Fritz Reuter: Plattdeutscher Bestsellerautor mit Humor
Erst mit Mitte 40 schaffte der Ex-Häftling Fritz Reuter aus Stavenhagen den Durchbruch. Seine plattdeutschen Werke begeisterten weltweit Millionen Leser. Vor 210 Jahren wurde der Schriftsteller geboren.
Wat den einen sin Uhl is, is den annern sin Nachtigall. Fritz Reuter, "Ut de Franzosentid"
Schulisches Desinteresse, Studienabbruch, jahrelange Gefängnis-Aufenthalte und dazu noch ein Alkoholproblem - eine bürgerliche Vorzeige-Karriere sieht anders aus. Trotzdem wurde aus Fritz Reuter einer der bedeutendsten Norddeutschen des 19. Jahrhunderts: Mit Mitte 40 schaffte er nach einigen Wirrungen den Durchbruch zum Erfolgsautor. Und das, obwohl er in niederdeutscher Mundart schrieb. Seine mecklenburgischen Typen wie Gutsinspektor Bräsig oder der Lausebengel Hanne Nüte haben Millionen Leser in München, Wien, selbst am Nordkap und in Übersee begeistert. In Hunderten von Auflagen und in elf Sprachen sind seine Bücher erschienen - nur nicht als Übersetzungen ins Hochdeutsche: Das ließ Reuter nicht zu.
Fritz Reuter entwickelt früh den Sinn für die Kunst
Heinrich Ludwig Christian Friedrich Reuter, genannt Fritz, kommt am 7. November 1810 im Rathaus von Stavenhagen im Norden der Mecklenburgischen Seenplatte zur Welt. Sein Vater ist Bürgermeister, zugleich Stadtrichter und ein umtriebiger Unternehmer. Fritz teilt sein Zuhause mit einer jüngeren Schwester und zwei verwaisten Vettern, bis der Vater ihn 1824 auf die Gelehrtenschule in Friedland und danach auf das Gymnasium in Parchim schickt. Glorreich sind seine Leistungen nicht. Lieber malt und zeichnet der Junge, der schon als 15-Jähriger den Tod der Mutter verarbeiten muss. Doch die künstlerischen Neigungen des Filius sind dem Vater ein Dorn im Auge.
Zur Juristerei nicht geboren
Gezwungenermaßen ergreift Fritz Reuter 21-jährig ein Jurastudium. Allerdings trifft man ihn eher in geselliger Runde zechend als im Hörsaal oder Studierzimmer der Universität Rostock.
Um des Vaters langem Arm zu entkommen, wechselt er ein Jahr später nach Thüringen an die berühmte Universität Jena. Sie gilt als Keimzelle der burschenschaftlichen Bewegung. "Ehre, Freiheit, Vaterland!" Für diese Werte begeistert sich schnell auch der Mecklenburger Jung und schließt sich gleich der radikal-republikanischen Burschenschaft "Germania" an. Zur damaligen Zeit ein Kapitalverbrechen - Reuter macht sich aus dem Staub.
Reuters Jahre in Festungshaft
Die Polizei findet den aus Jena geflohenen Freigeist am 30. Oktober 1833 in Berlin und kerkert ihn ein. In Räumen, die so feucht sind, dass "einem die Stiefel, die man nicht zufälligerweise an den Füßen hatte, vermoderten", wartet Reuter auf seinen Prozess. 1837 erfährt er das Todesurteil wegen Hochverrats, wird aber gleich darauf zu 30 Jahren Haft Festungshaft begnadigt. Insgesamt sieben Jahre, in denen er sich mit mancher "Buddel Win" tröstet und die ihm später reichlich Stoff für Erzählungen liefern, sitzt der Stavenhagener in unterschiedlichen Haftanstalten ein, unter anderem in der mecklenburgischen Festung Dömitz. Dann amnestiert der frisch gebackene Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. die politischen Gefangenen.
Heilsam: Reuters "Stromtid"
Reuters halbherziger Versuch, das ungeliebte Studium weiterzuführen, endet im Desaster - 1841 lässt der Vater ihn aus Heidelberg abholen und zu einem Verwandten nach Jabel bringen. Dort, im Pastoren-Haus, soll er seine Trunksucht auskurieren.
