Schwierige Rechtslage: Wem gehört das Wikingeck in Schleswig?
Ein neues Gutachten untermauert, dass der Bund beim Wikingeck in Schleswig am meisten für den Austausch des verseuchten Erdreichs bezahlen muss. Die komplizierte Rechtslage hat eine 125 Jahre lange Geschichte.
Verrückte Welt: In Schleswig wird noch immer um das Eigentum von besten Lagen an der Schlei gestritten. Ziel ist aber, den eigenen Besitz möglichst klein zu rechnen. Denn wer die land- und wasserseitigen Flächen am Wikingeck besitzt, muss für seinen Anteil den Austausch des toxischen Erdreichs bezahlen. Die letzte Kostenschätzung lag bei rund 30 Millionen Euro.
Erst 66, dann 42, dann nur noch zwölf Prozent
Für Umwelt-Fachbereichsleiter Thorsten Roos vom Kreis Schleswig-Flensburg ist das kein Spaß mehr. Denn das Bundesverkehrsministerium mit FDP-Minister Volker Wissing hat die bereits vereinbarte Kostenaufteilung platzen lassen. CDU-Staatssekretär Enak Matthias Ferlemann hatte 2021 noch 66 Prozent zugesagt. Nach dem Regierungswechsel sollen es zunächst 42,5 Prozent und jetzt nur noch zwölf Prozent sein. Der Wahlkreisabgeordnete für Schleswig-Flensburg, Robert Habeck (Grüne), ließ am Donnerstag in einer schriftlichen Stellungnahme verlauten, das Verkehrsministerium habe in der letzten Legislaturperiode sein Wort gegeben und in dieser noch einmal bestätigt. "Insofern hoffe ich nun, dass das Gutachten des Kreises es ermöglicht, dass das Verkehrsministerium die notwendigen Zahlungen zur Sanierung nun freigibt und so seine Zusagen erfüllt."
Vertrackte Eigentumsfrage: Die Wasserstraße ist verlandet
Ein Gutachten des renommierten Glückstädter Umweltrechtlers Alexander Proelß hatte die komplette Eigentumsgeschichte der Flächen aufgerollt. Die Schlei ist Bundeswasserstraße. Aber sie ist verlandet. Und wo früher Wasser war, befinden sich heute Uferzonen sowie inzwischen bebaute Privatgrundstücke. Trotzdem kommt der Experte zu dem Schluss, dass der Bund weiterhin Eigentümer für diese Flächen ist.
Gutachten stellt fest: Grundbuch ist seit 1921 nicht mehr aktuell
Die relevante Rechtsgeschichte beginnt laut Gutachten am 15. Dezember 1897, als die Stadt Schleswig als Eigentümerin des Schleibeckens ins Grundbuch eingetragen wurde. Entscheidend ist dann das Jahr 1921, als nach der Gründung der Weimarer Republik sämtliche Wasserstraßen in den Reichsbesitz übergingen. Das Grundbuch wurde allerdings nicht geändert.
Landrat: Bund argumentiert mit falschem Sachverhalt
Stattdessen verhandelte die Stadt Schleswig 1931 und 1932 mit der Provinz Preußen vor Gericht um einen Teil der Flächen. Dabei ging es um das Jagdrecht. Das Verfahren endete mit einem Vergleich. Laut Landrat Wolfgang Buschmann argumentiert der Bund, die Stadt Schleswig sei erst zu diesem Zeitpunkt in das Grundbuch eingetragen worden und habe somit die Flächen wieder übernommen. Es sei aber keine neue Eintragung erfolgt. Buschmann schreibt dazu: "Der vom Bund unterstellte Sachverhalt trifft nicht zu."
Bund übernimmt 1949 per Grundgesetz die "bisherigen" Wasserstraßen
1949 übernahm schließlich die Bundesrepublik per Grundgesetz alle "bisherigen" Wasserstraßen des Reichs. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass damit die Uferlinie von 1921 gemeint sei. Die Eintragungen im Grundbuch seien ohnehin nicht relevant, da das Verfassungsrecht höher stünde.
64 Prozent plus Zuschlag
Damit kommt nun eine weitere Zahl ins Spiel: Nach dieser Rechnung liegt der Bundesanteil an der Sanierungsfläche bei 64 Prozent. Das ist zwar weniger als die der Zusage von Staatssekretär Ferlemann. Allerdings hatte der Kreis freiwillig die Verfahrensverantwortung übernommen, so dass der Verwaltung bereits zusätzliche Kosten entstanden sind.
Das Bundesverkehrsministerium beharrt dagegen auf einem Anteil von zwölf Prozent. Der Großteil davon ist bereits ausgezahlt. Zuletzt hatte der SSW-Bundestagsabgeordnete Stefan Seidler in einer offiziellen Anfrage darum gebeten, die genaue Argumentation mitzuteilen. Die Antwort fiel kurz aus: Man teile die Rechtsauffassung des Kreises nicht. Auf Anfrage von NDR Schleswig-Holstein teilte das Ministerium lediglich mit, es werde sich an einer sachgerechten Lösung beteiligen und das Gutachten prüfen.
Sanierungsbeginn im Herbst möglich - auch ohne geklärte Kosten
Die Zeit drängt: Landrat Buschmann möchte die Sanierung bis Ende März europaweit ausschreiben, damit im Herbst die Bauarbeiten beginnen können. Der Sanierungsplan liegt vor. Mit den sechs Grundstückseigentümern am Wikingeck wurden befristete Verträge geschlossen. Buschmann will deshalb der Kreispolitik Anfang März vorschlagen, dass der Kreis Schleswig-Flensburg die gesamten Kosten vorfinanziert, falls es bis dahin noch keine Einigung mit dem Bund gibt. Dann müsste der Kreis versuchen, die fehlenden etwa 15 Millionen Euro vom Bund in einem vermutlich jahrelangen Rechtsstreit zurückzuholen. Bis dahin würde das Geld aber für andere Projekte fehlen.
Geht es um mehr als Schleswig?
Laut Buschmann haben die Bundesbehörden die Akteneinsicht des Kreises abgelehnt. Er meint dazu: "Das ist ein irritierender Vorgang." Aber der Landrat glaubt, das Motiv zu kennen. In einer Randnotiz und in Gesprächen sei ihm mitgeteilt worden, dass dass Wikingeck "eine über den Einzelfall hinaus reichende Bedeutung" haben könne. Wenn in Schleswig die Wasserlinie von 1921 gilt, dann womöglich an der gesamten Küste. Der Bund habe Angst vor einem Präzedenzfall, der viel höhere Kosten verursachen könnte.
Unterstützung von der Schleswig-holsteinischen Landesregierung
Ende Januar forderte der Schleswig-Holsteinische Landtag bereits den Bund auf, zu einer Lösung zu kommen. Nur die FDP stimmte dagegen und schlug stattdessen vor, jetzt noch auf andere Bundesministerien in der Kostenfrage zuzugehen. Wenn die Arbeiten tatsächlich im Herbst beginnen, könnte die Sanierung Anfang 2026 abgeschlossen sein.