Gläschen mit jeweils sechs Dosen des neuen angepassten Corona-Impfstoffs von Biontech/Pfizer stehen auf einem Tisch in einer Apotheke. (Foto vom 18.9.2023) © Christophe Gateau/dpa

(118) Empowerment: Mit dem Virus leben lernen

Stand: 09.10.2023 06:00 Uhr

In der aktuellen Erkältungssaison zirkuliert Corona nur noch als ein Virus unter vielen. Über Boostern und Maske bestimmt jeder selbst. Gut so, sagt die Immunologin Christine Falk.

Außerdem spricht die Leiterin des Instituts für Transplantationsimmunologie an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) in Folge 118 des NDR Info Podcasts Coronavirus-Update mit Wissenschaftsredakteurin Korinna Hennig über die Impfempfehlung für den Herbst, neue Virusvarianten und möglicherweise überschätzte Long-Covid-Zahlen.

Die zentralen Themen der Folge im Überblick - per Klick direkt zur Textstelle springen

Einschätzung Corona-Lage und Bevölkerungsimmunität

Aktuell kursierende Omikron-Varianten und Immunantwort

Impfung für immunnaive Kinder?

Corona- und Grippeschutzimpfung: Wer sollte sich (wann) boostern lassen?

Übertragungsschutz durch Booster

Impfung für Schwangere

Vorteile des monovalenten Boosters

Infektionsfolgen: Was bedeutet Alterung des Immunsystems

Kardiovaskuläre Risiken nach Corona-Infektion

Long-Covid-Risiko nach Mehrfachinfektion

Chronic Fatigue Syndrom als generelles postvirales Phänomen

Impfschäden - wie groß ist das Problem tatsächlich?

Ausblick: Impfen in den kommenden Jahren

Korinna Hennig: Hier sind wir wieder in der endemischen Phase, wie es aussieht. Wir waren lange ruhig, denn es war lange relativ ruhig rund um das Coronavirus. Wie ruhig, das ist ein bisschen eine Frage der Perspektive, denn vermutlich kennen wir das alle. Schon im Spätsommer konnte jeder das um sich herum beobachten. Die Kollegen, der Freund des Sohnes, der Schwiegervater. Mit einem Mal häufen sich wieder die Infektionen mit SARS-2.

Virologen äußern sich optimistisch, was die Virus-Evolution angeht. Mal mehr, mal weniger zurückhaltend. Trotzdem stehen für viele noch Fragen im Raum, aber eher nicht so sehr virologischer Natur, sondern immunologischer. Was passiert nun mit uns und unserem Immunsystem, wenn wir uns zum zweiten, dritten, vierten Mal infizieren? Wie ist das mit dem neuen, angepassten Impfstoff und einem erneuten Booster zum Herbst? Und müssen wir bei Long Covid noch mal genauer hingucken? All das möchte ich heute Professorin Christine Falk fragen. Sie leitet das Institut für Transplantationsimmunologie an der Medizinischen Hochschule Hannover. Haben Sie in Ihrem Umfeld auch Menschen, die schon wieder mit Covid zu Hause waren oder sind?

Christine Falk: Ja, also man hört ja an vielen Stellen, dass die Leute, wenn sie klug sind und eine Erkältung haben, dass sie sich testen und dann feststellen, der zweite Strich ist leider wieder da und dann ist es doch das Coronavirus. Man merkt einfach, dass es jetzt wieder Teil der Infektionsherbstaktivität ist, wo verschiedene Viren zirkulieren und darunter eben auch das Coronavirus.

Das Beispiel der Wiesn in München, also das Oktoberfest, ist eigentlich nicht überraschend: In München, meiner Heimatstadt, treffen jetzt wieder alle Viren-Varianten der Welt aufeinander. Natürlich gibt es da jetzt auch wieder mehr Infektionen.

Das Coronavirus © CDC on Unsplash Foto: CDC on Unsplash

(118) Empowerment: Mit dem Virus leben lernen

Sendung: Das Coronavirus-Update von NDR Info | 09.10.2023 | 06:00 Uhr | von Korinna Hennig
81 Min | Verfügbar bis 07.10.2028

Die Immunologin Christine Falk erklärt, wie man sein Covid-Risiko am besten selbst einschätzen kann. Und: Welche Bedeutung die Impfung für Langzeitfolgen hat.

Die Themen der Folge:

00:04:50 Einschätzung Coronalage und Bevölkerungsimmunität
00:10:55 Aktuell kursierende Omikron-Varianten und Immunantwort
00:20:37 Impfung für immunnaive Kinder?
00:31:45 Corona- und Grippeschutzimpfung: Wer sollte sich (wann) boostern lassen?
00:33:15 Übertragungsschutz durch Booster
00:39:05 Impfung für Schwangere
00:42:02 Vorteile des monovalenten Boosters
00:44:24 Infektionsfolgen: Was bedeutet Alterung des Immunsystems?
00:50:55 Kardiovaskuläre Risiken nach Corona-Infektion
00:54:26 Long-Covid-Risiko nach Mehrfachinfektion
01:01:34 Chronic Fatigue Syndrom als generelles postvirales Phänomen
01:09:39 Impfschäden – wie groß ist das Problem tatsächlich?
01:16:02 Ausblick: Impfen in den kommenden Jahren

Podcast "Tatort Ostsee":

https://www.ardaudiothek.de/sendung/tatort-ostsee-wer-sprengte-die-nord-stream-pipelines/94805558/

Bevölkerungsimmunität

Hennig: Jetzt kann man das natürlich mit der Wiesn gerade ganz gut sehen, weil es da ein Großereignis gab, dass das Ganze noch mal befeuert hat. Wenn man sich aber die Gesamtlage anguckt: Die WHO hat schon Anfang September vor steigenden Zahlen gewarnt, da war die Rede von mehr Todesfällen, zum Beispiel in Asien, aber auch mehr Krankenhausaufenthalten mit Covid in Europa und Amerika. Wenn man sich dann aber hier in den Krankenhäusern umhört und in den vergangenen Wochen umgehört hat, und auch mal die Daten aus dem Pandemie-Radar des Bundesministeriums für Gesundheit anguckt, dann geht der Trend in den meisten Bundesländern trotzdem schon wieder ein bisschen nach unten und auch die Viruslast im Abwasser sinkt.

Hennig: Stehen wir, München als Ausnahme betrachtet, in Deutschland womöglich tatsächlich besser da, was die Bevölkerungsimmunität angeht, als das in vielen anderen Ländern der Fall ist?

Falk: Es ist sehr wichtig zu betonen, dass die Situation, die wir jetzt haben, vor dieser Herbst/Winter-Phase eindeutig davon geprägt ist, dass gerade in Deutschland eben doch sehr viele Menschen dreimal geimpft sind, vielleicht sogar mehrfach, und dann meistens noch eine oder sogar zwei Infektionsepisoden hinter sich haben. Das heißt, wir haben eine sehr hohe Immunität, das merkt man auch. Und dann kann man auch feststellen, dass das Virus zirkuliert. Aber im Abwasser gibt es keinen Hinweis, dass es in Deutschland ansteigt. Wir haben ja auch andere Viren. Das sieht man im wöchentlichen RKI-Report: Welche respiratorischen, also Atemwegsinfektionsviren, -erreger zirkulieren in Deutschland? Da gibt es auch noch ein paar andere, da reiht sich das Coronavirus ein. Insofern kann man sagen, die Tatsache, dass es da ist, aber dass es keine schweren Krankheitsverläufe auslöst, ist ja genau das Ziel gewesen. Also, dass es da ist, aber hoffentlich nicht mehr auslöst, als dass man ein, zwei, vielleicht auch drei Tage Erkältungssymptome hat. Aber dann auch wieder durch ist mit dieser Infektion, wie mit anderen Virusinfektionen auch und nur wenige Menschen wirklich eine schwerere Infektionserkrankung haben.

Hennig: Noch einmal allgemein gefragt: Teilen Sie die Einschätzung vieler Kollegen, was das Ende der Pandemie angeht, dass wir jetzt sogar vor dem Winter schon in etwas ruhigerem, endemischem, saisonalen Fahrwasser sind?

Geänderte Arbeitsmoral

Falk: Das hängt auch so ein bisschen davon ab, wie klug die Leute sich verhalten. Stichwort München und die Wiesn. Da waren, glaube ich, sieben Millionen Besucher, die höchste Besucherzahl, die es bisher in etwa gab. Das ist natürlich eine Situation, wo man viele Menschen in engem Raum zusammen hat auf dem Oktoberfest. Und das ist natürlich immer eine gute Möglichkeit, zu übertragen. Wenn Leute, die jetzt erkältet sind, so klug sind, um zu sagen, ich ziehe selber eine Maske auf, weil ich meine Kolleginnen und Kollegen in der Arbeit oder wo auch immer, nicht anstecken möchte, ist es auch schon mal ein guter Schritt. Das kann man ja selber entscheiden. Machen wir hier auch so, dass wir sagen, wenn man nicht zu Hause bleibt, dass man, wenn man hier zur Arbeit kommt und erkältet ist, eine Maske aufsetzt, zum Beispiel.

Damit nicht das ganze Labor, was immer es auch ist, sich ansteckt. Anders als früher, wo die Arbeitsmoral vorherrschte: Egal, wie krank man sich fühlt, man geht zur Arbeit. Das war vielleicht nicht so schlau. Da können wir jetzt klüger agieren. Und wenn man das so ein bisschen kommuniziert, dann kriegen wir es vielleicht auch hin, dass wir tatsächlich diese Infektionsgeschehen haben, dass sie sich aber nicht ausbreiten, sodass wir nicht zu viele Menschen haben, die gleichzeitig ausfallen, weil wir ja auch unsere Infrastruktur schützen müssen. Das haben wir auch gelernt. Und wenn diese Aufmerksamkeit da ist, kann man das, glaube ich, gemeinsam ganz gut hinkriegen, dass man eben nicht große Infektionszahlen mit, egal welchem Virus, in Kauf nehmen muss, sondern das ganz gut hinbekommt, ohne Maßnahmen zu haben. Denn wir brauchen keine mehr. Wenn wir ein bisschen mitdenken, wird es schon helfen.

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Die Immunologin Christine Falk erklärt, wie man sein Covid-Risiko selbst einschätzen kann. Und: die Bedeutung der Impfung für Langzeitfolgen. Folge 118 als PDF-Dokument zum Herunterladen. Download (282 KB)

Hennig: Kleine Fußnote: So eine Maske hilft ja auch gegen die anderen Erkältungsviren.

Falk: Genau das meinte ich. Dann ist es nämlich nicht wichtig, welches Infektionsgeschehen und welches Virus es ist. Es gibt ja auch RSV und auch die Influenza, also die echte Grippe, das würde ja gegen alles helfen, was man sich über den Nasen-Rachenraum einfangen kann.

Hennig: Noch mal auf Corona geblickt: Wie ist es einzuschätzen, wenn sich nun vermehrt Menschen anstecken? Geht das eher auf das Konto der Virusevolution? Also die kursierenden Omikron-Subtypen haben sich so ein bisschen aus unserer Immunität rausentwickelt durch Impfungen, Infektionen, - Stichwort Immunflucht - und hauptsächlich, weil die Antikörper eben nach einer Weile nachlassen.

Sinkende Antikörperspiegel

Falk: Das ist total interessant, dieses Stichwort Immunflucht. Das kommt daher, dass die meisten Untersuchungen gucken, wenn es jetzt neue Virusvarianten gibt und man gibt Antikörper dazu, können die Viren noch in die Zellen reinkommen?

Dieses Spike-Protein kann man sich vielleicht wie so einen großen Schlüssel vorstellen. Und oben der Bart von diesem Schlüssel ist der Schlüsselteil, mit dem sich das Virus, das Schloss nämlich in die Zelle eindockt und dann in die Zelle hineinkommt. Dann gibt es noch den Stiel und dann gibt es den Griff. Und die einzigen Antikörper, die dafür zuständig sind, dass das Virus nicht mehr in die Zelle kommt, also diese neutralisierenden Antikörper, von denen wir immer sprechen, sind die, die an diesem Bart binden. Wie wenn man einen Kaugummi auf diesen Bart draufklebt, dann kann der Schlüssel nicht mehr ins Schloss. Das sind aber nur diese Antikörper, die man abfragt, wenn man Neutralisierungstests macht. Wir bilden aber sowohl bei der Impfung als auch nach Infektionen Antikörper gegen den ganzen Schlüssel, also auch an dem Stil und unten am Griff. Da haben wir auch Antikörper. Nur sitzen die quasi am falschen Ende und können nicht verhindern, dass der Schlüssel in das Schloss und das Virus in die Zelle kommt. Die sind aber immunaktiv. Die helfen den Fresszellen, das Virus aufzunehmen und verhindern auf anderem Wege eine schwere Infektion.

