Kirchwahlingen: Fahrzeuge vom THW sowie der Feuerwehr fahren auf einer teilweise überfluteten Straße unweit der Aller (Aufnahme mit einer Drohne). © dpa-Bildfunk Foto: Philipp Schulze
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Kirchwahlingen: Fahrzeuge vom THW sowie der Feuerwehr fahren auf einer teilweise überfluteten Straße unweit der Aller (Aufnahme mit einer Drohne). © dpa-Bildfunk Foto: Philipp Schulze
AUDIO: Gemeindebund: Kommunen brauchen Hilfe bei Hochwasserschäden (9 Min)

Wer übernimmt die Kosten für die Folgen des Hochwassers?

Stand: 03.01.2024 15:24 Uhr

In Sachen Hochwasserschäden ist schon jetzt klar: Die öffentliche Infrastruktur in den Kommunen vor Ort wird durch die Wassermassen Schaden nehmen. Schon jetzt sind Straßen und Deiche reparaturbedürftig. Wer übernimmt die Kosten für die Folgen des Hochwassers?

von Isabel Lerch

Feuerwehreinsätze, Katastrophenschutz, Fahrzeugkosten, Rettungspersonal, Sandsäcke - das aktuelle Hochwasser in Niedersachsen verursacht einiges an Kosten. Den Betrag für die akute Nothilfe vor Ort trägt im Wesentlichen der jeweils betroffene Landkreis.

"Der Betrag wird in den meisten Fällen erfahrungsgemäß im Nachhinein durch das Land erstattet", erklärt René Geißler, Professor für öffentliche Wirtschaft und Verwaltung an der Technischen Hochschule in Wildau (Brandenburg), im Gespräch mit NDR Info.

"Das heißt, es gibt dann oft Nothilfe-Fonds für die entsprechenden Kommunen, wo das Land bestimmte Millionen nach bestimmten Schlüsseln auf die betroffenen Kommunen verteilt, sodass man langfristig auf den unmittelbaren Kosten dieses Noteinsatzes beim Hochwasser eben nicht unbedingt sitzen bleibt. Ob diese Erstattungen in jedem Fall voll kostendeckend sind, ist eine andere Frage. Das sind dann oft Pauschalen."

Rechtsanspruch auf staatliche finanzielle Unterstützung existiert nicht

Doch was ist mit den Schäden an kommunaler Infrastruktur, die bleiben, wenn alle Sandsäcke entfernt sind? "Das Land ist nicht verpflichtet, die Straßen zu bezuschussen, die man wieder aufbauen muss. Rein rechtlich ist da nicht so viel zu machen", sagt Geißler.

Denn grundsätzlich gilt: Wenn ein Schaden entsteht, beispielsweise an einem Gebäude, müssen die Kosten dafür vom Eigentümer bezahlt werden - das gilt für Privatbürger genauso wie für eine Kommune oder ein Land. Helfen tun dabei entsprechende Versicherungen. Ein Rechtsanspruch auf staatliche finanzielle Unterstützung existiert jedoch nicht.

René Geißler, Professor für öffentliche Wirtschaft und Verwaltung an der Technischen Hochschule in Wildau (Brandenburg) © Technische Hochschule Wildau
René Geißler ist Professor für öffentliche Wirtschaft und Verwaltung an der Technischen Hochschule in Wildau (Brandenburg).

Aber die vergangenen Jahre haben gezeigt: Bei größeren Naturkatastrophen springt das Land oder der Bund dennoch des Öfteren ein. "Das ist einfach eine sachlogische Frage, dass man das trotzdem tut. Das Land will ja, dass die Gemeinden wieder aufstehen", so Rechtsexperte Geißler.

