Mehrere Hundert Windkraftanlagen sind in Nord- und Ostsee in den letzten Jahren gebaut worden.
Experten sind sich sicher: Die Zukunft der Stromerzeugung liegt auf dem Meer. Denn die Windverhältnisse rund um Offshore-Windparks sind deutlich besser als an Land. Windenergieanlagen (WEA) können dort fast doppelt so viel Strom erzeugen. Die (zuletzt immer wieder nach unten korrigierten) Ziele der Bundesregierung sehen vor, dass im Jahr 2030 die deutschen Offshore-Windanlagen 15 Gigawatt Strom erzeugen und damit rein rechnerisch die Jahresleistung von rund zwölf Atomkraftwerken ersetzen.
Problematisch ist nach wie vor, wie der Strom von der Küste bis in die Regionen transportiert werden kann, wo er gebraucht wird. Derzeit sind mehrere Trassen in Planung. Viele Anwohner haben vor allem gegen die überirdischen Hochspannungsleitungen Bedenken. Erdkabel sind aber deutlich teurer, sodass die einzelnen Trassen mehrere Milliarden Euro kosten und wohl nicht vor Mitte der 2020er-Jahre in Betrieb gehen werden.
Immer mehr Anlagen, immer mehr Strom
Die Windparks in der Nordsee erzeugten 2017 knapp 16 Terawattstunden Strom und damit 47 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Dazu kommen noch einmal rund 1,5 Terawattstunden aus der Ostsee, sodass die gesamte Windernte rund 17,5 Terawattstunden betrug, wie der Netzbetreiber Tennet mitteilte.
Ende Juni 2018 waren nach Angaben von Deutsche WindGuard 1.169 Anlagen in 18 Windparks am Netz - 997 in der Nordsee und 172 in der Ostsee. Zusammen verfügen sie über eine Leistung von knapp 5.400 Megawatt. Zum Vergleich: Die verbliebenen deutschen Atomkraftwerke leisten im Schnitt gut 1.400 Megawatt. Den Angaben des Bundesverbandes WindEnergie zufolge beschäftigt die Branche 27.200 Menschen im Bereich Offshore (Stand 2016).
Die deutschen Offshore-Anlagen in der Nordsee
45 Kilometer vor Borkum geht im April 2010 der erste deutsche Offshore-Windpark "alpha ventus" in Betrieb. Die 250 Millionen Euro teure Anlage ist als Testfeld der großen Energieunternehmen E.ON, Vattenfall und EWE konzipiert, steht in 30 Meter tiefem Wasser und besteht aus zwölf Turbinen mit einer Leistung von je fünf Megawatt, insgesamt also 60 Megawatt. Die einzelnen Komponenten der Anlage wurden zumeist an Land vormontiert: Inklusive Rotor sind die Windkraftwerke rund 143 Meter hoch.
Der Windpark "Amrumbank West" in der Nordsee ist seit Oktober 2015 am Netz und liefert Strom. Er liegt rund 40 Kilometer nördlich von Helgoland, besteht aus 80 Anlagen und kann etwa 300.000 Haushalte mit Strom versorgen. Der Betreiber E.ON investierte rund eine Milliarde Euro in die Anlage, die über eine Leistung von insgesamt 288 Megawatt verfügt.
Im September 2013 gehen die 80 Windkraftanlagen des Parks "BARD Offshore 1" erstmals komplett ans Netz. Der seit 2009 errichtete Windpark befindet sich rund 100 Kilometer nordwestlich von Borkum. Das erste kommerzielle Windkraftprojekt in der deutschen Nordsee ist mit drei Milliarden Euro Investitionskosten deutlich teurer als geplant. Die Anlagen können eine Gesamtleistung von 400 Megawatt erzeugen - jedoch führte eine Pannenserie 2014 dazu, dass kein Strom geliefert werden kann und viele Anlagen immer wieder abgestellt werden müssen. Erst im Oktober 2015 konnte der Windpark wieder komplett im Regelbetrieb arbeiten.