Und wenn man diese Immunflucht nur auf den Bart dieses Schlüssels konzentriert, hat man den Eindruck, es hat sich jetzt weiterentwickelt und flüchtet vor der Immunantwort. Das trifft aber nur für diesen Bart zu. Der Rest an Antikörpern ist ja noch da und die sind auch aktiv für das Immunsystem. Das bedeutet: Das Virus hat sich ein bisschen weiterentwickelt. Als ob man mit der Feile an diesem Bart so rumfeilt, dass es noch besser passt. Und diese Antikörper erkennen den Bart dann nicht mehr, weil der sich ein bisschen verändert hat. Aber die Antikörper gegen den Rest von diesem Schlüssel, die sind alle noch da. Die erkennen auch dieses Spike-Protein und die helfen dem Immunsystem auf anderem Wege, indirekt über die Fresszellen. Aber sie sind total wichtig. Und wenn man die nicht mitmisst, bekommt man den Eindruck, dass sich das Virus immunfluchtmäßig weiter verändert hat. Das betrifft aber nur den Teil, der das Schloss aufsperren soll, und den anderen Teil nicht.

Deswegen sinken auch Antikörperspiegel, obwohl die Antikörper nicht weg sind. Und die Gedächtniszellen, Plasmazellen, B-Gedächtniszellen produzieren die Antikörper nicht immer auf höchstem Niveau, sondern sind dann "ready to go“ sozusagen. Also sie sind vorbereitet, wenn noch mal ein Virus kommt. Und deswegen ist es überhaupt kein Warnsignal oder überhaupt nicht negativ zu bewerten, dass Antikörperspiegel auch absinken, denn das Gedächtnis ist da das Wichtigste. Das haben wir angelegt mit drei Impfungen plus Infektion. Und im Nasen-Rachenraum verschwindet das Gedächtnis leider ein bisschen schneller als im Blut, deswegen kann man sich wieder anstecken. Aber die Immunität bleibt erhalten und die T-Zellen sowieso, weil die T-Zellen sind sowieso erst dann aktiv, wenn eine Zelle infiziert wird. Die haben wir auch als Gedächtniszellen angelegt mit Impfung plus Infektion. Wenn man sich das mit diesem Schlüssel überlegt, kann man sich vielleicht ganz gut vorstellen, dass unsere Immunität sehr gut trägt. Idealerweise Langzeit, wenn man eben dreimal geimpft ist und man sich dann angesteckt hat, hat man schon einen ziemlich anhaltenden Schutz. Das gilt für immungesunde Personen. Wenn man ein bisschen älter ist und vielleicht Medikamente braucht, immunsupprimiert ist, dann ist es noch mal eine andere Geschichte. Aber die immungesunden Leute, und das sind ja die allermeisten Leute, haben eine sehr robuste Immunität aufgebaut.

Virusvariante Eris

Hennig: Gilt das für alle Varianten, von denen wir wissen, dass sie gerade kursieren? Ich habe mal beim Robert Koch-Institut geguckt, die Datenlage ist jetzt nicht mehr ganz so dicht. Es wird nicht mehr so viel sequenziert. Aber Sandra Ciesek zum Beispiel sagt, es ist ein bunter Variantenmix. Es ist zwar immer noch alles Omikron und das RKI schätzt, dass grob die Hälfte der kursierenden Subtypen XBB-Sublinien sind. Und die andere Hälfte ist der Omikron-Subtyp EG5. Das ist der, der unter dem Spitznamen Eris in den Schlagzeilen war. Können Sie das, was Sie jetzt allgemein formuliert haben, für all diese Varianten sagen?

Falk: Ja, das kann man ganz gut. Wenn man sich anguckt, wo diese Veränderungen liegen, die die XBB- und die E-Variante auszeichnen. Das ist so ein bisschen wie Malen nach Zahlen. Dieses Spike hat eine sehr schöne Struktur und jede Position hat eine Zahl wie bei Malen nach Zahlen. Und dann können Sie gucken, wo sitzt denn die Veränderung, die XBB auszeichnet? Diese Veränderungen sitzen in den Positionen, die diese Bart-Struktur im Schlüssel machen. Das heißt, sie sind in der sogenannten S1-Domäne, also Spike-1-Domäne im vorderen Teil, also an dem Bart von unserem Schlüssel. Dort sind sie genau an der Stelle, wo das Virus Kontakt hat zu dem ACE2-Rezeptor, über den es als Schloss in die Zelle reinkommt. Und auch die neuen Varianten, die jetzt in der Diskussion sind, haben in diesem S1-Teil des Proteins ihre Veränderung. Der Stiel und der Griff, also das S2-Teil dieses Proteins, die haben sich eben nicht verändert. Das ist genau das, was Sandra Ciesek auch sagt. Wir befinden uns in der Familie von Omikron. Das sind also auch diese größeren Veränderungen im Vergleich zum Originalvirus. Und jetzt sind es ganz kleine punktuelle Veränderungen, also wenige Aminosäuren mit der Feile, die den Bart nochmal ein bisschen verändern. Das ist das, was jetzt auch diese Varianten aufweisen.

Für mich als Immunologin sagt das, das Virus hat sich sehr optimiert weltweit, und zwar darauf hin, dass es gut infizieren kann und auch die unterschiedlichen Zellen im Nasen-Rachenraum. Aber es hat eben nicht die komplette Immunantwort unterlaufen, weil der Stiel und der Griff immer noch genau die gleiche Sequenz haben wie die Ursprungsviren.

Neutralisierungsessays

Hennig: Das heißt, rein forschungsmäßig gesehen, müsste man besonders dann genau hingucken, wenn es mehr Mutationen im S2-Teil gäbe.

Falk: Genau, wenn man sehen würde, es gibt neue Varianten, die sich an anderen Stellen auf einmal verändern, dann wäre das noch mal eine grundlegende Veränderung, die möglicherweise noch mehr Antikörper unterläuft.

Und solange das oben in diesem Bart-Bereich bleibt, kann man sagen, das ist dann diese Immunflucht von der dann berichtet wird, wenn man diese Neutralisierungsessays macht. Das ist sehr gut beobachtet. Aber es beschränkt sich auf diesen Bereich. Das ist eigentlich die gute Nachricht, dass es offensichtlich in den letzten Monaten dabei geblieben ist, dass da die Optimierung stattfindet, plus die Immunflucht, aber eben keine generelle Immunflucht.

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Die Immunologin Prof. Dr. Christine Falk von der Medizinischen Hochschule Hannover im Porträt. © die fotografin  /  Anja Frick

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Virusvariante Priola

Hennig: Jetzt haben Sie eben schon die neueren Varianten angesprochen. Da gab es ja mal Schlagzeilen um die Variante BA.2.86. "Priola" hat ein kreativer Forscher sie getauft, weil man gesagt hat, da gibt es besonders viele Mutationen im Spike-Protein. Auch da reden wir von S1. Aber es ist genetisch so ein großer Sprung, dass es da am Anfang tatsächlich Sorge gab, den auch die Virologen und Virologinnen geäußert haben. Jetzt ist diese Variante aber schon ein paar Wochen unterwegs und scheint irgendwie keinen Wachstumsvorteil zu haben. In Deutschland ist sie, soweit ich weiß, erst eine Handvoll mal nachgewiesen worden, vorbehaltlich der Aussage, dass Daten nicht ganz so aussagekräftig sind, wie als noch mehr sequenziert wurde. Aber der Trend ist vielleicht trotzdem klar. Das heißt, BA.2.86 bleibt vielleicht eine Fußnote?

Schutzwallfunktion durch Impfung und Infektion

Falk: Das ist eben immer diese Frage. Das ist eine Art Wettstreit zwischen den Virusvarianten unter sich. Wer setzt sich durch? Omikron war extrem erfolgreich. Und jetzt versuchen sozusagen Familienmitglieder von Omikron sich noch mehr zu verbessern und durchzusetzen. Aber selbst, wenn da noch mehr Veränderung passiert, dieses Spike hat 1 273 Aminosäuren. Die sind wie Perlen auf einer Perlenkette aufgereiht. Und in dieser S1-Domäne gibt es schon über 30 Veränderungen, die zu Omikron geführt haben. Und dann gibt es noch mal obendrauf mehrere, die dann eben diese Untervarianten geben, diesen Strauß, von dem Sandra Ciesek gesprochen hat. Trotzdem sind große Bereiche immer noch von der Sequenz und den Perlenketten-Bereichen identisch.

Die Immunantwort ist Gott sei Dank sehr breit auch gegen diese Bereiche gerichtet. Gerade die T-Zellen, die ganz unterschiedliche Bereiche erkennen können. Und das ist so von unserer immunologischen Perspektive aus immer wichtig, dass wir eine robuste, langanhaltende und stabile Immunität gegen diese Bereiche auf der T-Zell-Seite haben. Dann kann nämlich eine Infektion primär in Kauf genommen werden. Aber die zweite Abwehrlinie der T-Zellen, die greift dann und verhindert, dass es eine schwere Erkrankung gibt. Und mit diesem Gegner muss sich das Virus auseinandersetzen. Wenn wir jetzt die Gegner umdrehen, hat das Virus auch einen Endgegner. Das sind nämlich immunisierte Menschen. Da muss das Virus es auch erst mal schaffen, unsere Abwehrlinien zu überwinden. Und wenn es die erste Abwehrlinie genommen hat, haben wir unsere T-Zell-Antwort und auch noch angeborene Immunmechanismen, die dann verhindern, dass sich das Virus ausbreitet. Deswegen tun sich die Varianten echt schwer, sich noch mal als eine Dominante durchzusetzen. Und man merkt ja, es versucht dies sozusagen, aber unsere Gegenwehr ist offensichtlich ziemlich gut, sodass es nicht so einfach ist, für eine Variante jetzt noch mal so einen durchschlagenden Erfolg zu haben.

Diese Schutzwallfunktion durch Impfung und Infektion wollten wir ja haben. Es ist gut zu sehen, dass es nach dem, was wir jetzt an Daten haben, offensichtlich trägt. Das war ja das, worauf alle hingearbeitet haben.

Hennig: Jetzt haben wir bisher fast nur von der Immunantwort gesprochen. Das schließt ja bei den meisten Menschen von uns zweierlei ein, weil es um die sogenannte Hybridimmunität geht. Also viele sind mindestens dreimal geimpft. Wenn sie Risikopersonen sind, hoffentlich noch ein viertes Mal, und haben sich möglicherweise ein, zwei Mal seitdem infiziert. Wir erinnern uns, Omikron ist zwar ansteckender als die Vorvarianten, aber ein bisschen weniger pathogen, also weniger krankmachend. Trotzdem betonen Corona-Forscher immer wieder: Täuscht euch nicht. Es ist nicht so, dass Omikron per se komplett mild wäre, ganz ohne Impfung. Wie viel Sorge haben Sie noch um ungeimpfte Menschen, auch mit Omikron? Auch da gibt es ja schon noch Lücken in Deutschland.

Daten in Zukunft bitte zusammenführen!

Falk: Es gibt Lücken, wo wir nicht so ganz genau wissen, wo sie liegen. Weil wir ja nicht genau wissen, wer wann wie geimpft und genesen ist, weil wir ja unterschiedliche Dokumentationen haben für Impfung und Infektion. Deswegen können andere Länder da präzisere Aussagen machen als wir. Das ist der eine Punkt.

Das sollte man in Zukunft bitte überlegen, dass man nicht getrennte Datensilos hat, sondern in Zukunft Daten zusammenführt. Deshalb können wir nicht so präzise Aussagen machen im Vergleich zu anderen Ländern. Was man aber sieht, ist schon, dass diese Hybridimmunität gezeigt hat, dass sich wirklich noch mal das Immunsystem sehr fein mit den Varianten auseinandersetzen kann und zusätzliche Immunität obendrauf setzen kann. Die Menschen, die noch nicht geimpft sind, haben ja sehr wahrscheinlich eine oder mehrere Infektionsepisoden hinter sich. Die sie, je nachdem, wie krankmachend das war, relativ gut überstanden haben. Das heißt, auch da würde ich davon ausgehen, dass wir sehr wenige Menschen haben, ohne es beziffern zu können. Denn wie viele das in Deutschland sind, die naiv sind, also noch keinen Kontakt hatten, weder mit dem Virus noch mit der Impfung, ist schwierig zu sagen. Weil es ja doch Infektionswellen gab, die fast quer durch die Bevölkerung durchgegangen sind. Und es ist richtig, bei manchen hat man auch gesehen, dass Omikron in Ungeimpften noch schwerere Verläufe provozieren kann. Was wir aber vor allem gesehen haben ist, und das bleibt hoffentlich so, dass wir die Risikogruppen, also ältere Menschen, Menschen mit Immunsuppression, mit einem eingeschränkten Immunsystem, mit Krebserkrankungen, dass wir die so gut erreicht haben, dass wir für die diesen Impfschutz sehr gut aufgebaut haben.

