Hallux valgus: Ursachen für den Schmerz, Behandlung und OP

Stand: 03.04.2024 14:51 Uhr | vom Rundfunk Berlin-Brandenburg-Logo

Hallux valgus ist eine sehr häufige, schmerzhafte Schiefstellung des großen Zehs. Zunächst können Fußgymnastik, Schienen oder spezielle Schuhe helfen. Aber auch eine OP kann nötig werden.

von Constanze Löffler

Unsere Füße und ihre Gesundheit sind entscheidend für Mobilität und Unabhängigkeit: Im Laufe eines Lebens legen die Füße 160.000 Kilometer zurück, das entspricht vier Erdumrundungen. Tagtäglich verlangen wir von den Füßen Höchstleistungen - oft, ohne besonders auf sie zu achten.

Der Hallux valgus ist eine Schiefstellung des Großzehengrundgelenks, die starke Schmerzen verursacht. Bekannt ist Hallux valgus auch unter den Namen Überbein oder Ballenzeh und: Es ist die häufigste Veränderung am Fuß. Allein in Deutschland sind etwa zehn Millionen Menschen betroffen. Die meisten von ihnen sind Frauen.

Zunächst können Fußgymnastik (Physiotherapie), Schienen, spezielle Schuhe oder Einlagen helfen. Reichen diese Behandlungen nicht aus, um einen Hallux valgus zu bessern und den Ballenzeh in Schach zu halten, kann eine Operation Linderung bringen. Dafür gibt es mehr als 100 verschiedene OP Methoden - das Ziel einer Operation ist aber immer: den Zeh zu begradigen.

Was ist ein Hallux valgus genau?

Bänder, Sehnen und Muskeln spannen sich rund um den Fuß - wie die Rahmen und Streben eines Fensters. Lässt ihre Spannung nach, geht der Fuß in die Breite - es entsteht ein Spreizfuß. Nach und nach kann das einen Hallux valgus verursachen. So nennt man die Fehlstellung an der Großzehe, genauer: des Großzehengrundgelenkes, die teilweise starke Schmerzen verursachen kann.

Das Gelenk der Großzehe gerät dabei aus seiner Längsachse und verschiebt sich mit der Zeit immer weiter nach außen. Der Vorfuß verbreitert sich, und der Ballen wölbt sich vor - daher auch der Name Ballenzeh. Der große Zeh zeigt in die Richtung des kleinen Zehs, der erste Mittelfußknochen ist nach innen gerichtet. Kurzum: Der Zeh sitzt nicht mehr richtig im Großzehengrundgelenk. In extremen Fällen liegt oder ragt der Hallux valgus sogar im 90-Grad-Winkel über die anderen Zehen.

Was ist der Unterschied zwischen Hallux valgus und Hallux rigidus?

Nicht zu verwechseln ist der Hallux valgus mit einem Hallux rigidus: Beim Hallux rigidus, was übersetzt in etwa "steife Großzehe" heißt, nutzt sich der Knorpel im Großzehengrundgelenk ab. Es entsteht eine Arthrose, die zu Schmerzen und einem steifen Gelenk führt.
Im Unterschied dazu ist der Hallux valgus in erster Linie eine Fehlstellung - eben der Großzehe. Aber: Auch hier kann in der Folge eine Arthrose entstehen.

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Ursachen: Wie kommt es zu Hallux valgus?

Der Hallux valgus entsteht häufig durch Veranlagung: Bis zu 60 Prozent der Betroffenen haben Familienangehörige, die ebenfalls unter einer Fehlstellung der Großzehe leiden. Großmutter, Mutter, Bruder - oft ist die große Zehe bei der ganzen Familie schief. Ein erblicher Faktor, der eine wichtige Rolle bei der Entstehung von einem Ballenzeh spielt: schwaches Bindegewebe. Dadurch können Muskulatur und Knochen den Fuß nicht ausreichend stützen.

Andere Faktoren, die einen Hallux valgus begünstigen, sind zum Beispiel:

  • Übergewicht / Adipositas
  • rheumatoide Arthritis
  • Berufe, in denen Menschen viel stehen oder gehen und den Ballen des Fußes besonders belasten
  • enge Schuhe und geschlossene Schuhe.

Schuhe: Risikofaktor für Hallux valgus

In Ländern, in denen die Leute vor allem Sandalen tragen oder viel barfuß gehen, kommt die schiefe Großzehe (Ballenzeh) statistisch viel seltener vor. Fatal für das Großzehengrundgelenk, den Mittelfuß und den Fußballen sind auch hohe Absätze: Ab einer Höhe von etwa drei Zentimetern wird vermehrt Druck beim Stehen und Gehen auf den Vorfuß und den Ballen verlagert. Das fördert einen Spreizfuß, der wiederum den Hallux valgus begünstigt.

Geschlechterunterschiede bei der Entstehung des Ballenzehs?

Auch Männer können einen Hallux valgus bekommen, allerdings viel seltener als Frauen: Nur einer von zehn Betroffenen ist männlich. Die Risikofaktoren für den Hallux scheinen sich zwischen Männer und Frauen zu unterscheiden.

