Fragen zu Drohnenangriffen weiter offen
Sind von Deutschland aus völkerrechtlich umstrittene Drohnenangriffe gesteuert worden? Diese Frage beschäftigt viele Parlamentarier und Journalisten seit Monaten. Doch die Bundesregierung scheint an einer Aufklärung kein großes Interesse zu haben. Das zeigen neue Unterlagen, die dem NDR und der "Süddeutschen Zeitung" vorliegen. Demnach ist ein Katalog mit Fragen an die US-Regierung bis heute nicht beantwortet worden. Außerdem werden Mitglieder eines Untersuchungsausschusses über möglicherweise interessante Details nicht informiert.
Ferngesteuerter Krieg gegen Terrorverdächtige
Die USA führen einen weltweiten, ferngesteuerten Krieg. In Somalia, Jemen oder Pakistan töten US-Drohnen immer wieder Terrorverdächtige, aber auch unschuldige Zivilisten. Erst am vergangenen Freitag wurden drei Männer nahe der somalischen Stadt Bardhere von einer Drohne getötet. Einer von ihnen soll den Anschlag im Jahr 2013 auf ein Einkaufszentrum in Nairobi mit organisiert haben.
US-Stützpunkte in Deutschland an Drohnenangriffen beteiligt
Vor zwei Jahren hatten SZ, NDR und WDR erstmals über Deutschlands Rolle in diesem "Geheimen Krieg" berichtet. Demnach werden Drohnenangriffe in Somalia vom US-Oberkommando Africom in Stuttgart befehligt. Auch der US-Stützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein spielt bei tödlichen Drohnenangriffen in Pakistan und Jemen eine zentrale Rolle. Die Daten der ferngesteuerten US-Fluggeräte werden den Recherchen zufolge via Ramstein an die Piloten übermittelt. Zudem hat eine wichtige Analysezentrale für solche Einsätze auf der US-Airbase ihren Sitz. "Es ist egal, wo die Drohnen im Einsatz sind: Immer fließen ihre Daten über Ramstein", sagt der ehemalige Drohnenpilot Brandon Bryant. Offenbar werden nicht nur Daten über Deutschland verschickt, Angriffe geplant, vorbereitet und unterstützt: Zeitweise, so berichtete es der amerikanische Buchautor Richard Whittle vor Kurzem, saßen sogar die Piloten bewaffneter Drohnen in Ramstein.
Die Bundesregierung wusste von all dem offenbar zunächst nichts. In Stellungnahmen nach der Veröffentlichung der Recherchen im Frühjahr 2013 erklärte sie, sie würde die Berichte ernstnehmen und habe der US-Regierung einen Fragebogen dazu geschickt. Und in den folgenden Monaten hieß es immer wieder, sie erinnere "fortgesetzt", "mit Nachdruck" oder "eindringlich" an die Beantwortung.
Fragen an die USA bleiben unbeantwortet
Bis heute wurde dieser Fragebogen allerdings nicht beantwortet. Die Bundesregierung gibt sich offenbar mittlerweile mit einer dünnen Erklärung aus Washington zufrieden. Sie teilte diese Woche mit: Drohnen würden von Deutschland aus "in keiner Weise gesteuert" oder entsprechende Flüge "durchgeführt". Die Befehle für ihre Einsätze in Afrika kämen aus Washington, nicht aus Stuttgart. Diese Antwort stützt sich jedoch einzig auf die Zusicherung der USA, das dem so sei. Den Fragenkatalog betrachtet Washington damit als beantwortet. Das geht aus einer Antwort des Auswärtigen Amtes auf Fragen der Linkspartei-Abgeordneten Andrej Hunko und Niema Movassat hervor. Eigene Kontrolle haben deutsche Behörden demnach nicht vorgenommen.
Kritik von der Linkspartei: "Tatbestand der Strafvereitelung"
Die Bundesregierung nehme das einfach so hin, kritisieren Hunko und Movassat. "Das Auswärtige Amt will keine Aufklärung, inwiefern US-Standorte in Deutschland am tödlichen Drohnenkrieg der US-Armee in Afrika und Asien beteiligt sind. Das ist nicht nur undemokratisch, sondern es erfüllt den Tatbestand der Strafvereitelung."
Tatsächlich geht es um schwere Vorwürfe. Laut einem 2014 veröffentlichen Bundestagsgutachten darf Deutschland "völkerrechtswidrige Militäroperationen", die "durch ausländische Staaten von deutschem Territorium" aus durchgeführt werden, nicht dulden. Wenn die Bundesregierung davon wisse, dass das US-Militär Terrorverdächtige völkerrechtswidrig per Drohne hinrichten, aber nichts dagegen unternehme, könnte dies "eine Beteiligung an einem völkerrechtlichen Delikt darstellen".
Justiz und Untersuchungsausschuss beschäftigen sich mit Drohnenangriffen
Die Drohnenangriffe beschäftigen mittlerweile die Justiz: Angehörige von Opfern eines Angriffs im Jemen haben vor dem Verwaltungsgericht Köln Klage eingereicht. Seit 2013 prüft zudem die Bundesanwaltschaft, ob sie ein Ermittlungsverfahren eröffnen soll.
Auch der NSA-Untersuchungsausschuss beschäftigt sich mit den Vorwürfen. In dessen Unterlagen findet sich auch eine E-Mail eines Außenamts-Mitarbeiters der bedauert, dass US-Präsident Barack Obama in einer Stellungnahme zwar verneinte, dass Deutschland "Ausgangspunkt" für Drohnenangriffe sei, aber "leider" nicht bestreite, dass Africom in Stuttgart und die US-Basis in Ramstein bei der Datenerfassung und Zielauswahl eine wichtige Rolle spielen.
Laut den Unterlagen, die SZ und NDR einsehen konnten, hat es zudem ein Gespräch mit dem damaligen US-Verteidigungsminister Chuck Hagel am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz im Jahr 2014 zu den Drohnenangriffen und zur Rolle der US-Stützpunkte in Deutschland gegeben. Jedoch hat das Auswärtige Amt alle möglicherweise interessanten Passagen gelöscht. Zum Wohle des Staates, wie auf den Unterlagen vermerkt ist.