Die Immungesunden kommen mehr oder weniger gut ohne Impfung mit Omikron zurecht. Aber das Risiko sollte man trotzdem nicht eingehen, dass es einen vielleicht doch ein bisschen härter erwischt, als man sich das so vorgestellt hatte. Daher ist es schon so, ich mache mir nicht so wirklich Sorgen, weil ich den Eindruck habe, wer sich jetzt immer noch nicht entschieden hat, sich nicht impfen zu lassen, hat wahrscheinlich Infektionen in Kauf genommen und diese überstanden. Dann hat man “wenigstens“ die Immunität aus der Infektion, die ja auch zur kollektiven Immunität beiträgt. Und deswegen würde ich denken, dass wir da schon relativ weit durch sind mit dieser Frage, wie viele Menschen, die nicht geimpft sind und keinen Viruskontakt hatten, haben wir noch. Das ist wenig. Die nachwachsenden Generationen sind natürlich die, die noch naiv sind. Das sind wieder die Kinder.

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Jemand macht eine Strichliste neben der Abbildung von Viren. © picture alliance, panthermedia Foto: Image Broker

Podcast mit Drosten und Ciesek: Links zu Corona-Studien

Im Podcast Coronavirus-Update mit Christian Drosten und Sandra Ciesek werden viele Studien erwähnt. Hier finden Sie eine Linksammlung. mehr

Stiko-Empfehlung - Fragezeichen bei Kinderärzten

Hennig: Da haben Sie schon so einen Punkt angesprochen, über den ich auch gern mit Ihnen sprechen wollte. Die Stiko empfiehlt ja Minderjährigen, also Menschen unter 18 Jahren, keine Impfung mehr. Damit wird auch den Nachwachsenden keine Grundimmunisierung oder Basisimmunisierung empfohlen. Und das begründet die Stiko auch mit diesem hohen Durchseuchungsgrad. Denn viele waren schon mal infiziert. Und mit den aktuellen Varianten wird es auch begründet, weil man sehen kann, unabhängig von der Impfung, dass die seltener schwere Verläufe verursachen. Also bei Kindern muss man ja sagen, noch seltener, und auch weniger das Multisystemische Entzündungssyndrom PIMS. Wenn man jetzt mit Kinderärzten spricht, dann gibt es dazu viel Zustimmung. Viele sagen, ja, das sehen wir ja auch so in den Praxen.

Aber es gibt auch durchaus Stimmen, die noch Fragezeichen haben. Sie haben das gerade angesprochen, die nachgeborenen, immunnaiven Kinder oder auch die größeren Kinder, die vielleicht tatsächlich noch keine Infektion hatten. Also die Impfquote unter zwölf, habe ich noch mal nachgeguckt, liegt bei 20 Prozent ungefähr. Das heißt, muss man sich nicht trotzdem noch mal fragen, was ist mit denen? Als Eltern würde man ja denken, ich gucke individuell auf mein Kind, und auch wenn das Risiko von schweren Verläufen oder Folgeerkrankungen nicht groß ist, ist es ja nicht komplett weg.

Impfung: Nutzen-Risiko-Abwägung bei Kindern anders

Falk: Ja, das ist schon richtig. Und die Stiko hat ja auch nicht gesagt, dass man nicht impfen soll. Sondern die Stiko-Empfehlung sagt, dass es nicht generell empfohlen wird. Es steht aber drin, dass zum einen Kinder, die ein höheres Risiko für eine schwere Erkrankung haben, dass die geimpft werden sollen. Sowie Kinder, die im Umfeld einer Person sind, die möglicherweise einen schwereren Verlauf haben könnte. Und Kinder, bei denen sozusagen das Einvernehmen mit Ärzten, Ärztinnen und den Eltern ist, geimpft werden können. Das heißt, es ist ja nicht so, dass die Stiko sagt, man soll nicht impfen. So sollte man diese Empfehlung auch nicht verstehen.

Sondern es ist eben in dieser Risiko-Nutzen-Abwägung wie bei den Erwachsenen. Da sieht man, dass der Nutzen der Impfung über die Nebenwirkungen generell höher ist als das Risiko, durch eine Impfung eine negative Wirkung zu haben. Post Vac können wir ja gleich noch mal besprechen. Es ist vor allem ganz klar, dass eine Impfung vor einem schweren Verlauf schützt. Das war ja immer das Ziel der Impfung. Bei den Kindern ist diese Nutzen-Risiko-Abwägung eine andere, weil es weniger schwere Verläufe gibt und man sagt, deswegen kann man quasi nicht rechtfertigen, dass man jetzt diese Impfung generell empfiehlt. Dennoch ist es nicht der Umkehrschluss, man soll gar nicht impfen, sondern man soll sich mit den Kinderärztinnen und Kinderärzten in die Diskussion begeben und überlegen: Ist es für mein Kind vielleicht doch sinnvoll zu impfen? Aus unterschiedlichen Konstellationen, die sehr individuell sind. Und das können die Eltern, wenn sie unsicher sind, mit ihren Kinderärztinnen und Kinderärzten besprechen. Also kann man durchaus, wenn man möchte, die Kinder auch impfen lassen. Und es macht Sinn, sich das gut zu überlegen, und vor allem mit den Ärztinnen und Ärzten zu besprechen.

Hennig: In der Vergangenheit hatte die Stiko, ich glaube das war bei der ersten Impfempfehlung zunächst für Risikokinder, ja noch eine Empfehlung drin mit so ein bisschen mehr Ermutigung, das Angebot im Zweifel zu nutzen. Es zeigen ja auch Studien, dass man bestimmte Risikokonstellationen nicht immer vorhersagen kann, weil es manchmal genetische Faktoren gibt, die eben noch nicht gut genug erforscht sind. Ist das etwas, was man sich trotzdem immer noch mal wieder auf Wiedervorlage legen muss? Es zu beobachten, wenn die Forschung da weiter voranschreitet, ob man nicht die nachgeborenen Kinder trotzdem noch mal mit ein bisschen mehr Ermutigung sozusagen zur Impfung in den Blick nehmen sollte?

Falk: Ich würde gerne den Kindern und den Eltern Argumente zu geben, dass sie selber entscheiden können, wie man das generell vielleicht versuchen sollte. Anstatt zu sagen: “Lasst euch impfen oder nicht“, zu sagen: “Hier sind die Daten. Das ist die Ausgangslage. Es sind weniger schwere Verläufe, das ist richtig. Aber dennoch gibt es Konstellationen, wo eine Impfung sinnvoll ist.“

Und wir haben gelernt, dass die Impfung wenig Nebenwirkungen hat, vor allem auch bei den Kindern und Jugendlichen. Dass man natürlich gucken muss, dass man diese ganze Frage, wie viel Nebenwirkungsrisiko hat man, dass man das nicht unterschätzt. Aber da gibt es ja den Bericht vom PEI, die Meldung der möglichen Nebenwirkungen, dass man dann trotzdem sagt: Generell kann man sehr wohl sagen, dass die Impfung in den seltensten Fällen einen Effekt hat, den man nicht möchte. Und wenn man eine Konstellation hat, wo man sich trotzdem überlegt, dass es sinnvoll sein könnte, ein Kind zu impfen, weil es selber eben die Konstellation hat oder in der Familienkonstellation ist, kann man das eben machen.

Und diese Möglichkeit, dass die Leute selber verstehen, wie sie sich ihr individuelles Risiko und diese Risiko-Nutzen-Einschätzung erarbeiten können, wäre für mich was, was mir ganz wichtig wäre. Weil dann können die Eltern und die Kinder auch mittragen, warum sie sich so oder so entscheiden. Und dann können sie auch sagen: Ich habe gute Gründe, warum ich mein Kind impfen lassen möchte. Weil wir der Ansicht sind, dass es in dieser Konstellation sinnvoll ist. Und weil man sieht, dass die Impfung sehr gut bei den Kindern wirkt. Die haben ja sehr gute Antikörper. Das haben wir hier auch gemessen mit einer Kooperation mit unserer Kinderklinik, dass tatsächlich auch die Antikörper und auch die T-Zellen gerade bei den Kindern sehr gut ansprechen, wenn die geimpft werden.

Hennig: Sie haben eben schon das Sicherheitsprofil angesprochen. Mein letzter Stand war, dass es ein gewisses Myokarditis-Risiko gibt, insbesondere bei Jungen nach Beginn der Pubertät. Also ein erhöhtes Risiko für eine Herzmuskelentzündung nach der Impfung. Aber, das muss man immer dazusagen, nach der Infektion auch, da auch ein bisschen höher. Wie ist es bei jüngeren Kindern, da ist nach wie vor nichts Relevantes aufgetaucht in großer Zahl, oder?

Falk: Wenn man sich diesen Bericht des Paul-Ehrlich-Instituts, wo die Verdachtsfälle ja gemeldet werden, ansieht, das sind wirklich sehr seltene Ereignisse. Und diese Herzmuskelentzündungen, das war ja tatsächlich etwas, wo man sehr genau hingeguckt hat, weltweit. In Israel tauchte das ja zum ersten Mal auf, dass es da Fälle gab, wo man den Eindruck hat, es ist höher, als es sonst wäre.

Durch die nicht mehr ganz so hohe Zahl von Menschen, die gleichzeitig geimpft werden, kann man jetzt sehen, wie sich das Risiko tatsächlich darstellt. Man kann es jetzt anders abschätzen als in der Phase, wo wir sehr viele Impfungen von sehr vielen Menschen in kurzen Zeiträumen haben. Wo man sieht, dass auch die seltensten Ereignisse eintreten. Jetzt hat man wieder eine Situation, wo man sagen kann, es ist sehr selten. Dadurch ist das individuelle Risiko gering und die Häufung ist dann eben nicht mehr in dieser zeitlichen Nähe. Diese spontanen Meldungen bei den Nebenwirkungen in diesem Bericht sind auf der Seite zwei sehr schön dargestellt und da sieht man, dass es wirklich sehr selten ist. Und dass man dann auch, wenn man den Eindruck hat, es ist eine Nebenwirkung, mit den Kinderärzten sehr gut dagegen vorgehen kann, weil das ja eine Entzündung ist, die sich quasi über die Impfung Richtung Herz bewegt hat. So was kann man sehr gut einfangen, indem man zum Beispiel eben Steroide gibt, wo man das Immunsystem einmal kurz dämpft, damit es da nicht aus dem Ruder läuft. Das heißt, man kann das Risiko noch mal sehr gut reduzieren, wenn man aufmerksam ist. Indem man eben versucht, genau festzustellen, wenn da was ist, was sich irgendwie komisch anfühlt, dass man das auch tatsächlich rechtzeitig behandeln kann.

Hennig: Bei der Einschätzungsfrage, lasse ich jetzt mein Kind tatsächlich noch mal impfen oder überhaupt impfen, weil es jetzt erst ins Impfalter kommt, da hatten Sie angesprochen: Ein Kind lebt im Umfeld von jemandem, der ein erhöhtes Risiko hat. Würden Sie auch da sagen, es wäre gut, wenn das in der Verantwortung der Eltern liegt, gemeinsam mit Kinderarzt, Kinderärztin zu besprechen. Wir sind vielleicht ziemlich eng mit den Großeltern, die sind über 80 und haben jetzt aber kein COPD oder einen schweren Diabetes, sondern sind einfach Risikogruppe, weil sie älter sind. Würden Sie auch da sagen: Ja, das kann man vielleicht gemeinsam so besprechen, dass man sagt, das ergibt da auch Sinn?

Empowerment beim Impfen

Falk: Generell wäre es für mich wünschenswert, wenn die Leute mit den Ärztinnen und Ärzten selber entscheiden und sagen: Das ist die Konstellation, die Kinder sind so und so alt, die Konstellation ist mit den Großeltern oder einem Familienmitglied, das eine Erkrankung hat, wo man das Risiko reduzieren möchte, dass man sich noch mal infiziert oder die Person infiziert. Transplantierte wäre so der Klassiker in der Konstellation. Dass man sich selbst noch mal überlegt: Wie stehen wir als Familie da in unserem Umfeld? Und um dann zu überlegen, ergibt es Sinn? Das gilt für die Kinder, weil dann kann man sich gut überlegen, gibt es Gründe dafür zu impfen zum Beispiel? Und bei den Erwachsenen ist es so, dass man eben auch sagen kann, ab 60 Jahren gibt es ja die Empfehlung mit den angepassten Impfstoffen. Die kann man auf jeden Fall wahrnehmen.