Der Windpark "Riffgat" liegt etwa 15 Kilometer nordwestlich der Insel Borkum. Seine Leistung wird von den Betreibern EWE und Enova mit 108 Megawatt angegeben. Der Start der aus 30 Windrädern bestehenden Anlage hatte sich immer wieder verzögert - nach einer rund 14-monatigen Bauzeit bereitete vor allem der Netzanschluss Probleme. Die Verlegung des Seekabels verzögerte sich unter anderem, weil auf dem Meeresgrund Munition gefunden worden war. Zwar findet die Einweihung des Windparks schon im August 2013 statt, doch erst Mitte Februar 2014 kann der Anschluss an das Stromnetz vermeldet werden. Wegen eines Defektes an der Stromleitung musste der Windpark von November 2015 bis Mai 2016 zwischenzeitlich vom Netz genommen werden.
Etwa 23 Kilometer nördlich von Helgoland produziert der Offshore-Park "Meerwind" seit Ende 2014 mit 80 Windrädern Strom. Seine Spitzenleistung liegt bei 288 Megawatt. Nach Angaben der Betreiber ist der Windpark der erste rein privat finanzierte Hochsee-Windpark in Deutschland. Sein Bau hat rund 1,2 Milliarden Euro gekostet.
Der erste Teil des ca. 38 Kilometer nördlich der gleichnamigen Insel liegenden Windparks "Borkum Riffgrund" besteht aus 78 Turbinen. Er wurde im Oktober 2015 als "Riffgrund 1" von Prinz Joachim zu Dänemark offiziell in Betrieb genommen und ist der erste dänische Windpark, der in Deutschland gebaut wurde. Mit einer Gesamtleistung von 312 Megawatt kann er rund 320.000 deutsche Haushalte pro Jahr mit umweltfreundlichem Strom versorgen. Der Betreiber Dong Energy plant bereits seine Erweiterung: Der zweite Teil ("Riffgrund 2") enthält 56 weitere Windkraftanlagen auf einem benachbarten Baufeld und soll 2019 fertiggestellt werden.
Obwohl "DanTysk" frei übersetzt "DänischDeutsch" heißt, ist der Park ein deutsch-schwedisches Gemeinschaftsprojekt: Verantwortlich für Finanzierung und Planung der 80 Windkraftanlagen sind die Stadtwerke München und der schwedische Energieriese Vattenfall. Die Eröffnung fand im April 2015 statt. 200 Kilometer Seekabel transportieren den Strom vom etwa 70 Kilometer westlich von Sylt gelegenen Windpark bis zum Festland.
Der Windpark "Nordsee Ost" wurde im Mai 2015 in Betrieb genommen. Er steht etwa 35 Kilometer nordwestlich von Helgoland. Mit einer Spitzenleistung von 295 Megawatt können die insgesamt 48 Windkrafträder etwa 320.000 Haushalte mit Strom versorgen. Betreiber ist der Energiekonzern RWE, die Investitionssumme liegt bei rund einer Milliarde Euro.
Der Windpark "Global Tech 1" befindet sich mehr als 140 Kilometer vor Emden und liegt damit außerhalb des Nationalparks Wattenmeer und auch außerhalb der Zwölf-Meilen-Zone. Die 80 Anlagen des Windparks entstehen zwischen 2012 und 2015, im September 2015 wird er eingeweiht. Rein rechnerisch können 445.000 Haushalte mit dem dort produzierten Windstrom versorgt werden. An der Anlage mit einem Investitionsvolumen von 1,8 Milliarden Euro sind die Stadtwerke München, die Darmstädter Entega AG, die Schweizer Axpo International S.A. und weitere Gesellschafter beteiligt.
Der Windpark "Butendiek" wird bereits im Jahr 2002 genehmigt, ein Jahr nach dem Testfeld "alpha ventus". Trotzdem wird die letzte der 80 Windkraftanlagen erst im Juni 2015 nach rund 15 Monaten Bauzeit etwa 30 Kilometer westlich der Insel Sylt errichtet. Mittlerweile ist der komplette Windpark in Betrieb. Insgesamt wurde eine Gesamtleistung von 288 Megawatt installiert. Ursprünglich als "Bürgerwindpark" konzipiert, ist heute die Bremer Gesellschaft WPD Betreiber der Anlagen, für die rund 1,3 Milliarden Euro investiert wurden.
Der "Trianel Windpark Borkum" ist im Juli 2015 vor der gleichnamigen Insel ans Netz gegangen - zumindest die Hälfte der geplanten 80 Anlagen. Die Einweihung des zweiten Abschnitts ist für 2019 geplant. Die Anlage soll dann eine Gesamtleistung von rund 400 Megawatt haben und wäre damit einer der leistungsfähigsten deutschen Offshore-Parks.
