Folk-Music-Spezialist Sam Lee mit Traditionals in Flensburg
Er ist passionierter Vogelbeobachter, der schon mit einer Nachtigall im Duett sang, aber Sam Lee ist auch ein begnadeter Folksänger. Am Sonnabend spielte der Brite mit Lisa Knapp und den London Contemporary Voices in Flensburg.
Ausverkauft ist die Werfthalle mit den alten Seglern und dem prima Blick auf die Flensburger Förde. Und dann erst die Musik! Sam Lee und seine musikalischen Begleiter feierten ein zweistündiges, anrührendes Konzert mit 800 Gästen, unter denen auch eine Dreier-Frauenclique um Marianne Cordes war, gebürtige Kanadierin: "Wir sind mit englischer Volksmusik aufgewachsen. Kanada hat nicht so viele eigene Volkslieder - und ich mag gerne Volksmusik."
Fiddle-Spielerin Lisa Knapp: Musik über gesellschaftliche Brüche
Sam Lee kannte sie bis dahin nicht. Und der hielt sich an diesem Abend auch erst einmal zurück. Bei den London Folk Songs ging es los mit Lisa Knapp, die in der Singer-Songwriter-Szene als begnadete Fiddle-Spielerin bekannt ist. In einem Liedtext geht es um die Gegend, in der Lisa Knapp aufgewachsen ist: Balham und Mitcham südlich von London, wo sich früher Getreide im Wind wog, heute aber nur Mietwohnungen zu finden sind.
An solchen Brüchen würden ihre Songs ansetzen, erzählt sie: "Ein Großteil der Folk Music ist aus einer Zeit, in der die Menschen einen stärkeren Bezug zur Natur und zur Landwirtschaft hatten. So finden sich in den Songs zum Beispiel auch die Jahreszeiten, Rituale und Freizeit wieder. Urlaub existierte früher nur um die Ernte herum. Das Leben war einfach viel enger mit der Natur verbunden."
Tiefgehende Klänge der London Contemporary Voices
Nach ihr folgen die sechs Stimmen der renommierten London Contemporary Voices, mit denen Sam Lee seit Anfang des Jahres arbeitet. Die Vokalgruppe gehört zu Großbritanniens führenden Chören und arbeitet mit Sängern und als musikalischer Background. Vier Lieder gab es von den London Contemporary Voices - und die gingen so tief, dass es mucksmäuschenstill blieb in der Werfthalle.
In der anschließenden Pause saß Juliane Dieck ruhig in ihrer Stuhlreihe. Es hätte sie richtig mitgenommen, sagte die Frau aus dem Brandenburgischen: "Das war zum Weinen schön: ganz berührend, tolle Stimmen. Man wünscht sich, dass das gar nicht mehr aufhört."
Sam Lee: Spezialist für traditionelle britische Musik
Dann der Auftritt von Sam Lee. Er kam spät zur Folk Music; er hatte zuerst Kunst studiert. Seine Songs sind manchmal Jahrhunderte alt - und er interpretiert sie neu. Er stieg ein mit einem Traditional aus der Gipsy-Community, wie er sagte, in dem es um das frühere England gehe und dessen Liebe zur Natur.
Sam Lee gilt als wahrer Spezialist für traditionelle britische Musik. Seine Arbeit begann mal wie das Sammeln der Märchen bei den Gebrüdern Grimm Anfang des 19. Jahrhunderts: "Es ist fast genauso wie bei den Gebrüdern Grimm, aber ich muss gestehen, dass ich diese Arbeit so nicht mehr mache", erklärt er. "Ich war jahrelang unterwegs und habe Lieder aufgenommen. Leider gibt es kaum noch Menschen, die solche Traditionals lebendig halten. Ich hatte 15 wunderbare Jahre, in denen ich durch Irland, Schottland und England reiste."
Und das Programm an diesem Abend? Er lacht: "Ein Großteil der Songs sind bisher noch gar nicht veröffentlicht worden. Der rote Faden bei allen aber ist das Feiern und Würdigen der Natur. Aber es geht auch um menschliche Beziehungen: um Verlust, Anerkennung und Abhängigkeit."