

Eine wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Physiotherapie ist, dass die Betroffenen die Zusammenhänge verstehen, die zu ihrer Schmerzsymptomatik führen, sie verschlimmern oder verbessern. Wer seinen Schmerz versteht, kann das eigene Verhalten ändern und ist motiviert, selbst aktiv zu werden. Um die Mobilität zu erhalten und zu vermeiden, dass sich eine ungünstige Schonhaltung verfestigt, kann in der Akutphase bei starken Schmerzen auch der Einsatz von Schmerzmedikamenten sinnvoll sein.

Säule 4: Passive Therapie  

Falls erforderlich, lassen sich mit speziellen Handgriffen aus der Manuellen Therapie Blockaden lösen, Wirbelgelenke wieder mobilisieren und Funktionsstörungen zwischen Knochen, Muskulatur und Nerven beheben. Bei Narben und Verwachsungen können Verfahren der Osteopathie hilfreich sein. Wärmeanwendungen oder Massagen wirken entspannend und eignen sich gut als auflockernde Vorbereitung für ein muskelkräftigendes Training.  

Säule 5: Aktive Therapie mit Übungen 

In der fünften Säule geht es darum, selbst aktiv zu werden. Generell gilt: Wenn beim Training ein Schmerz überwunden werden muss, sollte es zunächst unter physiotherapeutischer Aufsicht erfolgen. So ist sichergestellt, dass alle Übungen korrekt und gezielt durchgeführt werden und nicht noch zusätzliche Probleme auslösen. 

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Alltagsübungen gegen Rückenschmerzen 

Physiotherapie kann langfristig nur erfolgreich sein, wenn Patientinnen und Patienten die empfohlenen Übungen auch im Alltag umsetzen. Dabei sollte in Absprache mit dem Physiotherapeuten auf eine ausgewogene Mischung von Kräftigen und Dehnen geachtet werden. 

Als eine der effektivsten Maßnahmen zur Vorbeugung und Behandlung von Rückenschmerzen gilt das funktionelle Rückentraining. Dabei werden ganze Muskelgruppen und komplexe Bewegungsabläufe mithilfe des eigenen Körpergewichts trainiert. Unter Ausnutzung der Schwerkraft lassen sich so vor allem die tiefliegenden, die Wirbelsäule stabilisierenden Muskelgruppen kräftigen. Die dadurch gewonnene Stabilität führt im besten Fall zur Schmerzfreiheit.

Auch Nordic Walking, der Crosstrainer oder Skilanglauf eignen sich gut zur Vorbeugung oder Behandlung von Rückenschmerzen, denn durch die diagonalen Bewegungen wird die Körperkern-Stabilität gefördert. 

Gesäßmuskulatur trainieren

Wichtig zur Vorbeugung von Rückenschmerzen ist vor allem aber auch das Gesäß: Im Zentrum steht der große Po-Muskel (Gluteus maximus). Er ist als Umschaltstelle und Aufrichtmuskel verantwortlich für die Stabilität von Becken und Wirbelsäule und entscheidend für die Körperstatik. Oft aber ist ausgerechnet dieser Muskel durch viel Sitzen, Muskelabbau im Alter und fehlendes Training zu schlapp. 

Übungen für das Gesäß 

Mit einfachen Übungen lässt sich der große Po-Muskel kräftigen: 

  • Mit einem kleinen Theraband um die Schienbeine in die Kniebeuge gehen und in dieser Position seitliche Schritte machen. 
  • Festhalten am Treppengeländer, und mit dem Theraband um die Schienbeine ein Bein im Ausfallschritt nach hinten ziehen. Das stärkt den Po-Muskel und dehnt zugleich. 
  • Wer zum Beispiel nach einer Hüftgelenksoperation unter fehlender Kraft leidet, kann an einer Treppenstufe trainieren: Ein Bein aufstellen und das Becken auf der Seite des frei schwingenden Beines aktiv hochziehen und wieder herunterlassen. 
  • Auch die guten alten Kniebeugen bis maximal zu einem Winkel von 90 Grad im Kniegelenk bringen Kraft in Gesäß und Oberschenkel zurück.  

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Beim Dehnen geht es darum, den Bewegungsradius des Körpers (Range of motion) zu erweitern. Ohne regelmäßige Dehnung oder Streckung können sich die Muskeln verkürzen und die sie umhüllenden Faszien verkleben, verdrehen oder verhärten. Besonders oft passiert das bei Menschen, die viel am Schreibtisch sitzen.

Da Faszien wie eine Kette durch den ganzen Körper verlaufen, kann die Ursache der Rückenschmerzen eine Verkürzung in einer ganz anderen Körperregion sein. Durch Strecken und Dehnen lassen sich die Gelenke aus diesem Korsett befreien. Das Dehnen vergrößert die Gelenkspalten, das lindert Schmerzen und produziert mehr Gelenkflüssigkeit - der Körper wird ein Stück beweglicher. Hilfreich kann auch das Training mit Faszienrolle und Faszienball sein. Anfänger sollten sich Übungen unbedingt zunächst von einem Physiotherapeuten zeigen lassen.

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NDR Fernsehen | Visite | 03.09.2024 20:15 Uhr

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