In einer Studie untersuchten US-amerikanische Forscher des Institute for Aging Research in Boston 600 Frauen und Männer: Einen Hallux bekamen vor allem Frauen, die einen niedrigen Body-Mass-Index (BMI) hatten (also sehr schlank waren) und häufig und lange hochhackige Schuhe trugen. Betroffene Männer waren hingegen übergewichtig und hatten Plattfüße. Diese Ergebnisse, so die Autorinnen und Autoren, legen die Vermutung nahe, dass der Hallux valgus bei Männern und Frauen auf unterschiedliche Art und Weise entstehen kann und die Risikofaktoren Schuhe und Übergewicht auch für sich alleine stark wirken.

Diagnose: Wie erkennt man Hallux valgus?

Der Hallux valgus wird in mehrere Schweregrade eingeteilt. Sie richten sich danach, in welchem Winkel der große Zeh und der Mittelfußknochen verzogen sind, wie ausgeprägt also der Ballenzeh ist. In der Regel reicht dem Arzt oder der Ärztin für die Diagnose - vor allem in vorangeschrittenen Fällen - ein Blick auf das Gelenk der Großzehe selbst.

Der Faktor: Druck im Großzehengrundgelenk

Eventuell wird ein Facharzt oder eine Fachärztin der Orthopäde noch ein Röntgenbild zu Rate ziehen um zu schauen, wie weit die Fehlstellung vorangeschritten ist und ob sich der Knorpel bereits abgenutzt hat und eine Arthrose droht. Durch Tasten, mittels Ultraschall oder Druckmessung (Pedografie) untersuchen der Arzt oder die Ärztin dann, wie sich der Druck im Großzehengrundgelenk verteilt und ob die Muskel-Sehnen-Züge schon aus ihrem natürlichen Gleichgewicht geraten sind. Nur eine präzise Diagnose hilft dabei die richtige Behandlung zu ermitteln.

Symptom Schmerzen: Warum tut der Hallux weh?

Ohne Behandlung und bei anhaltendem Druck auf das Gelenk wird der Großzeh dauerhaft schief. Viele Menschen leben mit einem Hallux valgus, ohne dass sie groß Beschwerden haben. Doch je weiter die Fehlstellung ohne Behandlung voranschreitet, umso unangenehmer kann sie werden und Schmerzen sowie Druckstellen auslösen. Bekannte Beschwerden bei Hallux valgus sind:

  • Krampfartige stechende Schmerzen, teilweise schon in Ruhe
  • Laufprobleme, eventuell schon auf kurzen Strecken
  • Schmerzen durch die unter dem Gelenk liegenden, entzündeten und geschwollenen Schleimbeutel
  • Die Haut des Zehs kann schmerzhaft gereizt sein.

 

VIDEO: Ballenzeh: Wie wird er behandelt? (4 Min)

Was kann man selbst gegen Hallux valgus tun?

In leichten Fällen - und das sind die meisten - sollte der große Zeh vor allem entlastet werden. Hier kann man selber etwas für die Behandlung tun: Dafür hilft es, viel barfuß zu laufen, offene oder geweitete Schuhe zu tragen (um seitlichen Druck auf den Fuß zu vermeiden) oder den Großzeh mit ringförmigem Schaumstoff zu polstern. Das nimmt den Druck vom deformierten Zeh.

Nachts kann man auch eine sogenannte Hallux-valgus-Schiene anlegen: Diese Schienen sind meist aus Kunststoff, werden über den Zeh gestreift und verhindern das weitere Abdriften des Gelenks.

Fußgymnastik, Physiotherapie, Übungen: Kann man den Ballenzeh wegtrainieren?

Die vielen kleinen Gelenke im Fuß verkümmern durch enge Schuhe und falsche Belastung auf glattem, hartem Boden. Gezielte Übungen können die Fußmuskeln wieder stärken und dehnen. Wichtig ist es, den großen Zeh und das Gelenk beweglich zu halten. Am besten lässt man sich geeignete Übungen von einem Physiotherapeuten oder einer Physiotherapeutin zeigen - und zwar solche, die dann allein zu Hause immer wiederholbar sind und optimalerweise ohne erst zu kaufendes Equipment auskommen.
Übungen und Fußgymnastik können den Hallux valgus allerdings nur lindern - gerade wird der Zeh davon nicht wieder.

Bei schweren Fehlstellungen, etwa wenn der Zeh bereits zu stark verformt ist und starke Beschwerden, wie Schmerzen oder Gehschwierigkeiten, verursacht, reicht es nicht, den Zeh zu trainieren - die Fehlstellungen müssen dann operativ korrigiert werden.

Übungen der Spiraldynamik gegen Ballenzeh

Patient oder Patientin trainieren zum Beispiel, das Körpergewicht auf drei Punkte zu verteilen: die Ferse und die Ballen des großen und des kleinen Zehs. Das Verfahren erfordert Zeit, Geduld und Durchhaltevermögen. Manchen Patienten helfen bereits vier bis fünf Sitzungen, andere benötigen mehr als zehn. Die Spiraldynamik ist allerdings keine Kassenleistung und etwa 40 Euro pro Sitzung von 30 Minuten können durchaus leicht fällig werden.

