Stand: 30.09.2014 16:33 Uhr

Hochstapler bringt Geiseln in Lebensgefahr

von Sabine Puls

Der erste Eindruck ist oft entscheidend: Wie sympathisch ist der Mensch, der mir gerade begegnet? Ist er freundlich oder feindlich gestimmt? Kann ich ihm vertrauen? Bei Andreas Holst ist dieser Auftritt perfekt inszeniert: Kräftige Statur und ein fester Händedruck, ein weißer Bart umrahmt das freundliche Gesicht, er trägt Kapitänsuniform mit Mütze.

VIDEO: Hochstapler bringt Geiseln in Lebensgefahr (10 Min)

Niemand würde ahnen, dass sich dahinter offenbar ein notorischer Lügner und Hochstapler verbirgt. Ein Mann, der anscheinend in betrügerischer Absicht das Leben von elf Seeleuten gefährdet hat, die er angeblich aus der Gewalt somalischer Piraten befreien wollte.

Seeleute seit Jahren in der Hand von Piraten

Der 53-jährige Holst aus Kiel war mit einer spannenden Geschichte an verschiedene Medien herangetreten, unter anderem den NDR: Er sei Kapitän und sammle Geld, um elf Seeleute freizukaufen, die seit über drei Jahren in Somalia von Piraten festgehalten werden. Es gehe um die Crew der MV "Albedo".

Das Containerschiff war im November 2010 von somalischen Piraten gekapert worden. Die Seeleute kamen aus Pakistan, Indien, Sri Lanka, Iran und Bangladesch. Die Pakistaner wurden freigekauft, doch für die anderen Seeleute setzten sich weder die Reederei, der Eigner noch die Regierungen ein.

Angeblich 900.000 US-Dollar gesammelt

John Steed, UNODC Hostage Support Programm in Nairobi. © NDR
Ist über Holsts Verhalten entsetzt: John Steed vom UN-Programm zur Unterstützung von Geiseln in Nairobi.

Holst wollte sich nach eigenen Angaben zusammen mit John Steed, der für ein Hilfsprogramm für Geiseln tätig ist, in Nairobi um die Freilassung der Seeleute kümmern. Das Hilfs- und Förderprogramm der UN befreit tatsächlich immer wieder erfolgreich Geiseln aus Somalia, verhandelt aber keine Lösegelder und ist auf Spender und Wohltätigkeitsorganisationen angewiesen. "Holst stellte Spendengelder deutscher Reeder in Höhe von etwa 900.000 US-Dollar in Aussicht“, berichtet John Steed. Er habe ein sehr glaubhaftes Auftreten gehabt.

Hamburger Reeder sollten sich beteiligen

In Hamburg sprach Holst offenbar verschiedene Reeder an, unter anderem die Stiftung des Hamburger Reeders Peter Krämer. Auch hier fragte er im Laufe mehrerer Gespräche nach Spendengeld, wie der Geschäftsführer der Stiftung, Tilo Braune, gegenüber Panorama 3 bestätigte. Allerdings habe man ihm keines gegeben.

Ob und wie viel Geld Holst wirklich sammelte, bleibt unklar. Panorama 3 gegenüber behauptete er zunächst, er habe "650.000 Dollar in den Händen gehabt und eigenhändig mit Plastikfolie aus dem Supermarkt eingewickelt". Das Geld sei dann über diplomatische Kanäle in die Deutsche Botschaft nach Nairobi gelangt, so Holst weiter. Heute bestreitet er schriftlich, je etwas von dem gesammelten Geld persönlich in Händen gehabt zu haben.

Vertrag mit Piraten platzte

In Somalia wurde im Vertrauen auf Holsts gesammelte Spenden ein Vertrag mit den Piraten geschlossen, der gegen eine Summe von 900.000 Dollar die Freilassung der elf Seeleute besiegeln sollte. Der englische Spezialist für Lösegeldverhandlungen Leslie Edwards wurde eingeschaltet, auch um Holst beim legalen Transfer des Geldes von Deutschland nach Afrika zu helfen.

Als Holst ihm mitteilte, er werde Teile des Geldes in einem "mit Blei ausgelegten Koffer" nach Afrika bringen, um es so durch die Sicherheitskontrollen am Flughafen zu schmuggeln, flog er als Schwindler auf: Zu abenteuerlich erschien den Beteiligten sein Verhalten. Holst tauchte daraufhin unter, notgedrungen musste John Steed den Vertrag mit den Piraten widerrufen.

Geiseln wurden gefoltert

Die Geiseln schwebten dadurch in massiver Lebensgefahr, berichtet Steed. Er habe Holst "viele Male gesagt, wie gefährlich es für die Geiseln sei, wenn man von dem Vertrag zurücktrete". Die Piraten seien "äußert aggressiv und unberechenbar und hätten schon mehrmals Geiseln getötet". Und weiter: "Holst hat das Leben der Geiseln, aber auch mein Leben und das meiner Mitarbeiter aufs Spiel gesetzt. Die Geiseln wurden nach dem Zusammenbruch des Deals mit Gewehrkolben geschlagen und gefoltert. Ich verdamme ihn dafür."

Im Juni 2014 schaffte es der englische Spezialist Leslie Edwards, die Geiseln nach zähen Verhandlungen doch noch freizubekommen - am 7. Juni wurden die elf Männer nach dreieinhalb Jahren Gefangenschaft endlich freigelassen. Andreas Holst hat sich unterdessen nach Irland abgesetzt. In einer E-Mail schreibt er Panorama 3, er habe lediglich als Vermittler in der geplanten Geiselbefreiung fungiert. Nach dem Scheitern der Pläne habe er die Rückgabe der gesammelten Gelder organisiert. Belege dafür bleibt er schuldig.

Weitere Informationen
Das Folterschiff "Marida Marguerite". © NDR

Panorama - die Reporter. Das Folterschiff

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Dieses Thema im Programm:

Panorama 3 | 30.09.2014 | 21:15 Uhr

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Schifffahrt

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