Künstliches Kniegelenk: Alternativen zur Knie-Vollprothese

Stand: 15.04.2024 18:08 Uhr | vom Norddeutscher Rundfunk-Logo

Das Einsetzen eines künstlichen Kniegelenks ist dank moderner Implantate und OP-Verfahren relativ schonend und präzise. Doch statt einer Knie-Vollprothese (Knie-TEP) sind oft Alternativen möglich.

Die Kniegelenke werden durch das Körpergewicht sehr belastet und verschleißen - sie können aber auch durch Entzündungen oder Verletzungen (Trauma) stark geschädigt werden. Ist der Knorpelverschleiß (Arthrose) im Knie schon sehr weit fortgeschritten, muss das Kniegelenk ganz oder teilweise ersetzt werden. Ein künstliches Kniegelenk sollte jedoch immer die letzte Option sein, denn die OP lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Trotzdem werden hierzulande pro Tag rund 500 künstliche Kniegelenke eingesetzt. Expertinnen und Experten mahnen, das seien zu viele. Ein Knie-Gelenk durch eine Totalendoprothese (Knie-TEP) komplett zu ersetzen, ist nicht immer nicht nötig - und oft auch nicht der beste Weg. 

Knie-TEP: Wie funktioniert das?

Eine Knie-TEP ersetzt das Kniegelenk vollständig. Das Verfahren wird meistens eingesetzt, wenn der Knorpel im Kniegelenk komplett verschlissen ist und die Gelenkflächen so aufeinander reiben, dass Bewegungen ohne starke Schmerzen nicht mehr möglich sind. Die Gelenkflächen werden bei einer Knie-TEP durch künstliche Gleitflächen ersetzt: Ein Teil der Prothese bedeckt das Ende des Oberschenkelknochens, der andere Teil das Ende des Schienbeinknochens.  

Die Gleitflächen bestehen in der Regel aus Metall, wobei der schienbeinseitige Teil mit einer Schicht aus Polyethylen versehen ist, um die Gleitfähigkeit zu gewährleisten. Das Metall ist zumeist eine Legierung aus Chrom, Kobalt und Molybdän. Da diese Legierung Spuren von Nickel enthalten kann, wird bei einer Allergie eine nickelfreie Metallprothese eingesetzt.  

Wie geht es nach der Kniegelenk-OP weiter? 

Nach der Operation müssen Betroffene für etwa sechs Wochen schmerzlindernde Medikamente einnehmen und etwa drei bis sechs Wochen lang an Unterarmstützen gehen. Der Krankenhausaufenthalt nach dem Einsetzen der Knie-TEP dauert in der Regel fünf bis sieben Tage. Bei der anschließenden mehrwöchigen Reha wird mit Gangschulung, Physiotherapie und Koordinationstraining die Muskulatur im Kniegelenk gekräftigt und das Gehen mit dem neuen Knie trainiert. Verboten sind Bewegungen mit abruptem Richtungswechsel, schwere körperliche Tätigkeiten, das Heben und Tragen von schweren Lasten sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten. Außerdem müssen Betroffene Stoßbelastungen sowie das Knien und Hocken vermeiden.   

 

Vor- und Nachteile der Knie-TEP 

Vorteile einer Knie-TEP: 

  • Schmerzlinderung: Eine Knie-TEP kann die enormen Schmerzen im Kniegelenk lindern oder sogar vollständig beseitigen, die durch Arthrose oder andere Probleme verursacht wurden.  
  • Verbesserung der Mobilität: Nach einer erfolgreichen OP können Betroffene ihre Bewegungsfreiheit und Mobilität deutlich verbessern. Viele Alltagsaktivitäten sind dann wieder möglich. 
  • Erhöhte Lebensqualität: Mit einer schmerzfreien und funktionsfähigen Kniegelenksprothese können Betroffene ihre Lebensqualität deutlich steigern und wieder am sozialen Leben teilnehmen.  

Nachteile einer Knie-TEP: 

  • Operationsrisiken: Wie bei jedem chirurgischen Eingriff bestehen Risiken wie Infektionen, Blutungen oder Komplikationen durch die Narkose.  
  • Eingeschränkte Bewegungsfreiheit: Trotz moderner Implantate kann die Bewegungsfreiheit des Kniegelenks nach einer Vollprothesen-OP eingeschränkt sein.  
  • Mögliche Lockerung: Im Laufe der Zeit kann sich die Prothese lockern und muss dann möglicherweise ausgetauscht werden.  
  • Lebensdauer: Die Prothese hat eine begrenzte Lebensdauer und muss eventuell nach zehn bis 15 Jahren ausgetauscht werden. 

Welche Arten von Knie-TEPs gibt es? 

Es werden drei Hauptarten von Knie-Totalendoprothesen verwendet, um Kniegelenke zu ersetzen: 

  • Ungekoppelte Prothesen: Dabei sind die obere und untere Prothesenkomponente nicht miteinander verbunden. Die körpereigenen Bänder (Innen-, Außen- und hinteres Kreuzband) sind noch intakt und können die Bewegung des Gelenks führen. Dieser Prothesentyp wird am häufigsten eingesetzt, in circa 85 Prozent der Fälle. 
  • Teilgekoppelte Prothesen: Die obere und untere Prothesenkomponente sind hier teilweise miteinander verbunden. Einige Bänder sind noch erhalten, andere müssen entfernt werden. Dieser Prothesentyp bietet mehr Stabilität als die ungekoppelte Variante. 
  • Gekoppelte Prothesen: Der obere und der untere Prothesenteil sind fest miteinander verbunden. Die Bänder müssen dazu komplett entfernt werden. Dieser Prothesentyp bietet die höchste Stabilität und wird eingesetzt, wenn die Bänder stark geschädigt oder instabil sind. 

