Pflegekräfte meiden Deutschland
Stefan Christiansen wurde irgendwann alles zu viel. Fast zehn Jahre lang hat der Krankenpfleger auf der Intensivstation eines Bremischen Krankenhauses gearbeitet. Zehn Jahre im Schichtdienst, zehn Jahre arbeiten in Unterbesetzung, jederzeit bereit für andere Kollegen einzuspringen. Leidtragende waren er, seine Gesundheit - und seine Familie. Gelebt habe er, so sagt er rückblickend, eigentlich nur für die Intensivstation.
Dann war irgendwann Schluss. Stefan Christiansen hat dem deutschen Gesundheitssystem den Rücken gekehrt, ist mit seiner Familie umgezogen und arbeitet heute in einem Krankenhaus in Dänemark. Er ist begeistert: "Die Leute hier haben Spaß an ihrem Beruf und bilden sich immer weiter. Ich habe vor Kurzem eine 60-jährige Kollegin getroffen, die noch eine Diplomarbeit schreibt. Weiterbildung ist hier ganz wichtig. Überhaupt ein hohes Maß an Kompetenzen schon während der Ausbildung."
Warme Worte aus Berlin
Pflegefall Pflegekräfte in Deutschland. Gesundheitsminister Bahr wird dieser Tage nicht müde zu betonen, wie wichtig es ist, qualifiziertes Pflegepersonal in Krankenhäusern und Altenheimen zu haben. Wie notwendig eine gute Ausbildung, gute Bezahlung und ein gutes Ansehen für diese Berufsgruppe sind. Doch die Realität ist eine andere. Nicht nur gibt es nach wie vor einen Mangel an Ausbildungswilligen - der Job gilt weiterhin als anstrengend, schlecht bezahlt und schlecht angesehen - auch viele angestellte Pflegekräfte liebäugeln mit einem Wechsel ins Ausland - wie Stefan Christiansen.
Auch ausländische Fachkräfte arbeiten lieber woanders
Jetzt suchen offizielle Stellen ihrerseits in Deutschland ausländische Fachkräfte. Doch auch diese Anwerbeversuche verlaufen bisher nicht sehr erfolgreich. Bis nach China reichen inzwischen die Anfragen. Doch Forscher stellen zunehmend fest, dass ausgebildete Pflegekräfte aus dem Ausland einen großen Bogen um Deutschland machen. "Wir haben in Untersuchungen nachgewiesen, dass ausländische Pflegekräfte viel lieber nach Skandinavien, in die Schweiz oder nach England gehen. Dort sind die Arbeitsbedingungen um einiges besser. Nicht nur, was das Image angeht, sondern auch die Bezahlung, die Weiterbildungsmöglichkeiten und der Personalschlüssel", meint Professor Frank Weidner vom Deutschen Institut für Pflegeforschung.
Doch noch hört man vor allem Sonntagsreden aus Berlin. Wenn man allerdings an den Türen der Schulen für angehende Pflegekräfte in Deutschland horcht, hört man, noch leise aber durchaus vernehmbar, Überlegungen, vielleicht auch ins Ausland zu gehen, wenn sich hier in Deutschland nichts ändert. Und das kann sich das Gesundheitssystem ganz sicher nicht mehr lange leisten.