Erkältungswelle: Einspringer am Schauspielhaus und Thalia in Hamburg
Die Erkältungswelle rollt durch die Theater. Schauspielerinnen und Schauspieler fallen kurzfristig aus, Einspringer müssen schnell in die jeweiligen Rollen schlüpfen - ohne sich etwas anmerken zu lassen.
Man braucht nur aus dem Fenster auf die verschneiten Straßen zu schauen: Die Städte sind leerer als sonst, die Erkältungswelle rollt. Auch in den Büros oder am Flughafen fehlen Kolleginnen und Kollegen. Aber was ist, wenn jemand unersetzlich ist und nicht fehlen darf, zum Beispiel Schauspielerinnen und Schauspieler, die auf dem Programm stehen und auf die sich das Publikum freut?
Text wird über Knopf im Ohr zugeflüstert
Ende November wird der dritte Teil von Ödipus, der monumentalen Antiken-Saga, am Schauspielhaus gespielt. Devid Striesow ist krank, Christoph Jöde muss einspringen. Wie es die Rolle vorsieht, schaufelt er 15 Minuten lang einen Riesenhaufen Erde von A nach B. "Die Aufregung, die Unsicherheit, der Schweiß, die Angst, die Panik, die Freude, der Hochmut, der auch dabei ist, wenn man denkt, ich mache das jetzt einfach, der Abend muss irgendwie über die Bühne - das kombiniert sich auch in so einer Figur." Vier Stunden Text in kurzer Zeit lernen, funktioniert nicht. Deshalb hilft ein Knopf im Ohr!
Für den Regieassistenten Henry Oehlert und seinen Einspringer Christoph Jöde ist das Marathon und Glücksfall zugleich. "Das ist eine ziemlich irre Situation, dass einem jemand diesen Text ins Ohr flüstert und man von Null auf Hundert behauptet, das seien jetzt meine eigenen Worte." Im nächsten Moment komme dann aber der tiefe Fall, wenn ein Satz nicht richtig verstanden wird oder er einen Satz enden lässt, der aber eigentlich weitergeht. "Dann schwitzt man plötzlich wahnsinnig." Am Ende sei es ein Theatermärchen gewesen, wie Jöde das gespielt habe, findet Regieassistent Henry Oehlert: "Aus einer großen Not hat er eine große Tugend gemacht."
Nicht nur Erkältungswelle ein Problem, auch Zugausfälle und Wetter
Das Besetzungsbüro des Thalia Theaters hat gerade in der Erkältungszeit viel zu tun. "Wir wuppen das hier jeden Tag, damit der Vorhang aufgeht", sagt Andreas Bloch. Er sein Team haben nicht nur mit Grippe und Erkältung zu tun, sondern auch mit Zugausfällen und Bahnstreiks. Als im Sturm über der Ostsee die Fähre von Bornholm ausfiel, mussten sie aus dem Stand Tchechows Stück "Drei Schwestern" umbesetzen.
Die Kostümabteilung musste schnell einen neuen Anzug für den Einspringer schneidern. In solch einem Haus hängen viele Leute an einer Produktion, wenn der Abend gerettet werden soll. Schauspieler Tilo Werner nimmt es sportlich, auch wenn er aus dem Urlaub geholt wird. "Ich mache das, weil ich es am wichtigsten finde, dass am Abend das Publikum nicht wieder gehen muss. Ich mache das auch manchmal ganz gern, weil es einem die Möglichkeit gibt, so spontan zu sein, wie man es sonst nicht ist."
Einspringer sind Helden am Theater
Bei der "Dreigroschenoper" haben sie Tilo Werner vom Osterfeuer mit seinen Kindern weggeholt und zwar als Einspringer für den Kollegen Thomas Niehaus. Aber dann kam eins zum andern, denn auch Schauspieler Jörg Pohl war krank. Werner musste also spontan für Jörg Pohl einsspringen! Der Regisseur, Antú Romero Nunes, der gar nicht mehr in Hamburg war, sagte über Handy: "Ach Leute, wisst ihr was, das kann nur schiefgehen, macht einfach Rock'n'Roll." Am Ende hat dann aber doch alles gut geklappt. Die Einspringer am Theater retten Vorstellungen, und alle haben ihren Spaß, sowohl die Darsteller auf der Bühne als auch das Publikum.