David Berwecke: Türkiye für immer
Hinter dem Discounter türmen sich die Stockwerke. Schmucklose Bauten aus den siebziger Jahren, unweit des Bahnhofs Hamburg-Wilhelmsburg. An einigen Hochhäusern zeigen sich Risse, bröckelt der Putz. Andere werden gerade renoviert. Auf einem Spielplatz tanzen zwei Jungs im Vorschulalter ausgelassen zu den Rap-Songs aus ihren Handys.
David Berwecke ist hier aufgewachsen, im sogenannten sozialen Brennpunkt. Hier spielt er als einer der wenigen Deutschen Fußball in einem türkischen Verein. Es ist der Ort, an dem er sich wohlfühlt. "Das Beste, was mir passieren konnte", sagt Berwecke und lächelt.
Eine türkische "Zweitmama"
Seine Jugend verbringt er mit Türken, Brasilianern, Kroaten und Libanesen - meistens auf dem Fußballplatz. Die Nationalität spielt keine Rolle. Nur, wenn er allein war mit den türkischen Kindern, habe er sich manchmal ausgeschlossen gefühlt, erzählt Berwecke, weil er nicht verstand, was die anderen sagten. Aber er begann zu fragen: "Was heißt das? Wo geht ihr hin?"
Bald schon beherrscht er die ersten Brocken Türkisch. Und wenig später sitzt er bei Familie Akon am Küchentisch. Mit seinen Kumpels Ilker, Ibo und Adem. Und mit Mutter Yasemin, die für ihn zur anne wird - zu seiner zweiten, seiner türkischen Mama.
"Er ist einer von uns"
Jede freie Minute spielt David Fußball. Schon früh zeigt sich sein großes Talent. Mit 18 beschließt er, das Hobby zum Beruf zu machen. Er spielt beim HSV in der zweiten Mannschaft, dann Oberliga in Emden und Wilhelmshaven. Dreimal steigt Berwecke in die dritte Liga auf, nie bekommt er nach dem Aufstieg das Vertrauen des Trainers.
Mit 26 geht er zurück, in seine Wilhelmsburger Heimat. "Keine Ausbildung, kein nix. Ich musste auch mal an die Zeit nach der Karriere denken", erklärt Berwecke. Der FC Türkiye ermöglicht ihm die Rückkehr. "Weil David einer von uns ist", sagt der Manager des Vereins, Ismail Uysal. In Wilhelmsburg gibt es kein Geld für die Spieler - aber Kontakte. Einer kennt einen, der einen Chef hat, der einen Job vergibt. Das ist das Prinzip. Seit drei Jahren nun arbeitet David im Hamburger Hafen. Und abends steht er auf dem roten Ascheplatz des FC Türkiye.
Die Rückkehr ein Abstieg?
Eine steife Brise weht den Geruch von Köfte herüber, als Berwecke anläuft. Er dreht eine Pirouette und dribbelt Richtung Strafraum. "Weiter, Digga, weiter", schreit jemand über das Spielfeld. Nebenan auf dem Schrottplatz bellt ein Schäferhund. Berwecke schlägt einen Haken, täuscht an und schießt knapp neben das Tor. Er ist der beste Mann auf dem Platz.
Ist die Rückkehr nach Wilhelmsburg ein Abstieg? "Erst gestern habe ich meine anne besucht", sagt David mit fester Stimme, "und Ilker, und Ibo und Adem. Was kann es Besseres geben?"