Bandscheibenvorfall: Übungen können OP oft vermeiden
Rückenschmerzen sind eine Volkskrankheit: Etwa jeder dritte Deutsche leidet daran. In den meisten Fällen sind einseitige Belastungen oder fehlende Bewegung die Ursachen. Nur in 15 Prozent der Fälle sind Rückenschmerzen auf Erkrankungen wie Bandscheibenvorfälle, Wirbelgleiten oder Verschleißerscheinungen zurückzuführen. Bis zu 90 Prozent der Rückenschmerzen verschwinden innerhalb von etwa sechs Wochen.
Die Behandlung von Rückenschmerzen hat sich in den vergangenen Jahren sehr stark gewandelt: Während Ärzte früher auf Ruhe und Schonung setzten, steht heutzutage Bewegung im Vordergrund - zum Beispiel aktivierende Krankengymnastik, Entspannungsverfahren und Muskeltraining. Verspannte Muskulatur wird gelockert, geschwächte Muskulatur gekräftigt. Die Therapie soll verhindern, dass die Schmerzen chronisch werden. Schonung hingegen bewirkt einen Muskelabbau und einen Kraftverlust, der Fehlhaltungen nach sich zieht und so zu noch größeren Schmerzen führt.
Bandscheibenvorfall: Ursachen und Symptome
Die Bandscheiben liegen wie Stoßdämpfer zwischen den Wirbelkörpern und verteilen den Druck gleichmäßig auf die gesamte Wirbelsäule. Sie bestehen aus einem Faserring aus Bindegewebe und einem Gallertkern im Inneren des Rings. Wird der Faserring spröde und rissig, kann der Gallertkern austreten und den Nerv bedrängen.
Ab einem gewissen Alter sind Bandscheibenvorfälle ganz normal: Über 40 gibt es kaum jemanden, bei dem die äußeren Faserringe der Bandscheiben nicht geschädigt sind. Auch erbliche Faktoren können bei der Entwicklung von Bandscheibenproblemen eine Rolle spielen. Die meisten Bandscheibenvorfälle haben keine Relevanz, weil der Körper die dadurch resultierenden Störungen selbst kompensieren kann.
Physiotherapie: OP meistens nicht erforderlich
Solange ein Bandscheibenvorfall keine neurologischen Ausfälle wie Lähmungen oder Sensibilitätsstörungen hervorruft, ist eine Operation nicht erforderlich. Entscheidend für die Auswahl einer geeigneten Therapie sind die Beschwerden und die Belastbarkeit des Rückens - und nicht der Befund auf dem Röntgenbild.
Die akute Phase bei einem Bandscheibenvorfall dauert etwa vier bis sechs Wochen. Bereits in dieser Zeit empfehlen Ärzte heute keine strikte Schonung mehr, sondern ein passendes Bewegungsprogramm und Physiotherapie. So sollen Kraft und Beweglichkeit erhalten bleiben, ohne allerdings die betroffene Nervenwurzel zusätzlich zu reizen. Anschließend hat der Körper in der Regel das ausgetretene Gewebe soweit resorbiert, dass der Rücken wieder voll belastbar ist. Bei Schmerzen kann der Arzt Schmerzmittel verschreiben.
Muskulatur durch Übungen und Bewegung aufbauen
Auf Dauer hilft nach einem Bandscheibenvorfall keine Schonung, sondern regelmäßiges Training und Bewegung mit dem Ziel, den Körper auszubalancieren, die Muskulatur zu stärken und die Bandscheiben zu entlasten. Dabei können auch Alltagstätigkeiten helfen. Beispiele:
- Wer beim Wäscheaufhängen den Wäschekorb auf den Boden stellt und die Kleidungsstücke von dort zur Leine führt, macht die Wirbelsäule durch das Bücken und Dehnen flexibler.
- Das Anheben schwerer Lasten bringt einen Kraftzuwachs.
- Wer morgens und abends einbeinig die Zähne putzt, übt die Koordination.
Funktionelles Rückentraining stabilisiert Muskeln
Als eine der effektivsten Maßnahmen zur Vorbeugung und Behandlung von Rückenschmerzen gilt das funktionelle Rückentraining. Statt einzelne Muskeln isoliert zu trainieren, werden ganze Muskelgruppen und komplexe Bewegungsabläufe mithilfe des eigenen Körpergewichtes trainiert, vor allem die tiefliegenden, die Wirbelsäule stabilisierenden Muskelgruppen. Ziel ist die Wiederherstellung eines ausgewogenen Gleichgewichts zwischen Beweglichkeit und Stabilität.
Gleichgewicht trainieren mit Wackelbrettern
Im Rahmen des funktionellen Rückentrainings sind sogenannte Wackelbretter ein wichtiges Hilfsmittel. Damit lässt sich das Zusammenspiel von Bewegungssensoren, Muskeln, Gelenken und Gehirn üben. Durch die instabile Grundlage müssen viele verschiedene Muskeln im Bereich des Rumpfes permanente Korrekturbewegungen durchführen, um das Gleichgewicht zu halten. Ziel der Trainings ist es, diese Muskulatur zu kräftigen und ihre Reaktionsgeschwindigkeit zu verbessern. Die dadurch gewonnene Stabilität lindert die Schmerzen und beseitigt sie in vielen Fällen sogar.
Schmerzmittel: Wechsel- und Nebenwirkungen bei Älteren
Vor allem bei älteren Menschen mit einem Bandscheibenvorfall verschreiben Ärzte entgegen der Leitlinien häufig auch langfristig Schmerzmittel statt Bewegungstherapie. Wichtig dabei:
- Im Alter nehmen Betroffene häufig mehrere Medikamente ein - der Arzt sollte auf mögliche Wechselwirkungen achten.
- Veränderungen des Stoffwechsels im Alter erhöhen das Risiko von unerwünschten Nebenwirkungen wie Benommenheit und Gleichgewichtsstörungen - am besten schrittweise an die notwendige Dosierung herantasten.
- Körperliches Training sollte an die Leistungsfähigkeit angepasst sein - neben der Beweglichkeit sollten auch Kraft, Ausdauer, Koordination und Gleichgewicht trainiert werden.