Und dann kann man auch noch mal zusätzlich sagen: Gibt es denn auch da in dem Umfeld Krebspatienten und -patientinnen oder Transplantierte, Leute mit Immunsuppression? Und auch da ist es dann noch mal für diesen Personenkreis durchaus eben nach der Empfehlung überlegenswert, diesen angepassten Impfstoff, den es ja jetzt nun gibt, tatsächlich auch wahrzunehmen, damit man ein bisschen mehr Schutz aufbaut bei den Leuten, die es eben nicht so von alleine können, weil ihr Immunsystem ein bisschen angeschlagen ist. Und diese Selbsteinschätzung wäre mir ein ganz wichtiger Punkt, weil ich gerne möchte, dass die Leute wieder entscheiden können.

Weil ich glaube, dass man auch gesellschaftlich solche Dinge sehr viel besser mittragen kann, als wenn einem von außen gesagt wird: Du musst dies oder jenes tun. Das wollen wir ja gerade nicht, sondern die Leute ermächtigen – das klingt so blöd, Empowerment ist das englische Wort. Also wir wollen wirklich die Möglichkeit geben, selbst zu entscheiden, warum man das tut, dann trägt man das auch besser mit.

Hennig: Das setzt aber auch voraus, dass die Kinderärzte und -ärztinnen und auch die Hausärzte gemeinsam mit den Patienten sagen: Ich sage nicht, die Stiko empfiehlt nicht, ich möchte das eigentlich deshalb nicht machen.

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Viele Fragezeichen um einen Kopf. © picture alliance Foto: Sergey Nivens

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Arzt und Patient entscheiden gemeinsam

Falk: Ich glaube schon, dass auch die Hausärzte und -ärztinnen gemerkt haben, dass dieser Umgang nicht so ganz einfach ist. Und dass diese Kommunikation mit den Patientinnen und Patienten ein wichtiger Aspekt ist, um die Entscheidungsfindung gemeinsam zu treffen.

Das können vor allem die Ärztinnen und Ärzte sowieso, die dieses "shared decision making", wie man das Neuhochdeutsch ausdrückt, also diese gemeinsame Entscheidungsfindung, eh schon praktizieren. Das sind vor allem Onkologinnen und Onkologen, wo es auch ganz wichtig ist, die Patientinnen und Patienten halt mitzunehmen. Und wenn wir das auf die Situation übertragen -auch in dieser Impffrage oder auch in der Frage, wie man sich generell zu Impfen oder auch zu Infektionskrankheiten verhält, dann gewinnt man möglicherweise auch wieder Vertrauen zurück, was so ein bisschen angeschlagen wurde durch diese Verhärtung der Fronten. Vielleicht kann man das dadurch wieder aufweichen und wieder zu einer Kommunikation kommen, die den Leuten individuell hilft. Das wäre mir auch ein großes Anliegen.

Kombination von Corona- und Influenza-Impfung

Hennig: Es ist ja auch ein großes Thema für die Influenza-Impfung, wo es ja auch nur eine Impfempfehlung für Ältere gibt, aber mittlerweile weiß ich auch von Kinderärzten, die sagen: Eigentlich rate ich meinen Patienten, wenn sie das mögen, eher dazu.

Falk: Und es gibt noch die Stiko-Empfehlung, das zu kombinieren, Corona und Influenza.

Hennig: Wobei das eine Frage des Zeitpunkts ist, oder? Wenn man jetzt guckt, im Moment kursiert noch nicht so richtig viel Influenza. Und viele Ärzte sagen: Mit Influenza sollte man vielleicht ein bisschen warten, damit über den Winter der Schutz tatsächlich länger vorhält.

Falk: Auch das ist wieder genauso. Je präziser man austarieren möchte, desto mehr Faktoren muss man dann wieder reinnehmen, da kommt die Zeitschiene dazu. Aber auch da ist es so, das immunologische Gedächtnis ist schon länger anhaltend. Also das ist jetzt nicht in ein paar Tagen oder in drei Monaten komplett weg. Es geht mit der Zeit runter, das ist richtig. Aber wenn es mal als Gedächtnis aufgebaut wurde, hält es schon über Monate. Und es ist eben nicht weg, sondern es fährt seine Aktivität runter, ist aber dann bereit, sofort wieder anzuspringen, wenn der Feind und der Eindringling vor der Nase und dem Rachen sitzt. Dann kann es sofort losfetzen. Was übrigens auch ein Teil der Symptome auslösen kann, weil wenn man das Immunsystem immer auf Gefechtsstärke hochfährt, dann spürt man halt auch, wenn es dann das tut, was man möchte, nämlich Abwehrkräfte mobilisieren. Und das merkt man dann halt auch mit geschwollenen Lymphknoten. Und dann hat man eben auch mal Gliederschmerzen und einen kurzen Fieber-Schub. Das kommt, weil das Immunsystem voll auf Aktion ausgerichtet ist und das spürt man auch.

Schleimhaut-Immunität und Hybridimmunität

Hennig: Sie haben jetzt eben schon den Übertragungsschutz angesprochen. Also in dieser großen Frage, habe ich in meinem Umfeld Risikopatienten, denen ich durch meine Impfung vielleicht auch mithelfen möchte, was ja auch tatsächlich ein Motiv bei Kindern wie bei jüngeren Erwachsenen sein kann. Kann man denn überhaupt schon abschätzen, wie groß dieser Übertragungsschutz sein kann, gerade auch bei dem neuen, angepassten Impfstoff?

Falk: Das ist eben das, was sehr schwer zu vermitteln ist, weil wir wissen, dass, wenn wir in den Arm impfen, eine sehr gute systemische Immunität erreichen, also im Blut nachweisbare Antikörper und T-Zellen. Die sitzen dann auch in den Lymphknoten. Da haben wir eine sehr gute Immunaktivität und die hält auch lange an. Wie viel davon aus der systemischen, also aus dem zirkulierenden Blut, in den Nasen-Rachenraum kommt, das ist sehr individuell.

Es gibt Leute, die machen eine sehr gute sogenannte mukosale, also Schleimhaut-Immunität. Und es gibt Leute, da ist es nicht so toll. Meine ist auch nicht so toll. Und dann ist man eben nicht so geschützt davor, sich wieder anzustecken, aber kriegt dann den Schutz über diese systemische Immunität. Und dadurch, dass das sehr individuell ist, kann man das schlecht in Prozente fassen. Wie viel Prozent der Bevölkerung stecken sich nicht mehr an? Das kann kein Mensch sagen, weil das sehr individuell ist. Es gibt Leute, die sich quasi kaum anstecken, und es gibt Leute, die sich jetzt schon wieder Corona eingefangen haben. Da muss man sagen: Das entscheidet euer Immunsystem leider sehr individuell, das können wir nicht so gut beeinflussen. Was wir aber wissen, ist, wenn man sich über den Nasen-Rachenraum angesteckt hat, hat man ja quasi das richtige Compartment schon auf den Plan gerufen.

Diese Hybridimmunität, die Sie angesprochen haben, die entsteht natürlich besonders im Nasen-Rachenraum, wenn man sich angesteckt hatte. Jetzt muss man sich nicht mit Absicht anstecken, nur damit die mukosale Immunität irgendwie wieder top ist. Aber das ist das, was eben passiert. Also Menschen, das haben wir auch gemessen. Wir sind alle geimpft und haben so eine kleine Impfkohorte. Und wenn man sich angesteckt hat, merkt man, das kann man auch messen, dass diese mukosale Immunität neu dazukommt, on top. Dass auch die Virusvarianten noch mal neue Antikörper dazu generieren. Das heißt, es wird immer noch ein bisschen spezifischer für Omikron und Varianten. Aber es hält ja nicht so lange an wie die Immunität im Blut. Das Immunsystem agiert eben auch lokal, deswegen kann man nicht generell sagen, wie viel kollektive mukosale Immunität haben wir? Ich würde mir nicht zutrauen, zu sagen, wie viel das ist. Aber es ist ein Teil dieser kollektiven Immunität, die wir haben. Die trägt natürlich dazu bei, dass das Virus sich nicht so ganz ausbreiten kann, aber ein bisschen schafft es ja doch.

Hennig: Wir sprechen immer bei der Impfung vom Schutz vor schwerem Verlauf, und schwerer Verlauf ist ja klinisch, sage ich mal, was ganz anderes als das, was man vielleicht laienhaft darunter versteht. Ein schwerer Verlauf ist noch nicht, wenn ich ein paar Tage flachliege, mich wirklich sehr schlecht fühle und Fieber habe, aber nicht Atemnot oder weit entfernt von einer Hospitalisierung bin. Hilft möglicherweise so ein Booster? Kann man darauf auch generell für den Verlauf hoffen? Oder ist das dann nur die letzte Barriere?

Falk: Ideal wäre es, wenn die Abwehrfunktion im Nasen-Rachenraum mit den Antikörpern, die da direkt vor Ort sitzen, das sind sozusagen die Abfangjäger, wenn die da vorne im Nasen-Rachenraum sitzen. Dann wäre die ideale Situation, dass das Virus in den Nasen-Rachenraum reinfliegt, aber es kommt gar nicht in die Zelle rein, weil vorher die Antikörper das Ding abfangen und verhindern, dass es in die Zelle kommt. Also den Schlüssel verkleben und dann kommt es gar nicht mehr in die Zelle rein. Und das Virus prallt richtig ab und kann sich gar nicht erst im Nasen-Rachenraum ausbreiten. Das wäre die Idealvorstellung. Das kann man schon erreichen.

Es gibt auch Leute, die haben sich noch gar nicht angesteckt, obwohl die sich nicht anders verhalten als wir alle. Die haben wahrscheinlich genau diese Abfangjäger in ausreichender Menge immer noch vorliegen. Und es gibt ja viele Leute, die noch gar nicht infiziert waren. Und dann ist die nächste Stufe sozusagen, wenn die Viren doch durchschlüpfen können, dann nehmen die den Nasen-Rachenraum in Beschlag und können da die Zellen infizieren. Und dann kommen lokal diese T-Zellen zum Einsatz. Wenn die schon ausreichend vorbereitet sind, dann können die diese lokale Ausbreitung im Nasen-Rachenraum auch sehr gut einfangen. Dafür sind sie da. Die machen dann ein paar Zellen kaputt, das ist leider der Effekt, den Killerzellen so an sich haben. Da gehen dann auch ein paar Zellen kaputt, die regenerieren aber wieder.

Das ist die zweite Abwehrlinie. Und das haben wir ziemlich gut erreicht. Es immer wieder aufzufrischen, ist gar nicht zwingend notwendig, weil die Immungesunden mit drei Impfungen und Infektion, da ist sozusagen ausreichend Abwehrtruppe vor Ort, um wirklich den Abfangjägern zur Seite zu stehen, wenn doch ein paar Viren infizieren sollten. Das sind dann diese typischen Erkältungssymptome die man ein, zwei Tage hat und dann ist gut. Und dann diese schweren Verläufe, das ist eher etwas, was sich dann entwickelt, weil diese beiden Abwehrfronten nicht so gut funktionieren und das Virus sich doch weiter in die Lunge vorarbeiten kann und dann wieder eine schwerere Lungenentzündung entsteht.

Und da hat es meistens dann Zusatzrisikofaktoren, die das begünstigen. Zum Beispiel eben, wenn das Immunsystem nicht so gut arbeiten kann, oder Medikamente genommen werden müssen, die verhindern, dass es so agiert, dass das Virus sofort abgefangen wird. Das sind so die Konstellationen, wo man gerne verhindern möchte, dass es da noch mal zu schweren Verläufen kommt. Auch hier, die Transplantierten sind mir natürlich besonders wichtig, weil die haben ja durch ihre Medikamente wirklich ein nicht so gut funktionierendes Immunsystem, damit ihr Organ nicht abgestoßen wird. Und für die ist es besonders wichtig, dass man das Umfeld auch mit schützt.

Schwangere - Impfstatus mit dem Arzt besprechen

Hennig: Das heißt, die aktuelle Stiko-Empfehlung ist kein "nice to have", sondern ist wirklich noch mal ganz relevant für bestimmte Gruppen. Wir haben jetzt öfter immungesund gesagt.