Der größte Windpark Deutschlands, bestehend aus den beiden Teilen Gode Wind 1 und 2, ist im Juni 2017 offiziell eingeweiht worden. Er liegt rund 45 Kilometer vor der ostfriesischen Küste. Verantwortlich für den Betrieb und die Wartung ist der dänische Konzern Dong Energy. Mit einer Gesamtkapazität von 582 Megawatt könnte er jährlich rund 600.000 Haushalte mit grünem Strom versorgen.
Der Windpark "Sandbank" hat im Juli 2017 offiziell seinen Betrieb aufgenommen und ist das zweite gemeinsame Projekt von Vattenfall und den Stadtwerken München. Er liegt rund 90 Kilometer westlich von Sylt und hat laut Vattenfall rund 1,2 Milliarden Euro gekostet. Die 72 Vier-Megawatt-Turbinen liefern zusammen bis zu 288 Megawatt Strom.
Seit Ende 2017 laufen die 54 Senvion-Turbinen mit einer Leistung von jeweils sechs Megawatt des Windparks Nordsee One im Regelbetrieb. Die Gesamtkapazität liegt bei 332 Megawatt. Der Windpark liegt etwa 35 Kilometer nördlich der Insel Juist. Eigentümer sind der kanadische Energieversorger Northland Power und die RWE-Abspaltung Innogy.
Der Windpark Veja Mate liegt gut 130 Kilometer nördlich der niederländischen Stadt Eemshaven in deutschen Gewässern. Hier laufen 67 Windräder mit jeweils 6,2 Megawatt Leistung mit einer Gesamtkapazität von 402 Megawatt.
Die deutschen Offshore-Anlagen in der Ostsee
In der Ostsee nahm "Baltic 1" als erster kommerzieller Offshore-Windpark im Mai 2011 den Betrieb auf. Die Anlage ging nach einem Jahr Bauzeit mit einer Gesamtleistung von 48,3 Megawatt ans Netz. Die 21 Windkraftanlagen des Betreibers EnBW stehen rund 16 Kilometer vor Zingst und liefern Strom für rund 50.000 Haushalte.
Mit dem Bau des zweiten Ostsee-Windparks "Baltic 2" wurde 2012 begonnen. Die letzte der 80 Anlagen wurde im Juni 2015 rund 30 Kilometer nördlich der Insel Rügen errichtet. Ein erster Probebetrieb wird wenig später erfolgreich durchgeführt. Im September 2015 geht der Windpark schließlich ans Netz - mit einer Leistung von 288 Megawatt. Auch "Baltic 2" wird von der EnBW AG betrieben.
Der Windpark "Wikinger" wurde Ende Oktober 2017 fertiggestellt und ging ein Jahr später in Betrieb. Er befindet sich zwischen der Insel Rügen und Bornholm. Er besteht aus 70 riesigen Windrädern, jedes ist 165 Meter hoch. Eine Leistung von 350 Megawatt ist im Idealbetrieb möglich. Das entspricht rund einem Fünftel des gesamten Stromverbrauchs in Mecklenburg-Vorpommern.
Offshore-Anlagen deutlich teurer
Die Errichtung von Offshore-Anlagen wird durch die immensen Kosten erschwert: Pro installiertem Megawatt Leistung werden bei Anlagen im Meer je nach Standort zwischen 2,5 und 4 Millionen Euro fällig. Die Kosten an Land werden mit etwa 1 bis 1,4 Millionen Euro pro Megawatt beziffert. Konkret: Der Windpark "BARD Offshore 1" vor Borkum war am Ende deutlich teurer als ursprünglich geplant und kam auf Investitionskosten von mehr als zwei Milliarden Euro.
Die deutschen Anlagen sind zumeist aufwendiger konzipiert als die der europäischen Nachbarn. Während sie in Dänemark oder Schweden dichter an Land stehen, müssen die deutschen Windräder wesentlich weiter von der Küste entfernt sein - das bedeutet einen höheren Aufwand beim Bau und bei der Wartung. Einige Experten bezweifeln daher, dass sich Windparkentwickler weiterhin an deutsche Offshore-Projekte heranwagen, wenn sie kostengünstiger im Ausland umgesetzt werden können.
Gravierende Folgen für die Offshore-Branche
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Raues Wetter, schwere Stürme, aggressives Salzwasser, vielleicht auch Eisschollen - der Bau und die Wartung der Offshore-Anlagen, die immerhin bis zu 20 Jahre ihren Dienst verrichten sollen, stellt die Betreiber vor große Herausforderungen.