Wieder in Mecklenburg entdeckt Reuter das Landleben für sich. "Ick segen de Landwirtschaft, sei hett mi gesund makt un hett mi frischen Maud in de Adern gaten", schreibt er später. Er nimmt eine Arbeit als "Strom", eine Art Auszubildender, auf einem Landgut nahe Demzin an und verliebt sich bald in Luise Kuntze, eine Pfarrerstochter aus Roggenstorf.
Rückbesinnung auf die künstlerische Begabung
Ein Wendepunkt ist das Frühjahr 1845: Der übermächtige alte Vater stirbt. Noch per Testament hat er Anweisungen für den weiteren Lebenswandel des Sohnes gegeben - de facto bedeutet das dessen Enterbung. Reuter junior aber begibt sich jetzt auf Künstlerpfade. Noch anonym veröffentlicht er ein paar kleine satirische Artikel in Zeitschriften auf Hochdeutsch, dann setzt er sich an eine sozialkritische Erzählung, "Herr von Hakensterz und seine Tagelöhner".
Die schriftstellerische Arbeit gibt Fritz Reuter neues Selbstbewusstsein. Mit inzwischen knapp 40 Jahren geht er als Privatlehrer für Turnen und Zeichnen nach Altentreptow, im Sommer darauf heiratet er seine Luise. Sie muss Klavierunterricht geben, um die schmale Haushaltskasse aufzubessern, Fritz Reuter dichtet - nun auf Plattdüütsch. Seine Scherzreime "Läuschen un Rimels" erscheinen 1853 im Selbstverlag. Ein Rückfall in die "platte" plattdeutsche Schriftstellerei sei das Buch, ätzt Dichterkollege Klaus Groth, doch es wird ein Bombenerfolg: Nach nur sechs Wochen sind sämtliche 1.200 Exemplare vergriffen.
Durchbruch als Schriftsteller op Platt
Reuter hat nun ein finanzielles Polster, das es ihm erlaubt, der Provinz den Rücken zu kehren. Er lässt sich in Neubrandenburg als freier Schriftsteller nieder. Dort gelingt ihm der endgültige Durchbruch: Es entstehen das sozialkritische Vers-Epos "Kein Hüsung" (1857) und seine drei großen Romane, die sogenannten Ollen Kamellen: "Ut de Franzosentid", "Ut mine Festungstid", "Ut mine Stromtid" (1. Teil, 1862). Der geschäftstüchtige Wismarer Verleger Dethloff Carl Hinstorff hat entscheidenden Anteil an Reuters Erfolgen.
Durch die wachsenden Kontakte mit anderen Intellektuellen wird Fritz Reuter die geistige Enge im damaligen Mecklenburg bewusst - ein Grund, warum er 1863 mit Luise nach Thüringen übersiedelt. In Eisenach lässt er sich direkt unterhalb der Wartburg eine feudale Villa erbauen. Sein neu gewonnener Status ermöglicht ihm auch Vergnügungen wie eine zweimonatige Orientreise, die er 1864 antritt und ebenfalls literarisch verarbeitet.
Am 12. Juli 1874 stirbt er in seiner Villa in Eisenach.
Bleibende Andenken an den Dichter Fritz Reuter
Als humorvoller und hintersinnig-kluger Unterhalter fand Fritz Reuter Zugang zu Menschen aller Generationen und Schichten, seine Romane und Figuren wurden im In- und Ausland verfilmt. Reuters Verdienst war es - zusammen mit Klaus Groth -, das Plattdeutsche von der Mundart des einfachen, "ungebildeten" Volkes zur Literatursprache zu erheben. Dem Leben und Werk des Dichters ebenso wie der niederdeutschen Sprache widmet sich heute das Fritz-Reuter-Literaturmuseum in Stavenhagen, das im ehemaligen Rathaus untergebracht ist. Seit 1999 vergeben das Museum und die Stadt jährlich den mit 2.000 Euro dotierten Fritz-Reuter-Literaturpreis für Lyrik oder Prosa in niederdeutscher Sprache. Die Verleihung findet traditionell am 7. November, dem Geburtstag Fritz Reuters statt. Als eines von zwei plattdeutschen Profi-Ensembles in Deutschland bringt die Fritz-Reuter-Bühne in Schwerin seit 1926 niederdeutsche Stücke auf die Bühne.