Hochwasserhilfen: "Politischer Druck auf Landesregierung ist extrem hoch"

Ob das Land beim aktuellen Hochwasser in Niedersachsen die Kosten teilweise übernehmen wird, sei noch nicht entschieden - aber: "Der politische Druck auf die Landesregierung ist natürlich extrem hoch, zu sagen: 'Wir helfen euch beim Wiederaufbau'", sagt Geißler.

"Herr Weil kann sich nicht hinstellen und sagen: 'Seht mal zu, wie ihr mit euren Straßen, Sportplätzen und Turnhallen zurechtkommt.' Das funktioniert politisch nicht. Das heißt, es wird in hohem Maße Fördermittel geben vom Land für den Wiederaufbau. Fördermittel bedeutet aber oft auch ein Eigenanteil der Kommunen, auch wenn es vielleicht bloß 20 Prozent sind."

Es hängt vom tatsächlichen Ausmaß des Umweltereignisses ab

Ob das Land - oder gar der Bund - am Ende für einen Teil der Kosten aufkommt, hänge unter anderem am erwarteten, beziehungsweise tatsächlichen Ausmaß eines Umweltereignisses. Beispiel: Die Ostseeflut im Oktober vergangenen Jahres.

Zunächst hatte Kanzler Scholz den dortigen Kommunen Bundeshilfen in Aussicht gestellt. Aber als Schätzungen des Bundes ergaben, dass es sich nicht um einen "Schaden mit nationalem Ausmaß" handele, wurde die Ankündigung zurückgenommen.

Doch nicht nur die nackten Zahlen, auch die mediale Aufmerksamkeit, die Bilder eines Umweltereignisses spielten eine Rolle, so der Experte. Denn diese wiederrum beeinflussten die öffentliche Meinung und die Politik.

"Es ist ein bisschen Pech - wenn man das so zynisch sagen will - für die Niedersachsen, dass die öffentliche Aufmerksamkeit auch auf diversen anderen Baustellen liegt: Ukraine, Israel und so weiter. Da hatten es die Opfer früherer Hochwasser ein bisschen besser", sagt Geißler.

Der Wissenschaftler erinnert an frühere Zeiten: "Vor zehn Jahren hatten wir im Sommer oder im Winter nur das Hochwasser und ganz Deutschland hat darauf geschaut. Das ist heute nicht mehr so in diesen Polykrisen, in denen wir leben."

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Übernahme von Kosten durch den Bund auch eine politische Frage

Und das heißt auch: Am Ende sei die Übernahme von Kosten durch den Bund auch eine politische Frage: "Das ist immer auch eine politische Entscheidung des Bundes, in welche regionale Krise gehe ich mit rein oder nicht", sagt Rechtsexperte Geißler.

"Beim Ahrtal hat der Bund gesagt, er geht mit rein. Durchaus strittig. In Niedersachsen war Olaf Scholz da. Das ist immer auch ein Risiko: Wenn man hinfährt, dann erzeugt man auch immer ein Stück weit eine Bringschuld."

Rechtsexperte: Einspringen des Bundes eher unwahrscheinlich

Was dem aktuellen Fall mit dem andauernden Hochwasser in mehreren niedersächsischen Gebieten angeht, schätzt Rechtsexperte Geißler ein Einspringen des Bundes als eher unwahrscheinlich ein: "Es ist gut möglich, dass wir in ein paar Wochen eine Diskussion haben, dass der Bund da bestimmte Gelder gibt. Aber momentan scheint die Krise noch nicht so groß, scheint der Schaden noch nicht so groß, dass da Bundesgeld fließen muss."

Für Geißler ist klar: Auch, wenn das Land die Kosten für das das aktuelle Hochwasser teilweise übernimmt, dürfte es sehr lange dauern, bis Gelder ankommen. Denn vergangene Umweltkatastrophen wie die Jahrhundertflut an der Elbe 2002 oder die Flut im Ahrtal 2021 zeigen: Auch nach Jahren bleiben noch etliche Rechnungen offen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Wirtschaft | 03.01.2024 | 07:37 Uhr

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