Alternativen zur Knie-TEP 

Hören Betroffene die Diagnose "Arthrose", denken viele, sie bräuchten unbedingt eine Vollprothese. Dabei gibt es für einige Betroffene viel bessere Verfahren:

  • Anstatt das gesamte Kniegelenk zu ersetzen, kann eine Teilprothese aus Metall und Kunststoff, eine sogenannte Schlittenprothese (Hemischlitten), eingesetzt werden. Der Vorteil ist, dass Kreuzband und Muskulatur intakt bleiben, was für eine hohe Stabilität sorgt. Die Beweglichkeit ist oftmals besser und das Gefühl natürlicher als bei einer Knie-TEP. Mit einer Teilprothese lässt sich das Implantieren einer Vollprothese häufig 15 bis 20 Jahre hinausschieben oder ganz vermeiden. 
  • Ist der Knorpel im Knie schon stark mitgenommen, aber der Schaden betrifft nur eine kleine Fläche, kann eine Knochenknorpeltransplantation die Alternative zum künstlichen Knie sein. Der beschädigte Knorpel wird zunächst mit einer Stanze entfernt. Aus einer wenig beanspruchten Stelle im Knie wird dann ein minimal größeres Stück entnommen und an der defekten Stelle wieder eingesetzt. Es sitzt dann nahtlos. 
  • Ist der Knorpelschaden zu groß, um ihn noch mit Knorpel zu reparieren, aber zu klein, um eine Teil- oder Vollprothese zu nutzen, kann eine Knopfprothese eine Alternative zum künstlichen Knie sein. Die Miniprothese ersetzt nur den beschädigten Bereich, die gesunden Teile des Gelenkes bleiben erhalten. Über ein Fräsverfahren wird das Implantat in das Gelenk eingesetzt. Dort ersetzt es den erkrankten Teil des Knorpels und schließt mit dem gesunden Bereich geradlinig ab. 
  • Am besten ist jedoch keine Operation. In vielen Fällen hilft auch eine konservative Therapie: gezieltes Training, Sport und Physiotherapie. Das ist am Anfang schmerzhaft, aber durch den Aufbau von Muskeln sollen die Knochen entlastet werden. Wichtig ist dabei Aufklärung, damit die Betroffenen ganz genau wissen, was sie tun müssen und warum. 

Ursachen für vorderen Knieschmerz nach der OP 

Nach dem Einsetzen einer Knieprothese ist der Aufbau des Kniegelenks häufig verändert. Verschiedene Faktoren können dann einen vorderen Knieschmerz verursachen: 

  • Das hintere Kreuzband hat nach der OP nicht immer die nötige Spannung, um den Oberschenkel bei der Beugung des Beins zu halten. Der Oberschenkel kann nach vorne rutschen und dabei gegen die Kniescheibe stoßen. Das führt zu starken Schmerzen, das Gelenk fühlt sich instabil an, so als würde die Kniescheibe nach vorn wegkippen. 
  • Gleitet die knöcherne Kniescheibe nach der OP nicht mehr in der dafür vorgesehenen Rille am Oberschenkelknochen, entstehen beim Beugen und Strecken Schmerzen. Rutscht die Kniescheibe nur wenige Millimeter seitlich aus der Rille, schabt sie auf der Metallbeschichtung des künstlichen Kniegelenks. Das schmerzt und kann eine Arthrose der Kniescheibe auslösen. 
  • Auch eine Infektion oder Metallunverträglichkeit können Schmerzen im Knie verursachen. 

Kontinuierliche Physiotherapie nach Knie-OP wichtig 

Es kann bis zu zwei Jahre dauern, bis das künstliche Kniegelenk beschwerdefrei funktioniert. Die neuen Gleitflächen müssen auf das Zusammenspiel mit Sehnen, Bändern und Muskeln "trainiert" werden, denn sie halten die Beinachse stabil. Ist die Muskulatur sehr abgebaut, kann die Beinachse beim Gehen nicht gehalten werden. Verschiebt sie sich, entstehen Belastungspunkte im Gelenk - Schmerzen sind die Folge. Daher ist es für den Erfolg einer Prothese entscheidend, dass das Bein gerade ist. Wichtig ist eine kontinuierliche Physiotherapie, um das Bein, den Rumpf und das Becken zu kräftigen.

Erneute Knie-Operation: Zweite Meinung einholen 

Bleiben die Schmerzen trotz regelmäßiger Physiotherapie bestehen, kann eine erneute OP sinnvoll sein. Dies ist meist bei Instabilität und Fehlpositionierung der Prothese der Fall. Operiert werden sollte aber nur, wenn die Ursachen der Schmerzen bekannt sind und sicher behoben werden können. Sonst ist die OP überflüssig und kann die Beschwerden sogar verschlimmern. Vor einer erneuten Operation sollten Betroffene eine Zweitmeinung einholen, idealerweise von Knie-Spezialisten in einer Klinik, die viel Erfahrung mit sogenannten Revisions-Operationen haben. 

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Dieses Thema im Programm:

NDR Fernsehen | Visite | 16.04.2024 20:15

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