Der Kampf gegen das Dorfsterben
Wenn Bürgermeister Michael Sack durch seine Stadt Loitz in Vorpommern geht, dann begegnet er einem Problem auf Schritt und Tritt: Leerstand von Häusern und Geschäften. Nach der Wende schlossen hier viele Fabriken, mit ihnen verschwanden die Arbeitsplätze.
In den vergangenen 25 Jahren hat die Stadt rund ein Drittel ihrer Einwohner verloren: "Es sind gerade die jungen Leute, die gegangen sind und natürlich auch die, die gut ausgebildet waren." Heute versucht Michael Sack junge Menschen nach Loitz zurückzuholen. "Es ist wichtig zu sagen, dass wir auch positive Seiten hier haben." Erfährt der Bürgermeister von einem Rückkehrwilligen jungen Menschen, greift er zum Telefonhörer und versucht ihnen mit den niedrigen Lebenshaltungskosten vor Ort eine Rückkehr schmackhaft zu machen. Außerdem versucht er unkompliziert bei der Suche nach einem Haus zu unterstützen.
Bevölkerungsrückgang auf dem Land
In vielen Orten Norddeutschlands fehlen junge Menschen. Besonders dramatisch ist die Situation in Teilen von Mecklenburg-Vorpommern und in Südniedersachsen. Kein Landkreis im Norden hat im Zeitraum 2000 bis 2015 so viele Menschen verloren, wie der Landkreis Mecklenburgische Seenplatte.
Nach aktuellen Berechnungen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) lebten 2015 14,4 Prozent weniger Bürger im Kreisgebiet, als 15 Jahre zuvor. In Niedersachsen ist der ehemalige Landkreis Osterode am Harz im gleichen Zeitraum am stärksten vom Bevölkerungsrückgang geprägt. Hier lebten 2015 13 Prozent weniger Menschen als im Jahr 2000.
Kein Nachwuchs für die Feuerwehr
Bei der Feuerwehr in Osterode merken die Kameraden mittlerweile, dass es eng wird. Die Nachwuchsprobleme werden ständig größer. Früher gab es genug Jugendliche, die sich der Feuerwehr anschlossen. Doch diese Zeiten sind vorbei. Nun versuchen sie mit einer Kinderfeuerwehr schon die Kleinsten für das Löschen zu begeistern. Schon Sechs- bis Zehnjährige lernen nun die Ausrüstung kennen und Schläuche zu verlegen. "Es ist halt immer schwieriger junge Leute dafür zu begeistern oder auch zu halten. Die meisten gehen studieren oder arbeiten. Sie sind dann hier nicht bei uns vor Ort", sagt Christoph Siebert, von der Feuerwehr Osterode am Harz.
Der Norden altert unterschiedlich
Nach dem Ende des Bergbaus und dem Niedergang des Tourismus hat es die Region nun wirtschaftlich schwer. Weil viele junge Menschen die Region verlassen haben, wird der ehemalige Landkreis Osterode am Harz immer "älter". Im Jahr 2015 waren die Menschen hier laut BBSR im Durchschnitt 48,16 Jahre alt. 27,8 Prozent der Menschen im ehemaligen Kreisgebiet waren 2015 älter als 65 Jahre.
Nirgendwo im Norden lebten so viel alte Menschen wie hier. Der "jüngste" Landkreis im ganzen Norden ist dagegen der Landkreis Vechta. Hier waren die Menschen im Durschnitt nur 40 Jahre alt. Im ganzen Bundesgebiet haben nur die Studentenstädte Freiburg im Breisgau und Heidelberg eine jüngere Bevölkerung als der Kreis Vechta.
Niedergang der Infrastruktur
Ältere Menschen bleiben häufig in ihren Heimatorten. Wenn dort nach und nach die Geschäfte schließen, haben gerade sie ein Problem. Marion Hauck verriegelte am vergangenen Samstag endgültig ihren Kiosk in Gittelde, einem Ortsteil von Bad Grund im ehemaligen Landkreis Osterode am Harz. Damit verschwindet das letzte Geschäft, in dem es auch Lebensmittel zu kaufen gab. Für Marion Hauck hat sich das Geschäft nicht mehr gelohnt. Auch andere Läden haben schon vor Jahren geschlossen, erzählt die ehemalige Kiosk-Betreibern: "Wir hatten zwei Schuhläden, dann hatten wir vier Bäcker, drei Schlachtereien, drei Haushaltswarenläden, davon ist jetzt nur noch einer da."
Urbanisierung wird sich fortsetzen
Der Trend spricht gegen die strukturschwachen Gebiete im ländlichen Raum, meinen die Experten vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung: "Die Kluft zwischen wachsenden Groß- und Universitätsstädten und den Gebieten jenseits der Ballungsräume hat sich in den letzten Jahren vertieft", so die Experten.
Engagiert gegen die Landflucht
In Coppenbrügge im Weserbergland lassen sich die Menschen nicht entmutigen. Weil dort irgendwann keine Busse mehr fuhren, gründeten engagierte Bürger mit Unterstützung der Gemeinde einen Bürgerbus. Rund 20 ehrenamtliche Fahrer fahren dort nun Alt und Jung zum Einkaufen, zum Bahnhof oder in die Schule. Bürgermeister Hans-Ulrich Peschka ist sich sicher: "Wir dürfen den Menschen im ländlichen Raum nicht alles wegnehmen. Denn wenn man ihnen alles wegnimmt dann gehen die Menschen aus dem ländlichen Raum weg."