Es gibt aber auch eine Gruppe von Menschen, die sind immungesund und haben trotzdem ein erhöhtes Risiko grundsätzlich für viele Dinge, nämlich Schwangere. Die Stiko empfiehlt denen ja auch auf jeden Fall eine Dreifach-Impfung, aber jetzt keinen neuen Booster. Wie ist da der Erkenntnisstand? Was weiß man darüber, wie gut Schwangere geschützt sind? Die schützen ja auch ihre neugeborenen Kinder noch mal mit Antikörpern.

Falk: Da ist es auf jeden Fall so, die Schwangerschaft ist immunologisch ein total spannender Zustand, weil ja da durch den Fötus und durch die väterlichen Anteile quasi körperfremde Anteile in diesem mütterlichen Körper sind, und das Immunsystem das auch merkt und natürlich verhindert wird, dass da dieses entwickelnde Leben abgestoßen wird. Immunologisch ist das total spannend, weil das ein aktiver Prozess ist, und das ist eben nicht selbstverständlich. Und das ist für uns Immunologen wirklich auch eine ganz spannende Konstellation. Und in dieser Situation ist es auch so, dass man sagt, wenn schon idealerweise vor der Schwangerschaft die Frauen dreimal geimpft sind, dann haben die ja auch diesen guten Immunschutz. Und das ist auch richtig, die haben dann ja auch Antikörper. Und diese Antikörper schützen natürlich dann auch das sich entwickelnde Embryo und das sich entwickelnde Leben, den Fötus.

Ob man da jetzt unbedingt noch mal draufimpfen muss, da gibt es eben keine Studien, die diese Risiko-Nutzen-Abwägung jetzt noch mal eindeutig in Richtung, man müsste da unbedingt draufimpfen, entwickeln. Und die Stiko hat ja wirklich sehr hohe Standards an die Empfehlungen. Wenn es die Studienlage nicht gibt, die eindeutig noch mal eine Nutzen-Risiko-Abwägung in dieser Richtung zeigen, dann ist es tatsächlich so, wie die Empfehlung auch steht. Das heißt nicht, dass man das nicht machen soll. Es ist wieder ähnlich wie bei den Kindern. Es gibt keine Studie, die zeigt, dass es absolut notwendig ist. Und dann ist es auch wieder so, wenn die schwangere Frau sich überlegt: Wann wurde ich geimpft? Habe ich mich irgendwann zwischendurch angesteckt? Wie weit ist die Schwangerschaft fortgeschritten? Möchte ich mich jetzt sozusagen idealerweise nicht anstecken? Das ist immer eine gute Idee.

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Virensymbole fliegen um die Silhouette einer Person. (Bildmontage) © picture alliance Foto: lamianuovasupermail, stevanovicigor

Coronavirus-Update: Die häufigsten Hörerfragen

In unserem Podcast mit Christian Drosten und Sandra Ciesek beantworten wir Ihre Fragen zum Coronavirus. In dieser Übersicht sehen Sie, in welchen Folgen Sie die Antworten zu den häufigsten Hörerfragen finden. mehr

In München - muss ich jetzt auf die Wiesn gehen? Weiß ich nicht. Also selber auch ein bisschen zu überlegen, wie gehe ich mit meiner Schwangerschaft um, was ja eh die meisten Frauen tun und auch gut betreut werden. Dann kann man sich auch überlegen: Brauche ich jetzt unbedingt eine Impfung oder kann ich auch selber ein bisschen dafür sorgen, dass ich das Risiko, mich anzustecken, wenn die Zahlen steigen, reduziere? Und im Moment sind die Zahlen ja auch nicht so hoch, also muss man keine Angst haben. Und in dieser Situation, ähnlich wie bei den Kindern, ergibt es, glaube ich, einfach Sinn, es mit den Ärztinnen und Ärzten zu besprechen: Wie weit ist die individuelle Situation? Wo arbeitet man, wie viel? Wie ist es so in dem Umfeld? Und sich dann zu überlegen, ergibt es unter Umständen doch Sinn bei bestimmten Konstellationen? Oder braucht es das jetzt nicht? Und auch da wieder die Entscheidung gemeinsam zu treffen, wie man damit umgeht, wäre mir ein wichtiges Anliegen.

Monovalenter Booster schlagkräftiger?

Hennig : Was den angepassten Impfstoff angeht, da gibt es ja auch die berühmten Neutralisationsdaten auch für neuere Varianten, auf die Sie am Anfang auch angespielt haben. Was aber auch anders ist bei diesem Booster, anders als im letzten Jahr: Es ist ein monovalenter Booster, also kein bivalenter Impfstoff. Damals hatte man eine neuere, eine Omikron-Variante mit reingenommen, und noch den alten Wildtyp. Und der Wildtyp, weil er jetzt eigentlich nicht mehr vorkommt, wird rausgelassen. Ist es richtig, dass man eigentlich davon ausgehen kann, dass so ein monovalenter Booster vielleicht noch mal ein bisschen schlagkräftiger sein kann, weil sich eben mehr mRNA rein auf Omikron konzentriert?

Falk: Also diese Frage, monovalent oder bivalent: Am Anfang in dieser Übergangsphase war die Idee, dass man gegen die Schlüssel, den Wildtyp-Schlüssel sozusagen und den Omikron-Schlüssel, gegen beide Schlüsselvarianten noch mal Antikörper durch den Booster verstärkt und auch ein Stück weit verbessert. Das Immunsystem kann sich verbessern.

Das ist ziemlich genial, dass es wirklich noch mal passgenauere Antikörper basteln kann, aus denen, die schon da sind, die feilt es dann noch mal passgenauer an. Da war die Entscheidung, dass man eben auch aus den Studien, zum Teil Tierexperimente zeigen konnte, dass das was bringt. Inzwischen ist es ja wirklich so, die Omikron-Familie ist die, die sich weltweit durchgesetzt hat. Wieder: Möge es dabei bleiben, damit da nicht noch was anderes hochkommt. Und da ist es so, dass diese Veränderungen ja nicht den ganzen Schlüssel und nicht den ganzen Bart betreffen, sondern das sind wirklich so kleine Stellen, die man da jetzt hat. Das heißt, mit dem Angepassten holt man trotzdem noch mal die Gedächtnisantwort hervor gegen die anderen Bereiche. Das heißt, es ist nicht so, dass man jetzt nur das Omikron-Spezifische auslöst, wenn man mit einem angepassten Impfstoff impft. Sondern man hat ja den ganzen Schlüssel, den Stiel und den Griff, der ist ja auch im Impfstoff dabei. Und diese Antikörper werden auch noch mal in ihrer Gedächtnisfunktion hervorgezaubert. Die kommen dann auch noch mal zum Einsatz und werden noch mal aktiviert.

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Computer-Illustration eines Coronavirus © imago images/MiS

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Also hat man mit dem angepassten Impfstoff die neuen Sequenzen, mit der Idee, doch noch stärker angepasste, neue dazu zu bringen. Aber die anderen, die vorher schon da waren, kriegt man ja auch noch mal geboostert. Also ergibt es durchaus auch Sinn, nur den Angepassten zu haben, weil die Unterschiede nicht so riesengroß sind.

Mehr Gedächtniszellen im Alter

Hennig: Ich würde gerne einmal auf die Infektion und was darauf folgt zu sprechen kommen. Das wirft ja immer wieder viele Fragen auf. Man sieht es in den sozialen Medien. Wenn das Virus nun da ist und bleibt, endemisch ist, Sie haben es angesprochen, dann können wir natürlich trotzdem noch versuchen, uns in bestimmten Situationen selbst gegen die Ansteckung zu schützen. Aber im Prinzip nehmen wir als immungesunde Menschen ja in Kauf, dass wir uns immer mal wieder infizieren wie mit anderen Erkältungsviren auch.

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Grafische Darstellung eines Coronavirus © COLOURBOX Foto: Volodymyr Horbovyy

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Es kursiert immer wieder der Begriff der Alterung des Immunsystems durch eine Coronainfektion. Das ist ja besonders für Ungeimpfte, also noch mal Stichwort Kinder, möglicherweise von erhöhter Relevanz. Können Sie erklären, was mit dem Begriff gemeint ist?

Falk: Mit dem Altern des Immunsystems ist die Beobachtung gemeint: Je älter wir werden, desto mehr Infektionserkrankungen haben wir ja in unserem Leben durchgemacht. Als Kinder wachsen wir mit einem sich entwickelnden Immunsystem auf. Wir nennen die Zellen naiv, die haben einfach noch kein Antigen gesehen. Das Immunsystem wird ja auf Vorrat aus dem Knochenmark aufgebaut. Und dann haben wir vorbereitete Zellen, die sind naiv, die haben noch kein Antigen gesehen, sind aber schon da. Und für den Fall, dass sie passend sind für ein spezielles Pathogen, also für einen Eindringling, können sie dann ganz speziell reagieren. Das sind dann hochspezialisierten Einzelkämpfer, die dann im Immunsystem aktiv sind. Das ist so genial, dass das Immunsystem ganz genau erkennen kann: Wer ist der Eindringling und wie bekämpfe ich den?

Und im Normalfall funktioniert das ja auch und wir merken das gar nicht. Das Immunsystem arbeitet kostenlos für uns, immer, ohne dass wir es merken. Und je älter wir werden, desto mehr von diesen naiven Zellen haben als Antigen was gesehen. In dieser Aktivität, die sie dann entfalten, entwickeln sie sich zu Gedächtniszellen. Die sind extrem wertvoll, weil die sind ja auch der Impfeffekt. Darauf bauen wir ja mit der Impfung auf, egal, welche Impfung. Und für den Fall, dass genau dieses Antigen noch mal kommt, dann schon aktiv und vorbereitet sind, damit nicht erst von null angefangen werden muss quasi. Und je mehr Impfungen und Infektionen man in seinem Leben erlebt, desto mehr Zellen haben sich von naive in Gedächtniszellen umgewandelt.

Das heißt die naiven werden mit dem Älterwerden weniger und die Gedächtniszellen werden mehr. Da kann man fast so eine Art immunologisches Alter im Blut bestimmen. Da sind wir alle immer ein bisschen jünger als der Pass. Aber im Prinzip kann man schon sagen, das Alter spielt da eine Rolle. Was wir schon gesehen haben in den vielen Studien, die weltweit gemacht wurden, diese frühe Phase der Corona-Pandemie mit den Ungeimpften, die sich angesteckt haben, da hat das Immunsystem richtig zu arbeiten gehabt, um mit dieser Virusinfektion klarzukommen. Da hat das Immunsystem echt gekämpft. Das kann man sehr gut messen, das sind Tausende Publikationen. Wir haben das auch gemessen. Warum das Virus das Immunsystem so wahnsinnig stimuliert hat, ist unklar. Wahrscheinlich, weil es wirklich sehr fremd war, und auch von der Fledermaus übergesprungen ist. Man merkt, dass es ein fremdes und neues Virus ist. Wahrscheinlich. Aber dieser Kampf, der hat sich eben darin ausgedrückt, dass viele Zellen sich aus naiven in Gedächtniszellen entwickelt haben. Dadurch hat man schon gemerkt, dass man diesen Kampf messen kann.

Das heißt aber nicht, dass generell das Immunsystem jetzt gealtert ist, sondern es zeigt, dass da eine echte Auseinandersetzung mit dem Virus stattgefunden hat. Und bei jungen Menschen erholt sich das Immunsystem ja auch wieder, weil neue Zellen aus dem Knochenmark gebildet werden. Gerade Kinder können ihren Pool an naiven Zellen wieder neu aufbauen. Je älter man wird, desto weniger passiert das. Und auch deshalb hat man da einen Unterschied bei älteren Personen. Da ist das Knochenmark eben nicht mehr so aktiv und kann nicht mehr so viele neue Zellen herstellen. Auch das ist ein Effekt des Alterns. Aber jetzt generell zu sagen, alle, die infiziert sind, altern vor, so kann man das nicht ausdrücken.

Hennig: Also kann man auch nicht sagen, das Coronavirus würde sich da noch mal anders als andere Viren verhalten und zu schnell dafür sorgen, dass sich dann zum Beispiel Gedächtniszellen zu stark spezialisieren und für andere Viren nicht mehr empfänglich wären, gerade bei Kindern?

