Umstritten: Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals
Im Sommer ist Hochsaison auf dem Elbe-Lübeck-Kanal. Dann tummeln sich viele Freizeitkapitäne mit ihren Booten und Jachten auf dem beschaulichen Wasserlauf zwischen Lübeck und Lauenburg/Elbe. Der Kanal ist ein Relikt aus der Kaiserzeit. Die Zahl der Frachtschiffe, die auf dem Kanal unterwegs sind, ist seit Jahren rückläufig.
Trotz dieses geringen Bedarfs soll die Bundeswasserstraße für mindestens 838 Millionen Euro ausgebaut werden. Im Bundesverkehrswegeplan 2030 steht er sogar unter der Kategorie "vordringlicher Bedarf". Der Ausbau soll also besonders schnell erfolgen. Von dieser Dringlichkeit ist selbst der zuständige Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann (CDU), "überrascht". Er betont, dass der Ausbau des Kanals kein Projekt ist, das für sein Ministerium besonders dringlich ist.
Ausbau vom Bundestag durchgesetzt
Der geplante Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals ist bemerkenswert, weil er vom Haushaltsausschuss des Bundestages durchgesetzt wurde. Pikanterweise haben zwei Abgeordnete aus dem Ausschuss ihre Wahlkreise am oder in der Nähe des Kanals. Einer davon ist Norbert Brackmann (CDU)*. "Ich betrachte es als ein Lob, dass ich für den Wahlkreis etwas erreichen konnte." Die Bundestagsabgeordnete Valerie Wilms (Grüne) kritisiert diese Haltung: "Es versucht jemand zu profitieren, der als Direktkandidat wiedergewählt werden will." Der geplante Ausbau des Kanals ist hoch umstritten.
Brackmann glaubt an eine große Zukunft des Elbe-Lübeck-Kanals. Einfach immer wieder die bestehenden Schleusen erneuern und den Kanal auf seinem derzeitigen Niveau zu halten, reiche nicht aus. Denn so könne auch künftig kein Großmotor-Güterschiff mit einer Länge von 110 Metern in den Kanal einfahren.
Ist das Projekt sinnvoll?
Bisher können nur maximal 80-Meter-Schiffe von Lauenburg nach Lübeck und zurück reisen. "Wir haben eine Diskussion im Haushaltsausschuss darüber geführt, ob es Sinn macht, hin und wieder für eine Schleuse 40 bis 50 Millionen Euro auszugeben, ohne zu wissen, dass diese Schleusen jemals tatsächlich genutzt werden können. Deswegen haben wir gesagt: Entweder darf kein zusätzliches Geld in den Elbe-Lübeck-Kanal fließen. Oder wir müssen ihn so ausbauen, dass er auch vernünftig genutzt werden kann." Doch ob ein ausgebauter Kanal wirklich vernünftig genutzt werden würde, weiß heute keiner.
Laut Bundesverkehrswegeplan hat das Projekt ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von 0,5. Selbst Jens Schwanen, Geschäftsführer des Bundesverbands der Binnenschiffer (BDB), der nichts gegen den Ausbau von Wasserstraßen hat, sieht das skeptisch. "Vorausgesetzt wir glauben den Worten der Gutachter, bedeutet das, wir stecken einen Euro rein und haben volkswirtschaftlich betrachtetet einen Output von 50 Cent wieder."
Andere wichtige Wasserstraßenprojekte stagnieren
Aus der Sicht von Jens Schwanen ist besonders ärgerlich, dass für den Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals schon 19 Stellen geschaffen wurden. Die Stellen sind projektgebunden. Dass heißt, die Planer dürfen sich nur mit dem Ausbau zwischen Lübeck und Lauenburg beschäftigen. Dabei fehlen bundesweit in der Wasserstraßenverwaltung Hunderte Ingenieure, um schon seit Jahren geplante Projekte auch umzusetzen. Mehrere Hundert Millionen Euro konnten so in den vergangenen Jahren gar nicht verbaut werden, obwohl sie von der Politik zur Verfügung gestellt worden waren.
Jens Schwanen wartet seit Jahren darauf, dass viel wichtigere Wasserstraßenprojekte endlich vorankommen. "Die Planer wären nach meiner Überzeugung definitiv da wichtiger im Einsatz, wo heute die relevanten Gütermengen stattfinden und wo wir Kapazitätsengpässe haben." So hätten beispielsweise die Fahrinnenanpassungen an Rhein und Main jeweils ein Nutzen-Kosten-Verhältnis von mehr als zwanzig. "Dass der Elbe-Lübeck-Kanal im Haushaltsausschuss so exklusiv bevorzugt behandelt wurde, ist für mich nicht nachvollziehbar."
Ausbau bringt keine Vorteile
Für Valerie Wilms ist der Ausbau schlicht rausgeworfenes Geld. Der Lübecker Hafen wäre mit der Bahn ausreichend angebunden. Mehr wäre nicht notwendig. "Einen historisch zwar wertvollen und für die Sportschifffahrt sehr interessanten Kanal noch hoch zu rüsten, das tut nicht not."
Sollte der Kanal wirklich ausgebaut werden, könnte es auf Teilabschnitten auch zu Begradigungen kommen, erläutert Bettina Kalytta, Leiterin des zuständigen Wasser- und Schifffahrtsamts in Lauenburg. Im Falle eines "worst case" Szenarios müssten bei Fitzen und Güster aktuelle Kurven im Verlauf des Kanals angepasst werden. Ähnliche Planungen gab es schon mal in 1970er-Jahren.
Martin Voß, Bürgermeister der Gemeinde Fitzen, hat eine Karte aus dieser Zeit, in der eine begradigte Kanaltrasse eingezeichnet ist. Ein Wochenendhaus-Gebiet durfte schon damals nicht weiter ausgebaut werden, um der möglichen Kanaltrasse nicht in die Quere zu kommen. Martin Voß macht sich vor allem Sorgen um die Landwirte in seiner Gemeinde. Wenn Ländereien, die aktuell für die Landwirtschaft zur Verfügung stehen, durschnitten würden, wäre das eine "schwierige Angelegenheit." Die Notwendigkeit den Kanal auszubauen, kann er nicht sehen.
* Norbert Brackmann ist NDR Mitarbeiter. Auf Grund seiner Abgeordnetentätigkeit ist er derzeit vom NDR freigestellt.