Hilfe bei Angststörungen und Lampenfieber für Musikstudierende
Was kann man tun, damit Kritik uns nicht so hart trifft? Daniel Sebastian Scholz, Professor für Musizierendengesundheit an der Musikhochschule Lübeck, hilft bei mentalen Problemen und zeigt den richtigen Umgang mit Kritik.
"Üben, üben, üben, machen, machen, machen, sich dem Ganzen stellen und dann wird das auch besser", sagt Daniel Sebastian Scholz, psychologischer Psychotherapeut und Professor für Musizierendengesundheit an der Musikhochschule Lübeck. Das ist einfacher gesagt als getan. Das denken sich auch viele Studierende, die mit Kritik von außen rechnen müssen. Doch Daniel Sebastian Scholz gibt einige Instrumente an die Hand, damit sie mit Kritik klarkommen.
Kritik entstammt häufig einem Defizit
"Wenn das sehr ausgeprägte Kritik ist - vor allem in den sozialen Medien, wo das nicht zugänglich ist -, rate ich immer allen Leuten, die Kommentarspalten nicht zu lesen. In besonders kritischen Fällen wird es auch deaktiviert. Ich gebe mir so etwas auch nicht", sagt Scholz. "Eine angebrachte Kritikfähigkeit, die wertschätzend dargebracht wird - mit der sollte man sich beschäftigen und überlegen: Warum fasst mich das so an und warum trifft mich das so arg?"
Kritik ist aber nicht gleich Kritik - da gibt es Unterschiede, erklärt Scholz: "Wenn ich merke, dass jemand unreflektiert herumpöbelt oder provoziert, dann könnte ich mir auch denken: Das ist eher das Problem von dem, der kritisiert, als mein eigenes Problem. In der Musik- und Kunstkritik frage ich mich manchmal, warum die Leute Kritiker*innen geworden sind und nicht selber etwas machen. Dann denke ich mir: Das ist häufig aus einem Defizit heraus."
Musizierendengesundheit an der Musikhochschule Lübeck
Seit dem vergangenen Jahr gibt es an der Musikhochschule Lübeck eine Professur für Musizierendengesundheit. In den Seminaren geht es um den Umgang mit Ängsten und anderen psychischen Beschwerden von Musikschaffenden. Der Bedarf ist groß, erklärt Daniel Sebastian Scholz. Auch Angststörungen gehören zu den Beschwerden der jungen Leute: "Wenn sich Angststörungen in einer sozialen Ängstlichkeit äußern, ist es besonders schwierig, weil sie die ganze Zeit in Kontakt mit Menschen sein müssen - bei Auftritten oder bei Verhandlungen von Gagen, Honoraren oder ihrem Gehalt bei der zukünftigen Arbeitsstelle. Deshalb muss man das üben."
Das machen die Studierenden, indem sie häufiger mal auf fremde Menschen zugehen und nach dem Weg fragen, erklärt Scholz: "Das Allerwichtigste ist erstmal, denen klar zu machen: Ihr seid schon fantastische Musiker*innen. Dadurch, dass ihr die Aufnahmeprüfung geschafft habt und hier drin seid, bringt ihr unglaublich viel Ressourcen mit."
Professionelle Hilfe bei Angststörungen und Lampenfieber
Christine Sickert ist 26 Jahre alt und hat Horn studiert. Für sie war irgendwann klar, dass sie keine Berufsmusikerin werden will. Stattdessen studiert sie jetzt Psychologie und interessiert sich für den Bereich der Musizierendengesundheit. Denn die kam bei ihr im Studium zu kurz. Sie hatte damals starkes Lampenfieber. Das hat sie unter anderem mit progressiver Muskelentspannung in den Griff bekommen, bei der die Muskeln bewusst angespannt und wieder entspannt werden.
Aber nicht nur das hat ihr geholfen: "Darüber zu reden, macht einen sehr großen Teil aus: Sobald man dieses Thema angeschnitten hat und die Rückmeldung bekommt, dass andere das genauso fühlen wie man selber und dass man damit nicht alleine ist. Das mitzukriegen, ist sehr wichtig. Dann kann man gucken: Wie sehr belasten mich Dinge? Wenn es sehr stark ist und auch im Alltag einschränkt, kann man sich professionelle Hilfe holen."
Ablenkung abseits der Musik
So sollten die Studierenden mit allen mentalen Problemen umgehen, sie benennen und darüber reden. Außerdem sei es wichtig, sich abseits der Musik abzulenken, rät Scholz: "Geht raus aus den Übungsräumen, trefft andere Leute - am besten Leute, die nicht Musik studieren, damit ihr aus dem Elfenbeinturm raus seid. Geht in Kontakt mit Menschen und sucht gezielt andere Lebensentwürfe auf, um mal zu sehen, was es noch so gibt. Dann ist es auch wichtig, dass den Musikstudierenden klar ist, dass es ein großes Privileg ist, dass sie Musik studieren dürfen." Es gibt zwar kein Geheimrezept, wie Musikstudierende psychischen Belastungen aus dem Weg gehen können, aber in Lübeck werden sie immerhin seit dem vergangenen Jahr auf den richtigen Umgang vorbereitet.