Falk: Generell gibt es keine Daten, die darauf hinweisen, dass man das so formulieren sollte. Aber die Messungen, die wir gemacht haben, zeigen einen Riesenunterschied, ob die Menschen sich infiziert haben und ungeimpft waren oder ob eben nach der Impfung so eine Infektion stattfindet, weil die Impfung halt auch verhindert, dass da so wahnsinnig viele Zellen neu aktiv werden müssen, weil wir ja so viele haben, die Spike erkennen, und die schon sehr viel abfangen. Und deswegen ist die Immunantwort grundsätzlich natürlich eine ganz andere, ob man geimpft ist, dann ist das nämlich nur gegen Spike, oder ob man sich ansteckt. Da sind ja noch 30 andere Proteine, wo man dann noch mal mehr Aktion auslöst. Und je geimpfter man ist, desto weniger müssen die anderen aktiv werden, weil man das eben vorher abfangen kann. Dieses Verhindern des schweren Verlaufes hat eben diese immunologische Komponente, deswegen würde ich das so generell auf gar keinen Fall sagen. Aber trotzdem, die Auseinandersetzung mit dem Virus, wenn man nicht geimpft ist, ist schon eine substanzielle. Das konnte man sehr gut messen.

Hennig: Das heißt, als Sie von der frühen Phase der Pandemie sprachen, wo man das besonders extrem sehen konnte, wie das Immunsystem da zu kämpfen hatte, dann ist der entscheidendere Unterschied die Impfung? Oder kommen die Varianten da schon auch noch mal dazu, die sich ja jetzt verändert haben?

Falk: Der starke Einfluss der Impfung, den kann man sehr gut sehen, weil einfach in Studien gezeigt wurde, aber auch in der generellen Bevölkerungssituation, wie gut die Impfung tatsächlich auch trägt und verhindert, dass es wirklich schwere Verläufe gibt. Das ist ja sowohl epidemiologisch als auch immunologisch sehr gut belegt.

Dann kommt dazu, dass Omikron nicht so eine hohe Krankheitslast wie Delta zum Beispiel hat. Delta war aggressiver. Das haben auch die Kliniken deutlich gesehen an den Zahlen an Patienten, die da wirklich schwerere Erkrankungen und Lungenentzündungen hatten. Und diese beiden Dinge kommen dann zusammen. Und wie stark welcher Effekt ist, da würde ich jetzt keine Studie kennen, die das so genau herausarbeitet. Aber diese beiden Dinge arbeiten zusammen für uns als Gesellschaft sozusagen, dass wir eben jetzt eine tragende Immunität haben, die uns generell ganz gut schützt und zusätzlich ein Virus, das sich nicht durch wahnsinnige Aggressivität auszeichnet. Und auch hier wieder: Möge es bitte so bleiben.

Höheres Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen?

Hennig: Es gibt ja aber auch noch andere Folgen beziehungsweise Risiken, die es nach einer Corona-Infektion geben kann. Da gab es zum Beispiel eine große Studie an Veteranen des US-Militärs, die ich in Erinnerung habe, die in "Nature Medicine" erschienen ist.

Die hat gezeigt, dass es dort ein deutlich erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, also Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, Herzinfarkt, Schlaganfall, nach einer Corona-Infektion gab. Gibt es da ein spezielles Risikoprofil oder gilt so ein erhöhtes Risiko unabhängig und auch unabhängig von den üblichen Risikofaktoren für bestimmte Gruppen?

Falk: Dazu gab es unterschiedliche Studien. Auch da ist es wieder so, dass es sehr schwer ist, individuell für jeden Menschen zu sagen, wie hoch jetzt das Risiko für einen selbst wäre. Wichtig ist wieder, zu betonen, das waren die Studien, bevor es die Impfung gab. Das heißt, das ist jetzt eine völlig andere Situation. Das ist mir ganz wichtig zu sagen, wir haben jetzt in Deutschland eine gut immunisiert Bevölkerungslage. Wenn man sich jetzt infiziert, hat man eben nicht mehr die gleiche Risikosituation im Vergleich zu der Phase, als es noch keine Impfung gab. Und diese alten Studien aus den Zeiten, bevor es die Impfung gab, die haben tatsächlich gezeigt - unter anderem auch wir - , dass es schon auch eine Komponente gab, wo das Herz-Kreislauf-System durch diesen Kampf des Immunsystems in Mitleidenschaft gezogen wurde. Auch das ist wieder ein sehr individuelles Geschehen. Aber es gab eben die Klassiker, die Herz Kreislauf-Probleme haben, das ist ja normalerweise Übergewicht, kardiovaskuläre Risikofaktoren, unter anderem auch das Rauchen und andere Dinge, die dann eher eine Herz-Kreislauf-Erkrankung möglicherweise mit beeinflussen könnten. Das waren auch die Faktoren, die dann auch im Zuge einer Infektion dazu geführt haben, dass da ein höheres Risiko war, dass tatsächlich auch das Herz-Kreislauf-Risiko mehr war.

Es gab auch gut untersuchte Fälle, wo man gesehen hat, dass die Gefäße in Mitleidenschaft gezogen wurden und dass vor allem die ganz feinen Gefäße nicht mehr so durchlässig waren, quasi ein bisschen verstopft, könnte man fast sagen. Was auch eine Folge der Virusinfektion war, die zum Teil auch diese ganze Blutgerinnung mit beeinträchtigt hat. Und dieses alles vor der Impfung. Und daher kamen auch diese Studien durchaus zu einer Bewertung, dass gerade für Herz-Kreislauf-Erkrankungen nach so einer Infektion möglicherweise ein höheres Risiko besteht, vor allem, wenn man grundsätzlich höhere Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen hat. Das hat viel mit Fettstoffwechsel und ähnlichen Dingen zu tun. Auch da ist es so, nach der Impfung ist es so, dass sich das etwas ausgeglichen hat, weil die Impfung eben verhindert, dass das Virus so viel Ärger macht. Und sich im Nachgang dann auch nicht mehr so viele Grunderkrankungen durchschlagen und dann noch zusätzliche Risikofaktoren für Herz-Kreislauf-Erkrankungen darstellen, wenngleich das nicht ganz ausgeschlossen ist. Aber auch da puffert die Impfung sozusagen diese Nebeneffekte etwas ab.

Hennig: Das ist aber etwas, was man von anderen Virusinfektionen auch kennt. Wenn man eine Influenza-Impfung hat, dann senkt man damit das Risiko.

Falk: Genau. Dem Immunsystem ist es quasi egal, was für ein Eindringling da ist, die Mechanismen sind ja fast immer sehr ähnlich und richten sich immer nur spezifisch gegen den Feind. Aber was da passiert, ist ja vom Prinzip her sehr ähnlich, deswegen kann so was auch in anderen Infektionserkrankungen mit entstehen, deswegen hat man auch diese Effekte bei anderen Infekten.

Mehrfach-Infektionen und Risiko für Long Covid und Post Covid

Hennig: Ein weiterer Punkt, der sich hartnäckig hält, eine offene Frage für viele, ist: Was bedeuten eigentlich Mehrfach-Infektionen für das Risiko für Long beziehungsweise Post Covid? Da hält sich hartnäckig das Gerücht: Mit jeder Infektion steigt das Risiko, also gewissermaßen kumulativ. Was ist dazu zu sagen? Und spielt da auch die Impfung wieder eine Rolle?

Falk: Es gibt unterschiedliche Studien dazu. Es gibt zum Beispiel eine ganz hilfreiche Auswertung der AOK in Niedersachsen. Die haben sich die Fälle angeguckt, die als Long Covid gemeldet wurden von den Ärztinnen und auch aus den Krankenhäusern, und zwar bei den Personen, die arbeitsunfähig waren aufgrund der Long-Covid-Erkrankung. Und am Anfang, bevor es die Impfung gab, waren es ungefähr diese zehn Prozent, die man hatte. Die kursieren ja auch immer noch. Das war aber wieder die Phase vor der Impfung. Das waren dann aber Menschen, die sich innerhalb von drei Monaten, vier Monaten zumindest so weit wieder aufgerappelt haben und wieder einigermaßen fit waren, dass sie wieder arbeiten konnten. Ich würde nicht sagen, dass sie gesund waren, weil die Krankenkassen können ja nicht sagen, wie gesund die Leute sind. Aber sie arbeiten dann wieder. Und man kann an diesen Krankenkassen-Daten in Niedersachsen ganz gut verfolgen: Als die Impfung kam, waren das prozentual weniger, die dann krank gemeldet wurden. Es gibt so eine Definition für Long Covid, mit der das gemeldet wird. Und dann wurde es noch weniger, als Impfung und Omikron zusammenkamen.

Auch da würde man sagen, Impfungen plus Omikron haben das Risiko gesenkt, dass man nach einer Infektion dann an Long Covid erkrankt, was nicht heißt, dass es gar nicht mehr vorkommt. Aber es ist deutlich weniger. Und wir hatten gestern so eine Long Covid-Konferenz hier über unser COFONI, Coronaforschungsnetzwerk Niedersachsen an der MHH. Da hat wieder Dr. Peter von der AOK Niedersachsen erwähnt, dass ihre Auswertungen durchaus diesen Effekt zeigen. Und dass nur wenige, also unter einem Prozent, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, wirklich Langzeitfolgen haben und nicht arbeitsfähig sind. Da sprechen wir von mehr als sechs Monaten. Und um die muss man sich wirklich auch kümmern, weil das auch Menschen sind, wo möglicherweise verschiedene Dinge zusammenkommen, die Long Covid ausmachen. Aber das Gros der Menschen, die Long Covid haben, die brauchen durchaus Betreuung, die muss man ernst nehmen. Und sollte versuchen, rauszufinden, was verursacht diesen Zustand, dass man sich so wahnsinnig schlapp fühlt? Und das ist ja furchtbar, wenn man das Gefühl hat, man kommt gar nicht mehr auf die Beine. Versuchen, herauszufinden, wie man den Leuten helfen kann, um sie möglichst schnell wieder auf diesen aufsteigenden Ast zu bringen. Und auch zu sehen, ob man wirklich medikamentös was machen muss. Das ist ja ein großes Forschungsfeld, weil es eben nicht klar ist, dass man jetzt mit einem Medikament den Zustand sehr schnell verbessern kann. Deswegen brauchen wir die Forschung. Aber die Fälle sind zum Glück wenige. Aber um die muss man sich wirklich kümmern und den Leuten vor allem auch Strukturen geben, wo sie sich hinwenden können, damit die sich nicht so alleine gelassen fühlen.

Risikoprofil Long Covid: mehr Frauen als Männer

Hennig: Hat sich das Risikoprofil für die wenigen sehr schweren Fälle denn eigentlich verändert? Eine Zeit lang hieß es ja, es sind vor allen Dingen ältere Frauen, also mittelältere sage ich mal, die man da sieht. Aber Tobias Welte, ein Pneumologe bei Ihnen an der MHH, hat mir gesagt, zumindest so anekdotisch, dass er vermehrt auch viele jüngere Frauen in der Ambulanz sieht.

Falk: Genau. Es gibt verschiedene Gruppen, die man dann sieht. Die Ambulanz hat ja hier mehrere 100 Patientinnen und Patienten untersucht. Wir haben auch einen Teil immunologisch untersucht mit der Ambulanz von Herrn Welte und den Kolleginnen und Kollegen zusammen. Und da sieht man schon, es sind mehr Frauen als Männer.

Und das Alter, tatsächlich so zwischen 35 und 55 sind viele, also gar nicht so die ältere Gruppe, sondern durchaus so das Mittelalte will ich das jetzt nennen, bei Alter muss man immer ein bisschen vorsichtig sein. Aber diese Gruppe in den besten Jahren. Und da sieht man tatsächlich, dass es häufiger schon auch Frauen sind. Und dann macht es durchaus einen Unterschied, ob die Personen vorher mal im Krankenhaus waren wegen Covid, also wieder aus der frühen Phase herauskamen, die haben wir uns genauer angeguckt. Da sieht man, dass sich diese Immunverschiebung durch die Infektion, die ohne Impfung ziemlich heftig war, durchaus länger erhält. Oder waren es Personen, die nur leicht erkrankt waren und trotzdem Long Covid haben? Da sind möglicherweise andere Mechanismen am Werk.

