Stand: 17.05.2016 21:08 Uhr

Windiges Geld: Dubiose Geschäfte mit der Windkraft

von Jörg Hilbert

In Ostfriesland weht nicht selten ein scharfer Wind. Und genau das hat Kommunen im Landkreis Aurich in eine Art Goldgräberstimmung versetzt. Die Windkraft verspricht fette Gewinne, da will die öffentliche Hand gern mitverdienen. Faktisch hat der Landkreis Windräder beantragt, genehmigt, betreibt sie und soll nun auch noch für die Kontrolle zuständig sein. Und genau diese Kontrolle sehen vom Lärm der Windräder genervte Anwohner beim "Windunternehmer Landkreis" nicht gut aufgehoben.

VIDEO: Landkreis genehmigt sich Windparks selbst (15 Min)

Die zerstörte Idylle

Wenn Sven Reschke-Luiken in seinem Garten steht, dann packt ihn die Wut. Als er und seine Frau sich für den Kauf von Haus und Grundstück im Großheider Ortsteil Arle entschieden hatten, da gab es gerade mal rund eine Handvoll Windräder in der Gegend. Heute blickt er auf einen ganzen Industriepark aus Windkraftanlagen.

"Man hat uns verraten und verkauft", stellt er mit Bitterkeit in seiner Stimme fest. Dabei schwankt er zwischen Resignation und dem Willen sich gegen die Windmühlen zu stemmen, damit die endlich wieder verschwinden. Doch das tun sie nicht. Während unseres Gesprächs kann er über die Hecke seines Grundstücks dabei zusehen wie an neuen, noch höheren Windrädern gewerkelt wird.

 "Der Lärm ist immer da"

Menschen sitzen im Garten
"Ein Geräusch, dem man nicht entkommen kann", klagen die Anwohner in der Nähe von Windpark-Anlagen.

Dann schaut Sven Reschke-Luiken nachdenklich auf die Riesen und schweigt. Nun hören auch wir das, was ihn nervt: den Flügelschlag der Windräder. Und dann ist da noch so ein unablässiges Brummen im Hintergrund. "Es ist ein Geräusch, was einen permanent begleitet und dadurch zermürbt, dass es immer vorhanden ist, dass man dem nicht entrinnen kann." So schildert Sven Reschke-Luiken seine und die Not seiner Familie.

Landkreis in der Doppelrolle

Der Landkreis Aurich ist für die Genehmigung und die Kontrolle der Windräder zuständig. Und nicht nur das: Er ist über eine Tochtergesellschaft auch noch gemeinsam mit der Gemeinde Großheide am Windpark beteiligt. Eine ziemlich heikle Doppelrolle, die bei den vom Lärm geplagten Anwohnern für Misstrauen sorgt. "So etwas darf nicht sein", meint Sven Reschke-Luiken. Vor mehr als zwei Jahren habe der Landkreis den genervten Anwohnern Lärmmessungen an den Häusern versprochen, passiert sei seitdem nichts.

Der zuständige Bauamtsleiter beim Kreis, Heinz Hollwedel, sieht das anders. In einem Gespräch mit Anwohnern und einem Team von Panorama 3 verweist er auf mittlerweile umgerüstete Windräder, die nun nicht mehr zu laut seien. Und die Lärmmessungen könne man erst im Winter machen, wenn keine Blätter mehr an den Bäumen seien. Und dann müsse auch noch die Windrichtung stimmen. "Das streckt sich fast über zwei bis drei Jahre bevor man eine richtige Messung hat", verteidigt er sich und seine Behörde.

 Landkreis im Windrausch

Der Landkreis Aurich hat eine recht eigenwillige Sicht auf sein Geschäft mit der Windkraft. So hat er offenbar die Kommunalaufsicht im niedersächsischen Innenministerium ausgetrickst. Kreise müssen die Kommunalaufsicht über ihre wirtschaftlichen Aktivitäten informieren. Das hat Aurich auch im Fall seines Geschäfts mit der Windkraft getan, allerdings mit einer ziemlich dubiosen Begründung: Man habe Interesse an der "Grundversorgung der Landkreisbevölkerung mit bezahlbarer regenerativer Energie."

Das geht zumindest aus einem Panorama 3 vorliegendem Schreiben der Kommunalaufsicht beim Innenministerium hervor. In dem Schreiben heißt es weiter: "Gewinnerzielungsabsichten, also wirtschaftliche Interessen, wurden nicht genannt." Aus gutem Grund, denn Betätigungen, die vorrangig oder ausschließlich Gewinne erzielen sollen, sind den Kommunen in Niedersachsen nach dem Kommunalverfassungsgesetz nicht erlaubt. Die wirtschaftlichen Aktivitäten müssen wie zum Beispiel die Müllabfuhr der regionalen Daseinsvorsorge dienen.

Preiswerten Strom gibt es beim Kreis Aurich nicht zu kaufen. Dennoch sieht man dort die Dinge gelassen. Dazu Berthold Steinert vom Kreis Aurich: "Wir haben die Nachricht bekommen, dass das was wir machen kommunalrechtlich in Ordnung ist." Steinert ist Leiter des Ordnungsamtes und nebenbei Geschäftsführer bei sechs Tochtergesellschaften des Kreises, die sich mit Windkraft beschäftigen.

Landesregierung schaut zu

Aus Hannover hat der Multifunktionär wohl nichts zu befürchten. Das Innenministerium teilt uns mit, der Beurteilungsspielraum von Kommunen sei "gerichtlich nur begrenzt überprüfbar". Außerdem wolle die Landesregierung das Engagement der Kommunen im Bereich der erneuerbaren Energien fördern. Sprich: Das Land Niedersachsen will das Geschäft des Landkreises Aurich mit der Windkraft nicht auf den Prüfstand stellen. Offenbar nehmen Landkreis und Landesregierung angesichts der geforderten Energiewende Interessenkollisionen mit geltendem Recht einfach hin. Dagegen hat der lärmgeplagte Bürger keine Chance.

Weitere Informationen
Windkrafträder © dpa

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 17.05.2016 | 21:15 Uhr

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Energiewende

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