Dr. Harm Bandholz, Professor für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspolitik an der FH Kiel, blickt in die Kamera bei einem Interview. © NDR

Volkswirt Bandholz: Spritpreis-Schwankungen sollen bewusst verwirren

Stand: 03.06.2022 19:02 Uhr

Am Mittwoch ist der Tankrabatt der Bundesregierung in Kraft getreten und hat laut ADAC bereits am Vormittag erste Wirkung gezeigt. Doch am Donnerstag und Freitag sind die Preise an den Zapfsäulen wieder gestiegen. Wird die Steuersenkung tatsächlich komplett an die Autofahrer weitergegeben? Darüber hat NDR Schleswig-Holstein mit einem Volkswirt der Fachhochschule Kiel gesprochen.

Prof. Dr. Harm Bandholz ist seit 2019 Professor für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspolitik an der FH Kiel. Mehr als zehn Jahre war Bandholz als Volkswirt an der New Yorker Wallstreet tätig. Dort erlebte er unter anderem die Weltwirtschaftskrise von 2008 hautnah mit.

Herr Professor Bandholz, im Mai - vor dem Inkrafttreten des Tankrabatts - sind die Preise an den Zapfsäulen deutlich gestiegen. Das sorgt bei vielen für ein Gefühl der Abzocke. Was steckt dahinter?

Harm Bandholz: Ich denke, man kann davon ausgehen, dass die Mineralölkonzerne versuchen werden, nicht die gesamte Steuersenkung an den Endverbraucher weiterzugeben. Ein Mittel dafür sind tatsächlich häufige Preisänderungen, sodass der Verbraucher eigentlich gar nicht mehr weiß, was eigentlich aktuell der richtige Preis ist. Gleichzeitig muss man den Konzernen zugutehalten, dass im Mai, besonders in der zweiten Monatshälfte, der Rohölpreis nochmal deutlich gestiegen ist, sodass ein gewisser Anstieg der Benzinpreise an der Tankstelle durchaus gerechtfertigt war.

Es gibt fünf große Mineralölkonzerne am Markt. Da liegt die Vermutung nahe, dass die regulären Wirtschaftsprozesse ein wenig anders laufen?

Bandholz: Das ist sicher richtig. Dadurch, dass wir nur eine begrenzte Anzahl an großen Playern haben, ist der Wettbewerb nicht ganz so intensiv wie er an einem anderen Markt vielleicht wäre. Die Gefahr ist, dass die Firmen sich einig sind, um ihre eigenen Gewinne zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund guckt auch das Bundeskartellamt seit vielen Jahren immer wieder auf die Preissetzung an den Tankstellen. Bisher hat das Bundeskartellamt aber keine illegalen Aktivitäten in dieser Hinsicht festgestellt.

Keine illegalen Aktivitäten, aber wie sehen denn die legalen Aktivitäten aus, um den Preis zu bestimmen?

Bandholz: Das, was die Mineralölkonzerne machen, ist, dass es einige Firmen gibt, die üblicherweise zuerst den Preis erhöhen oder reduzieren. Und die anderen Konzerne ziehen dann nach, nachdem sie diese Preisänderung beobachtet haben. Das ist völlig legitim. Das gibt es auch in anderen Märkten. Wenn sie sehen, dass der Wettbewerber seine Preise ändert, passen sie möglicherweise ihre Preise auch an. Das machen die Tankstellenbetreiber und die Mineralölkonzerne. Das ist per se nicht illegal.

Wie setzt sich denn konkret der Preis zusammen, den ich an der Zapfsäule bezahle?

Bandholz: Der Benzinpreis beinhaltet unter anderem den Rohölpreis. Da der Rohölpreis üblicherweise in Dollar denominiert ist, ist auch für uns noch der Euro-Dollar-Wechselkurs wichtig. Dann kommt hinzu: die Kosten der Raffinerien, also wie teuer es ist, aus dem Rohöl den Kraftstoff herzustellen. Dann haben wir natürlich noch den Staat: Energiesteuer, CO2-Abgabe- und Mehrwertsteuer. Und ganz am Ende ist da noch der Tankstellenpächter. Aber der hat keinen großen Einfluss auf die Kosten.

Wer profitiert denn konkret davon, wenn ich an der Tanksäule viel bezahle?

Bandholz: Aktuell ist es so, dass sowohl die Ölproduzenten massiv profitieren, weil der Ölpreis weltweit gestiegen ist. Und die Mineralölkonzerne profitieren im Moment vor allem, weil auch ihre Gewinnmarge in den Raffinerien, die ja häufig auch von den Mineralölkonzernen betrieben werden, deutlich angestiegen sind.

Ihre Prognose für die nächsten Wochen und Monate?

Bandholz: Erstmal ist die Hoffnung, dass in den nächsten paar Tagen vielleicht der Benzinpreis noch ein bisschen weiter sinkt, weil dann möglicherweise die gesamte Steuersenkung oder ein größerer Teil der Steuersenkung weitergegeben wird. Darüber hinaus hängt die Entwicklung maßgeblich davon ab, was in der Ukraine passiert. Denn das war der wesentliche Treiber für die Entwicklung der Rohölpreise. Wenn also der Krieg in der Ukraine so weitergeht, dann fürchte ich, wird sich nicht viel ändern an den Preisen. Wenn er hoffentlich früher zu Ende gehen sollte, dann dürfen wir sicherlich mit einer spürbaren Entlastung an den Tankstellen rechnen.

Noch eine Frage zum Schluss: Wo steht Deutschland im europäischen Vergleich, was die Preise anbelangt?

Bandholz: Im europäischen Vergleich muss man schon festhalten, dass in Deutschland die Benzinpreise überdurchschnittlich stark gestiegen sind. Das liegt aus meiner Sicht daran, dass wir auch überdurchschnittlich stark von Raffinerien in russischer Hand abhängig sind. Also wir leiden nicht nur unter den gestiegenen Rohölpreisen, denn das Problem haben ja alle Länder. Wir haben zusätzlich noch den Faktor, dass ein großer Teil unseres Kraftstoffs aus Raffinerien kommt, die entweder in Russland angesiedelt sind oder aus deutschen Raffinerien, die in russischer Hand sind.

Das Interview führte NDR Schleswig-Holstein Reporterin Sophia Stritzel.

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Schleswig-Holstein Magazin | 03.06.2022 | 19:30 Uhr

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