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Eine Frau sitzt erschöpft auf einem Sofa © Colourbox Foto: Aleksandr

Corona-Podcast: Post Covid - noch immer eine Blackbox

Das Langzeitfolgen-Risiko ist mit Omikron gesunken. Die Versorgung bleibe ein Problem, sagt eine Neuroimmunologin im Coronavirus-Update. mehr

Deswegen ist diese Gruppierung gar nicht so einfach. Aber es ist wichtig, dass alle Leute sich Gedanken darüber machen: Wann geimpft? Wann haben sie sich angesteckt? Wann sind die Symptome aufgetaucht? Damit man versucht, das ein bisschen in einen zeitlichen Zusammenhang zu bringen, um zu verstehen, wo kommt denn das her? Ist das Immunsystem verantwortlich? Das kann so sein, muss aber vielleicht nicht so sein. Und deswegen war gestern auch ganz klar das Plädoyer: Wir brauchen bessere diagnostische Herangehensweisen, um die Patienten besser einschätzen zu können, weil das Bild ja sehr breit ist. Und vor allem die Menschen mit Fatigue, das ist ja sehr schwer zu greifen. Man kann das messen, da gibt es Fragebögen, die diesen Fatigue-Score anzeigen. Aber was dahintersteckt, ist nicht so leicht herauszufinden. Dafür brauchen wir eben die Forschung, weil es ja sehr unbefriedigend ist für die Leute, wenn man sagen kann: “Ja, Sie haben so einen Fatigue-Zustand, aber wir können Ihnen nicht genau sagen, wie man den therapeutisch angehen würde.“ Und da muss man tatsächlich daran forschen. In der Tat ist es so, dass die Leute bis jetzt ja nicht so sehr im Vordergrund standen. Jetzt haben die mehr Aufmerksamkeit, weil es durch Corona dazu kommt. Und das hilft auch der Forschung an dieser Stelle.

Fehlende Studien zu Mehrfach-Infektionen und Langzeitfolgen

Hennig: Wenn wir jetzt aber mal an die Zahlen denken, die Sie da zum Beispiel auch gerade von der AOK Niedersachsen genannt haben, und noch mal zurückgekommen auf meine Frage am Anfang, dass man die Befürchtung hat, mit jeder Infektion steige das Risiko für Long oder Post Covid – das kann man daraus nicht ablesen, oder?

Falk: Es gibt keine Studien dazu, wo man das wirklich gut belegen könnte. Es ist aber schon so, wenn man jetzt zumindest mal die Situation in Niedersachsen betrachtet: Da sind es wirklich die Leute, die sich arbeitsunfähig gemeldet haben, wo dann wirklich von der Medizin-Seite her die Meldung war, das ist Long Covid …

Hennig: Die schweren Fälle.

Falk: Genau. Da ist es tatsächlich so, das steigt jetzt nicht an dadurch, dass wir jetzt mehrere Infektionsrunden haben. Die meisten von uns sind ja schon ein- bis zweimal geimpft und dann noch mal infiziert. Das ist generell nicht so, es heißt aber auch wiederum da nicht, dass es nicht im Einzelfall mal passieren kann. Aber es ist kein genereller Effekt. Zumindest würden die Daten aus der AOK, und es gibt auch andere Krankenkassen, die das jetzt auswerten, das nicht unbedingt so argumentieren.

Trotzdem ist es so, wir würden aus der immunologischen Perspektive immer sagen: Dadurch, dass das Risiko nicht null ist, ist es immer schlauer, sich nicht unbedingt ein paarmal hintereinander anzustecken. Aber wenn dem so wäre, ist es nicht zwingend so, dass man dann irgendwann auf jeden Fall Long Covid entwickelt. So ist es halt auch nicht. Aber so ganz null ist das Risiko nicht. Deswegen würde man schon sagen, sich nicht permanent anzustecken wäre die bessere Variante, weil man auch da dann auf der sicheren Seite wäre.

Langzeitfolgen auch bei anderen Viruserkrankungen

Hennig: Long Covid ist ja ein weites Feld. Sie haben das auch schon angesprochen. Da sind eben ganz viele verschiedene Symptome. Und es geht ganz maßgeblich natürlich, wenn dann, vor allen Dingen um die richtig schweren und langandauernden Fälle.

Trotzdem, es geht so ein bisschen unter, dass es solche Langzeitfolgen eben auch bei anderen Virusinfektionen gibt. Bei EBV, Pfeiffersches Drüsenfieber, haben das viele vielleicht sogar im Kopf, aber bei Influenza zum Beispiel erlebe ich es immer wieder, dass mir Menschen sagen: “Was? Das habe ich gar nicht gewusst, dass es das da auch geben kann.“ Glauben Sie trotzdem, dass das noch mal ein spezielles Corona-Problem bleibt? Oder pendelt sich das irgendwann ein, dass das eben dieses Phänomen ist, was wir bei anderen Viren auch kennen?

Falk: Das haben wir viel diskutiert, vor allem mit den Kolleginnen, die sich schon lange mit dem Chronic Fatigue-Syndrom beschäftigen, Carmen Scheibenbogen in Berlin und Uta Behrens für die Jugendlichen in München. Und wir waren uns einig, dass wir jetzt dieses Momentum gerne nutzen wollten, um zu versuchen, rauszufinden, was das ist. Denn Sie haben recht, Epstein-Barr-Virus, Pfeiffersches Drüsenfieber, kann nämlich dazu führen, dass dieses Chronic Fatigue-Syndrom sich da entwickelt. Das ist etwas, woran Uta Behrens schon lange forscht. Da kann das Immunsystem über so eine Art chronische Entzündungsreaktion mit beteiligt sein.

Und in der Tat ist es eben immer ein bisschen untergegangen, weil diese Fälle nicht so häufig sind. Und sie hat ja auch im DZIF-Projekt, also Deutsches Zentrum für Infektionsforschung, eine schöne Kohorte aufgebaut, um das mit EBV assoziierte ME/CFS zu untersuchen. Dann würde man da vielleicht einen Anhaltspunkt finden, was ist das mit EBV? Es ist ja auch ein Virus, infiziert die B-Zellen, ist ein großes Virus, kann ziemlich Ärger machen. Da ist schon die Wahrscheinlichkeit, dass das Immunsystem da mitspielt, relativ hoch. Und das ist etwas, da würde man wirklich versuchen, rauszufinden, was läuft da schief? Und bei Corona ist es so, dadurch, dass wir hier eine große Infektionswelle hatten, waren eben auch hier wieder viele Menschen in einem kurzen Zeitraum mit dieser Infektion konfrontiert.

Dadurch häufen sich diese Fälle über einen kurzen Zeitraum. Wenn man so was über zehn Jahre strecken würde, wäre das an sich wieder selten. Aber durch die zeitliche Nähe der Infektionskette von vielen Menschen wird das wieder häufiger, dadurch hat man gesehen, dass auch da auf diese Long Covid-Symptomatik früh schon von den Patienten aufmerksam gemacht wurde. "Hier ist was, wir kommen überhaupt nicht mehr auf die Beine." Im Moment würden wir eher sagen, das ist ein Post-Infektionsgeschehen, was da passiert, also nicht speziell für Corona, sondern kann auch bei anderen Viren passieren.

Und das ist gerade das Forschungsziel, herauszufinden, ob die Mechanismen vergleichbar sind. Meine Hypothese, ohne es beweisen zu können, wäre, das ist so, dass das Immunsystem da möglicherweise chronische Entzündungen macht. Oder, was ich befürchte und was man testen sollte, ist, dass da Autoantikörper entstehen, also Antikörper, die eigentlich die körpereigenen Strukturen erkennen, die sollten wir eigentlich gar nicht haben. Wenn aber da das Immunsystem aus Versehen quasi Antikörper macht, die den Körper selbst erkennen, können diese Antikörper ziemlich Ärger machen. Und da gibt es auch welche, die die Nervenfunktionen beeinflussen oder auch andere Körperfunktionen beeinflussen. Und das ist etwas, was man durchaus abklopfen kann und auch sollte, dass man guckt: Kann man Autoantikörper nachweisen? Wenn nicht, ist es immer ein gutes Zeichen, dann sind es die schon mal nicht.

Man würde vielleicht auch versuchen, so eine Art Ausschlussdiagnostik zu machen, um zu sagen: Haben wir eine chronische Entzündung? Wenn nicht, ist es schon mal ein guter Start. Haben wir Autoantikörper? Wenn nicht, ist auch das ein gutes Zeichen. Um solche Dinge auch auszuschließen. Um zu sagen: An den üblichen Verdächtigen ist sozusagen nichts, was da aus dem Ruder gelaufen ist. Das wäre auch schon mal eine gute Nachricht für alle, die sich fragen: Läuft da was in meinem Körper, was man irgendwie nicht nachweisen kann? So ein paar Dinge kann man schon messen. Und wenn man die ausschließen kann, ist es immer gut.

Gibt es eine Überschätzung der Long-Covid-Zahlen?

Hennig: Es gab kürzlich einen Beitrag, eine Analyse würde ich es nennen, von Forschenden aus Kalifornien, London und Odense in Dänemark, die vielen Studien zu Long Covid methodische Mängel vorgeworfen hat, also fehlende Kontrollgruppen. Oder, dass die Vergleichsgruppen nicht genau genug adjustiert wurden, dass es Verzerrungen in der Datenauswahl gab.

Und die diagnostizieren damit, dass es eine deutliche Überschätzung der Long Covid-Zahlen gegeben habe. Sie haben jetzt schon gesagt, es hat sich natürlich auch was verändert in der pandemischen Situation mit Impfung, mit den Varianten. Aber wenn Sie das mal gesellschaftlich betrachten, haben die einen Punkt? Ist da was dran, dass wir jetzt vielleicht nicht in der Schwere für den einzelnen Patienten, die einzelne Patientin, sondern in dieser Gesamtwahrnehmung das Problem ein bisschen überschätzen?

Falk: Diese Arbeit legt den Finger absolut in die Wunde. Das ist aber ein fast unlösbares Problem. Wir haben nämlich keine Vergleichsgruppe mehr, weil Ungeimpfte, die nichts hatten und auch nicht infiziert sind, gibt es kaum noch. Und wenn, würden die wahrscheinlich eher nicht an Studien teilnehmen. Und diese nicht vorhandenen Vergleichsgruppen, das ist ein Riesenthema in dieser ganzen Pandemie, weil wir jetzt tatsächlich nicht mehr rückwirkend zurückgehen können. Und deswegen ist es in der Tat so, auch hier, alles, was wir untersuchen… Wir haben Patientinnen und Patienten, die sich bei Herrn Welte und den Kolleginnen und Kollegen in der Ambulanz vorstellen. Wir haben aber keine, die infiziert waren und jetzt keine Long-Covid-Symptome haben, weil die haben wir nicht rekrutiert, weil es ist eh schon so, dass man versucht, allen zu helfen, die sagen, sie haben Long-Covid-Symptome, selbst die können nicht alle aufgenommen werden.

Also ist das methodische Thema ein riesengroßes. Wir wissen das auch alle, dass wir sehr damit zu kämpfen haben, gute Kontrollen zu haben für das, was wir messen, wo wir Veränderungen sehen. Diese nicht gute Kontrolle der verschiedenen Studiengruppen ist etwas, das ist leider so, weil uns das Leben überholt hat. Studienplanung prospektiv würde heißen, man macht vorher einen Plan und dann hat man das Ereignis, und wir sind mitten in diesem Ereignis und wir versuchen die Studien so zu machen, dass man trotzdem was daraus ablesen kann. Also das ist vollkommen richtig. Methodisch muss man extrem aufpassen, wie man interpretiert. Gar keine Frage. Trotzdem sieht man ja so ein paar Effekte. Und kann versuchen, sich anhand der Studienlage mit aller Vorsicht trotzdem ein paar Gedanken zu machen, wie die Situation ist.

Und wie gesagt, diese anfangs zehn Prozent waren eben Ungeimpfte mit einem Alpha- oder Wildtypvirus, das relativ aggressiv war. Und die Situation ist jetzt deutlich anders. Man kann ja dann eben auch versuchen, Krankenkassenauswertungen und Studien gemeinsam zu bewerten und zu sagen: Es sind wenige Fälle, sicher deutlich weniger als diese zehn Prozent am Anfang. Und deswegen überschätzt. Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, dass man die Leute nicht ernst nimmt, die wirklich Long Covid haben. Gestern war ein junges Mädchen da, mit 16 Jahren die Long Covid hatte. Wenn Sie deren Geschichte hören: Eine Leistungssportlerin, die auf einmal keinen Leistungssport mehr machen kann, in der Schule abfällt, ein Jahr lang fast nicht mehr so an dem Leben teilnehmen konnte und sich jetzt zurückkämpft. Denen muss man unbedingt helfen, damit dieses Mädel wieder so fit wird, wie sie mal war.