Wann ist bei Hallux valgus eine OP angebracht?

Trotz zahlreicher OP-Varianten und moderner Therapiemöglichkeiten für die Behandlung raten Expertinnen und Experten erst dann zu einem korrigierenden Eingriff bei einem Hallux, wenn man tatsächlich Beschwerden hat - von der OP bei rein kosmetischen Problemen oder kleineren Fehlstellungen wird abgeraten. Zum einen, weil die Heilung langwierig ist, zum anderen, weil der Eingriff nicht immer die gewünschte Beschwerdefreiheit bringt - und auch die OP selbst Nebenwirkungen zur Folge haben kann.

Behandlung mit OP: Wie wird ein Hallux valgus operiert?

In der Literatur sind mehr als 100 Varianten von Operationen eines Hallux valgus beschrieben. Aber alle OP-Methoden haben ein Ziel: den Zeh begradigen. Wann welches Verfahren zur Behandlung infrage kommt, hängt unter anderem davon ab, wie stark der Hallux ausgeprägt ist, tatsächlich aber auch von den Vorlieben des jeweiligen Operateurs.

Die Möglichkeiten reichen von der Entfernung des Knochenvorsprungs über eine Umstellung (Osteotomie) des Mittelfußknochens hin zu einer Versteifungsoperation. Je nach Methode werden zusätzlich zum Knochen auch Weichteile wie Sehnen, Muskeln und Schleimbeutel korrigiert.

Wie lange dauert es, bis eine Ballenzeh-OP verheilt ist?

Die Heilung des Hallux valgus ist langwierig und dauert im Normalfall sechs bis acht Wochen. Der Fuß darf erst nach drei bis sechs Monaten intensiv belastet werden.

Krankschreibung: Wie lange man krankgeschrieben sein muss, hängt vom jeweiligen Beruf ab. Angestellte mit Schreibtischjobs können meist nach zwei Wochen wieder ins Büro zurückkehren. Wer viel Gehen und Stehen muss, wird bis zu acht Wochen arbeitsunfähig sein. Bei schwerer körperlicher Arbeit kann eine Krankschreibung auch mal für zehn bis zwölf Wochen nötig sein.

Nach der OP: Im Anschluss an die Operation tragen die Patienten meist über mehrere Monate einen Spezial-Schuh, der den Großzeh entlastet. Nach der OP verhindert regelmäßige Physiotherapie, dass das Gelenk versteift.

Metallteile bei der OP und ihre Alternativen

Bislang werden bei der OP vor allem Schrauben oder Drähte aus Titan oder Stahl verwendet, um die knöcherne Korrektur des Ballenzehs zu fixieren. Sie müssen nach einiger Zeit wieder entfernt werden. Alternativ verwenden immer mehr Operateure Magnesiumschrauben. Der Vorteil: Magnesium regt das Knochenwachstum an. Zudem löst sich die Schraube innerhalb von ein bis zwei Jahren auf und wird durch Knochen ersetzt, sodass sie nicht wieder entfernt werden müssen. Dem Patienten wird dadurch die zweite OP erspart.

Magnesium löst viel seltener Allergien aus, sodass damit auch Patientinnen und Patienten versorgt werden können, die allergisch auf Nickel oder Titan reagieren.

Kann sich ein Hallux valgus von allein zurückbilden?

Hat sich ein Ballenzeh erst einmal ausgeprägt, kann sich die schiefe Stellung der großen Zehe nicht von allein zurückbilden. Durch Fußgymnastik sowie spezielle Tapes lässt sich die Fehlstellung der Großzehe zumindest aber aufhalten. Regelmäßige und richtige Fuß- oder Zehengymnastik, Schienen, Einlagen für die Schuhe und Massagen stärken die Muskeln und den Fuß und beugen dem Voranschreiten der Fußdeformität und des Ballenzehs vor.

Ist Hallux valgus "heilbar"?

Die Fehlstellung beim Hallux valgus kann man auch durch gezielte Übungen nicht umkehren. Lediglich eine OP kann so eine Fehlstellung im besten Fall "rückgängig machen". Operationen bergen allerdings immer Risiken und auch eine Garantie für Erfolg und Schmerzfreiheit gibt es nicht.

Besser, als im Nachhinein therapeutisch einzugreifen zu müssen, ist: Hallux valgus vorbeugen. Dabei hilft:

  • Tragen von Schuhen mit stabiler Ferse, beweglichem Vorderfuß und einem nicht zu stark vorgeformten Fußbett - solches Schuhwerk ist für den Fuß am gesündesten.
  • Experten raten außerdem dazu, mehr barfuß zu laufen: Die Reize aktivieren und stärken die Fußmuskulatur. Zusätzlich stabilisiert das nackte Laufen Sehnen und Bänder.
  • Auch Laufen, Springen und Tanzen kräftigt die Fasern, Sehnen und Bänder im Fuß. Besonders effektiv ist Seilhüpfen als Krafttraining und für die Geschicklichkeit - idealerweise ohne Schuhe.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Fernsehen | Visite | 02.04.2024 20:15

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