Spionageaffäre weitet sich aus - Zweiter Fall
Die Spionageaffäre mit den USA weitet sich offenbar aus. Die Bundesanwaltschaft hat Recherchen von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" bestätigt, wonach es einen zweiten Spionagefall innerhalb weniger Tage gibt. Am Mittwoch durchsuchten Beamte des Bundeskriminalamts und der Bundesanwaltschaft im Großraum Berlin die Wohn- und Büroräume eines Mitarbeiters des Verteidigungsministeriums. Er steht unter Verdacht, für den amerikanischen Militär-Geheimdienst Defense Intelligence Agency (DIA) spioniert zu haben. Wie die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtet, ist der mutmaßliche Spion Zivilist und als Referent in der Abteilung Politik im Verteidigungsministerium beschäftigt und soll dort für internationale Rüstungskooperationen zuständig gewesen sein. Da es bisher nur Indizien für eine Spionagetätigkeit gebe, sei gegen ihn zunächst kein Haftbefehl erlassen worden. Am Donnerstag berät das Bundestagsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste in einer Sondersitzung über die Spionageaffäre mit den USA. Die Runde tagt grundsätzlich geheim.
Bundesregierung erschüttert über Spionageverdacht
Die Bundesregierung zeigte sich über den jüngsten Spionageverdacht gegen die USA erschüttert. Es gebe eine "tiefgreifende Meinungsverschiedenheit" wie Sicherheit und Freiheitsrechte in Einklang zu bringen seien, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Dieser Vorfall gehe an das Vertrauen der Partnerschaft zwischen Deutschland und den USA. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) forderte die USA auf, Konsequenzen aus der Spionageaffäre zu ziehen. "Die USA müssen wieder mit uns eine gemeinsame Sicht darauf entwickeln, wie wir in Zukunft unsere Zusammenarbeit gestalten wollen", sagte sie der "Berliner Zeitung". Die SPD verlangte von den USA den Stopp aller Spionage-Aktivitäten. "Es ist ein entwürdigendes Schauspiel, wenn die amerikanischen Geheimdienste nun wochenweise beim Spionieren erwischt werden", sagte Fraktionschef Thomas Oppermann "Spiegel Online". Die USA setze die transatlantische Partnerschaft aufs Spiel. Die SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi fügte hinzu, dass das Maß voll sei, sollte sich der jüngste Spionageverdacht bestätigen.
Der Fall wird von Insidern noch "ernster" eingeschätzt als der Fall des in der vergangenen Woche verhafteten BND-Beamten. Dieser hat sich nach eigenen Angaben vor zwei Jahren den amerikanischen Geheimdiensten als Spitzel angeboten und der CIA gegen rund 25.000 Euro insgesamt mehr als zweihundert Dokumente geliefert. Er war beim BND in Pullach Mitarbeiter der Fachabteilung "Einsatzgebiete/Auslandsbeziehungen", wurde Mitte voriger Woche festgenommen und sitzt seitdem in Haft.
USA wollen Schadensbegrenzung
Bei der stundenlangen Vernehmung durch einen Bundesanwalt hatte er seine Arbeit für die CIA gestanden. Die Einleitung des Verfahrens gegen den mutmaßlichen Agenten im Großraum Berlin soll nicht in Zusammenhang mit dem Fall des BND-Agenten stehen. Die amerikanische Regierung bemüht sich offenbar um Schadensbegrenzung. Der Chef der CIA, John Brennan, soll am Dienstagnachmittag mit dem Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Staatssekretär Klaus-Dieter Fritsche, telefoniert haben. Die Einzelheiten des Gesprächs sind noch nicht bekannt.