Und diese Fälle gibt es, deswegen müsste man versuchen, die wirklich rauszufiltern von den vielen, die vielleicht eine leichtere Symptomatik haben, dass wir die, die ganz dringend Hilfe brauchen, dass wir das besser steuern. Da gibt es auch Ansätze von der AOK mit den Ärzten, Hausärztinnen und Hausärztin zusammen, ein bisschen besser zu steuern, damit man die, die wirklich diese schweren Geschichten haben, besser versorgen kann und die anderen vielleicht nicht unbedingt über Hochschulambulanzen, aber auch über Hausärztinnen und Hausärzte besser betreuen kann. Das heißt nicht, dass die keine Hilfe brauchen, aber dass man das ein bisschen nach Schweregrad steuern kann. Das ist nicht so einfach, aber ein bisschen wäre das die Idee. Deswegen ist der Umgang mit den Leuten ganz wichtig, dass man sie ernst nimmt und nicht sagt: Die fühlen sich halt nicht. Es gibt Leute, die haben da ein echtes Problem, und da sollten wir versuchen, ihnen zu helfen.

Hennig: Ein ganz ähnliches Thema, Frau Falk, würde ich gerne zum Ende jetzt noch mal ansprechen. Auch beim Stichwort Überschätzung. Quantitativ vielleicht, aber nicht qualitativ. In der Berichterstattung hat viele von uns Journalisten das Thema Impfschäden beschäftigt, Post Vac, haben Sie vorhin schon angesprochen. Mein Eindruck ist, es gibt da schon eine Dissonanz zwischen der Menge der Berichte über vermeintliche oder auch bestätigte Impfschäden durch Covid-Impfung und den Zahlen des Paul-Ehrlich-Instituts. Und wenn man international guckt, dann scheint das da keine so große Rolle zu spielen wie in Deutschland. Wie lässt sich das erklären?

Impfschäden - bei den Fakten bleiben

Falk: Ich glaube, auch da hat es viel mit der Kommunikation zu tun. Wenn man den Bericht sieht, dann auch da wieder: Es gibt diese Fälle, wo wir immunologisch auch sagen würden, unter Umständen war das eine Situation, wo durch die Impfung dieses Spike-Protein gemacht wurde und die Antikörper, die ich vorhin beschrieben habe, erkennen aus Versehen körpereigene Strukturen.

Ich bin so ein großer Kausalist. Ich versuche immer, kausale Zusammenhänge herzustellen. Wenn man solche Antikörper, und es gibt wenige Fälle, da ist es auch nachgewiesen, dass solche Antikörper entstanden sind, das sind diese ganz wenigen Fälle, wo man auch einen kausalen Zusammenhang zeigen konnte, dann ist das die immunologische Verbindung. Und wenn man sich dann noch infiziert, dann können solche Antikörper natürlich durch die Infektion noch mal aktiviert werden. Deswegen ist ganz wichtig, immer rauszufinden, waren die Leute auch infiziert? Wurde das dann schlechter und solche Dinge. Also die Anamnese ist da total wichtig. Und ich glaube, dass die Kommunikation da an der Stelle, dass diese balancierte Kommunikation sehr wichtig ist: Es gibt solche Fälle, die sind selten und um die muss man sich kümmern. Und dann ist immer eine Frage, was daraus gemacht wird und wie das dann breiter kommuniziert wird.

Das ist etwas, da habe ich schon den Eindruck, dass es hier möglicherweise dann eine andere Eigendynamik entwickelt, wo dann auch wieder die Grundskepsis, die aus manchen Kreisen kommt gegen die Impfung, solche Fälle nimmt, um das dann noch mal als Argument zu nehmen, dass man sich nicht impfen lassen sollte, sodass das immer fast schon eine gesellschaftspolitische Seite bekommt. Und da halte ich mich sowieso grundsätzlich raus und würde immer versuchen, bei den Fakten und bei den nachvollziehbaren Dingen zu bleiben. Aber diese Dynamik können wir natürlich nicht ganz verhindern. Aber wir können immer darauf hinweisen, dass wir nie gesagt haben, dass es gar keine Nebenwirkungen gibt.

Das ist mir ganz wichtig. Sondern dass immer klar war, dass es ein geringes Risiko ist. Und wenn, sollte man versuchen, das zu messen, dann versuchen, in eine zeitliche Nähe zur Impfung zu bringen. Weil es ist nicht so, dass man vor einem Jahr geimpft wurde und jetzt kommt irgendwas hoch. Das hat dann mit der Impfung nichts mehr zu tun. Sondern das sind Prozesse, die sich da aufgebaut haben, die man dann versuchen sollte, zu fassen zu kriegen.

Dieser Autoantikörper ist was, was man messen kann. Und dass man diesen Leuten hilft. Und dass man versucht, zu kommunizieren, dass man das angehen muss. Dass aber diese Frage, wie viel Leute dann das Gefühl haben, sie haben Post Vac, da weiß ich auch, dass die Hotline der AOK in Niedersachsen im Moment auch ziemlich angenommen wird, sagen wir mal so, dass man versuchen sollte, das noch mal abzufragen schon vorneweg: Wann waren denn Ihre Symptome? Wann war die Impfung? Um mit den Leuten zusammen nochmal drüber nachzudenken: Kann das sein? Oder ist es nicht doch was anderes? Wieder selber ein bisschen Entscheidungsgewalt zurückzugeben über ihren eigenen Zustand. Und sich dann aber um die zu kümmern, wo man wirklich sieht, da ist was, und da muss man auch was tun.

Hennig: Und in diesen Fällen, wo da was ist und man auch was tun muss. Sie haben jetzt einen Kausalitätsmechanismus angesprochen, das ist aber nicht der einzig denkbare, oder? Autoantikörper - da gibt es schon auch noch Forschungsbedarf. Um zu gucken, was kann da überhaupt passiert sein?

Falk: Das ist auf jeden Fall so. Aber wenn man sich immunologisch überlegt, was könnte es denn sein? Was man mit der Impfung gemacht hat, ist, man hat RNA oder Vektor … Vektor war ja dann relativ schnell erledigt.

Hennig: AstraZeneca.

Falk: Genau. Und wir hatten ja wirklich dann die mRNA-Impfstoffe, da kommt die mRNA und dann wird das Protein gebastelt, das Spike. Also kann es hauptsächlich was mit dem Spike zu tun haben, weil die RNA wird abgebaut. Oder mit dieser Entzündung.

Diese Co-Stimulation, wie wir es nennen. Das Immunsystem braucht ja ein bisschen so einen Kick, damit es anfängt, Antikörper zu machen. Das war mit dem Impfstoff mit dabei, aber mehr ist ja da nicht drin. Und was soll das dann sonst noch an Reaktion sein, außer, dass es eben Antikörper gegen das Spike sind? Weil was anderes kann fast nicht passieren, außer den Herzmuskelentzündungen, wo sich diese Entzündungsreaktion Richtung Herz bewegt hat. Das waren die seltenen Fälle, wo man gesagt hat, da hat sich die Entzündung offensichtlich so ein bisschen ausgedehnt. Aber mehr kann ja nicht passieren, weil mehr ist mit der Impfung nicht passiert. Und wenn das Immunsystem immer noch aktiv ist, kann man so was messen, über lösliche Botenstoffe im Blut zum Beispiel. Wenn die nicht nachweisbar sind, dann ist da auch keine chronische Entzündung.

Über aktivierte T-Zellen, die noch aktiviert sind. Dann kann man das auch nicht als generellen Mechanismus angeben, sondern könnte das messen. Und diese Dinge sind eben sehr selten. Und wenn, kann man so was messen. Aber es kreist eigentlich schon hauptsächlich um das Spike und um die Frage der Entzündung, weil was anderes ist ja nicht passiert.

Hennig: Ein Impfschaden ist ja ein sehr seltenes Phänomen, aber durchaus kein neues. Also wenn man jetzt mal draufguckt von dem, was wir wissen, was Impfungen generell angeht, bewegt sich das bei den Covid-Impfstoffen in der Größenordnung, wie es bei anderen Impfstoffen auch passieren kann?

Falk: Das ist das, was man nach den Zahlen im Moment so sagen kann. Ja.

Hennig: Mich hat kürzlich die Frage erreicht, warum bei dem angepassten Impfstoff, der jetzt geimpft wird als neuer Booster, sich eigentlich keine neuen Sicherheitsfragen stellen. Warum man eigentlich davon ausgeht, dass hier keine bisher nicht beobachteten Nebenwirkungen auftreten können. Können Sie das einmal kurz für Laien erklären?

Falk: Da könnte man den Schlüssel wieder nehmen, weil der Schlüssel ist so identisch mit dem Ursprungsimpfstoff, dass sich da nur dieser Minianteil oben an dem Bart verändert hat mit den angepassten Impfstoffen. Der Rest ist tatsächlich die identische Sequenz, die identische Produktion, die identische Verabreichung mit diesen kleinen Nanopartikeln, die so wie Fett-Tröpfchen sind, damit die RNA in die Zelle kommt. Und diese Dinge haben sich nicht verändert, sondern es ist nur ein Teil dieser Sequenz, es ist also kein neuer Impfstoff, sondern der Bart wurde noch mal angepasst von unserem Schlüssel. Und der Rest von dem Schlüssel ist so geblieben.

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Hennig: Frau Falk, abschließend eine Frage, in der ich noch mal einen Ausblick wagen möchte beim Thema Impfen. Wenn wir jetzt wissen, dass die Stiko gut überlegt sagt, bevölkerungsweit ist keine Auffrischimpfung nötig, sondern eben nur für Risikogruppen. Wir wissen ja aber, dass es bei anderen Impfungen durchaus alle paar Jahre sinnvoll erscheint, weil wir eben auch gelernt haben, dass eine Immunantwort nachlassen kann im Laufe der Zeit. Sie haben uns das noch mal erklärt, wie es sich mit der zellulären Immunantwort bei der Covid-Impfung verhält, die gegen schwere Verläufe hilft. Aber muss man nicht davon ausgehen, dass die auch nicht ewig standhält? Also ist es vielleicht denkbar, auch wenn das Virus irgendwann mal weniger zirkulieren sollte und wir uns vielleicht nicht mehr ganz so oft reinfizieren, dass irgendwann wieder eine Impfung für alle nötig wird?

Falk: Ich kann nicht in die Glaskugel der Zukunft blicken und sagen, wie sich das Virus vielleicht doch noch mal verändert. Das heißt, es hat eine Komponente, wie sich das Virus möglicherweise entwickelt. Das können wir nicht ganz ausschließen. Im Moment ist es stabil. Toi, toi, toi! Aber das wäre so eine Möglichkeit, wo man tatsächlich noch mal anders denken müsste. Aber im Moment sieht es nicht danach aus.

Und das andere ist, wir wissen nicht, weil wir die Langzeitdaten noch nicht haben, wie das in zwei, drei Jahren mit der Immunität aussieht. Man wird nicht ganz bei null starten, weil das Gedächtnis ist schon da, aber fast bei null. Das wäre dann vielleicht auch noch mal eine Situation. Aber auch da, was wir brauchen, ist, wie für die anderen Atemwegsinfektionen auch, ein Überwachungssystem, also diese Surveillance, die haben wir ja mit Praxen und Kliniken, die einsenden. Dann weiß man, wenn die Leute krank sind, welches Virus war das? Und das immer auf dem Radar zu haben, das passiert sowieso. Um zu sehen: Kommt dann noch mal ein verändertes Virus mit mehr schweren Fällen? Im Prinzip so, wie wir es jetzt machen. Und dieses Kontinuierliche, da muss ich sagen, die Bürgerinnen und Bürger müssen sich damit nicht beschäftigen. Das macht das RKI. Und das macht sozusagen das Gesundheitssystem, dass das immer mit auf dem Radar hat, wie es aussieht. Und wenn dann da was käme, könnte man sich schon durchaus vorstellen, dass sich die Lage ändert. Aber im Moment gibt es dazu keine Hinweise.

Aber wie die Lage in fünf Jahren sein wird, hat was mit dem Virus und mit unserer Gesellschaft zu tun. Aber wenn es so bliebe, ganz vorsichtig formuliert, würden wir dann hoffentlich einen Zustand erreichen, wo man, wenn man sich was einfängt, eine Erkältung hat, sich dann vielleicht fragt, ob das Corona gewesen sein könnte. Aber es ist nicht mehr die entscheidende Frage. Und man dann eben idealerweise nach einer Woche wieder total fit ist und sich denkt: Okay, das Immunsystem hat wieder seinen Job gemacht. Jetzt habe ich wieder mehr Immunschutz und ich stecke mich nicht mit allem an, was so zirkuliert. Und dass wir wirklich so einfach feststellen, wir haben ein zusätzliches respiratorisches Virus, muss uns aber nicht unbedingt ganz viel Kopfzerbrechen machen. Das wäre meine Hoffnung. Und im Moment sieht es, ganz vorsichtig, ein bisschen danach aus. Und es wäre gut, wenn es so bliebe.

Link-Sammlung aller erwähnten Studien in Folge 118

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