Damit sich die Investitionen trotzdem lohnen, verabschiedete die Bundesregierung 2000 das sogenannte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das zum ersten Mal eine besondere Einspeisevergütung für deutsche Offshore-Windparks vorsah. Umstrittene Reformvorschläge unter dem Schlagwort "Strompreisbremse", denen zufolge die EEG-Umlage gedeckelt werden sollte, hatten ab 2013 gravierende Folgen für die Offshore-Branche. Banken und Investoren zogen sich zurück, viele Beschäftigte verloren daraufhin ihren Job.
Mehr Geld für Offshore-Anlagen
Nach einer erneuten Überarbeitung des Gesetzes im Juli 2014 blieb eine erhöhte Anfangsvergütung von 15,4 Cent pro Kilowattstunde für die ersten zwölf Jahre bestehen. Alternativ wurde Investoren ein "Stauchungsmodell" angeboten, dass eine Anfangsförderung von 19,4 Cent vorsieht - allerdings nur für die ersten acht Jahre. Zum Vergleich: An Land gab es laut der 2014 in Kraft getretenen Novelle nur eine Anfangsvergütung von 8,9 Cent pro Kilowattstunde.
Das Vergütungsmodell für Windenergie wurde ab 2017 erneut geändert und in ein Ausschreibungsmodell umgewandelt, bei der sich Erzeuger um die Stromproduktion bewerben können. Experten wie der Hamburger Professor für Windenergie und Konstruktion, Peter Dalhoff, sehen diese Entwicklung kritisch. Sie befürchten, dass sich Investoren erneut zurückziehen, wenn sie nicht mehr auf eine verlässliche Vergütung bauen können.
Umweltschützer mit nur wenig Bedenken
Während die Windenergieanlagen zu ihren Anfangszeiten auf dem Land wegen ihrer Auswirkungen auf die Umwelt immer wieder kritisch beäugt wurden, begrüßen Umweltschützer heute zumeist die neue Offshore-Technik. "Wenn wir die Risiken der verschiedenen Technologien abwägen, ist die Windkraft als eine erneuerbare Energie klar den Atom- oder Kohlekraftwerken vorzuziehen", heißt es beispielsweise bei Greenpeace.
Welche Folgen hat die Technik für das Leben im Meer?
Doch der Bau der Anlagen bedeutet für die Meeresbewohner ernste Risiken. Denn damit die riesigen Generatoren nicht von Wind und Wellen umgeworfen werden, müssen ihre Fundamente mit dicken Pfählen im Meeresgrund verankert werden. Mächtige Rammen treiben die fünf bis sechs Meter dicken Pfähle mit mehr als 1.000 Schlägen in den Boden und verursachen dabei enormen Lärm - jeder Rammstoß ist mindestens 225 Dezibel laut.
Naturschützer befürchten, dass dieser Lärm - trotz gesetzlicher Schallschutzauflagen - beispielsweise hörempfindliche Schweinswale nicht nur vertreibt, sondern sogar schädigen kann: Untersuchungen zufolge wird ihr Gehör schon bei einer Lautstärke von 200 Dezibel beeinträchtigt. Zum Vergleich: Ein Düsenjet erreicht 150 Dezibel. Die menschliche Schmerzgrenze liegt zwischen 120 und 140 Dezibel. Andere Tierarten könnten die Windpark-Fundamente allerdings auch nutzen: Einem Forschungsprojekt zufolge sind sie prinzipiell dafür geeignet, beispielsweise dem Nordsee-Hummer einen neuen Lebensraum zu bieten.
Tourismus-Experten skeptisch
Nach wie vor skeptisch gegenüber Offshore-Windparks sind Tourismus-Experten. Sie fürchten zurückgehende Gästezahlen, wenn Windräder den Blick zum Horizont verstellen, und sehen zudem die Gefahr von Schiffskollisionen an den Fundamenten der Windparks. Ölverschmutzte Strände könnten eine Folge sein. Außerdem gab es Forderungen, eine Lotsenpflicht einzuführen, um Havarien zu vermeiden.
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Windenergie gilt als umweltschonende Energieform. In Norddeutschland kommt sie besonders zum Zuge. Doch aktuell erlebt sie wegen der Umstellung des Vergütungssystems für Ökostrom eine Flaute.
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06.12.2016 | 21:15 Uhr
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