"Ich bin Muslim. Was wollen Sie wissen?"
Von Dresden bis Hamburg - im "Abendland" geht die Angst um. Die Angst vor dem Islam. Alle reden darüber, aber wer redet mal mit einem Muslim? Michel Abdollahi, unser Reporter für kulturelle Kuriositäten, macht die Probe aufs Exempel. Er steht in der Hamburger Innenstadt und sucht den Dialog. Was passiert? Desinteresse? Beschimpfungen? Neugier? Theologische Diskussionen? Immerhin ist Michel nicht nur Muslim, er hat auch Islamwissenschaften studiert.
Pegida und Terror in Frankreich
Das gewaltige Schild mit der Aufschrift "Ich bin Muslim. Was wollen Sie wissen?" erregt sofort Aufmerksamkeit. Passanten bleiben stehen, machen Fotos, beglückwünschen den Reporter zu diesem "mutigen Schritt". Aber warum ist es mutig, sich in der Öffentlichkeit als Muslim zu outen? Ein Passant fragt Michel Abdollahi, ob er angesichts des Terrors in Frankreich und der allmontäglichen Pegida-Demos Anfeindungen ausgesetzt sei. "Nein, bislang nicht."
"Denken Sie da mal drüber nach!"
Die Angst vor einer vermeintlichen Islamisierung treibt einige Hamburger um, merken wir vor Ort. Wann die St. Michaelis Kirche zur Moschee umgebaut werde, will einer wissen. Und wann Arabisch die Amtssprache werde. Eine Antwort wartet er gar nicht ab. Ebenso der Herr, der fragt, warum sich Menschen im Namen des Islam in die Luft sprengen. "Denken Sie da mal drüber nach!", sagt er forsch und zieht von dannen.
"Sie sprechen aber gut deutsch!"
Einige wollen nicht glauben, dass dieser junge Mann in Schlips und Kragen wirklich ein Muslim ist - und aus einem anderen Land kommt. "Sie sprechen aber gut deutsch", lobt eine Dame. Und ob er denn Arbeit habe. Ein Mann freut sich: "Sie sind ja ein richtiger Hanseat." Andere Fragen zielen konkreter auf den Islam. Wer noch mal die Guten sind, will eine Frau wissen, die Muslime oder die Islamisten? Sie komme da immer durcheinander. Andere fragen, ob seine Mutter ein freies Leben führe, wie viele Ehefrauen er haben dürfe oder wo die nächste Moschee sei. Doch die schönste Frage kommt laut Michel Abdollahi von einer jungen Frau: "Ich bin mit einem Türken zusammen. Warum akzeptiert mich seine Mutter nicht?"
Und kaum findet ein Foto der Aktion seinen Weg in die Sozialen Netzwerke, wird auch dort gefragt und diskutiert.
Michel mittendrin!
Das Leben ist voller Rätsel - da muss mal einer nachfragen. Michel Abdollahi ist unser Reporter für kulturelle Kuriositäten. Egal ob Esoterikmesse, Fashion-Event oder Kunstmarkt, egal ob der Dalai Lama verehrt oder der Islam gefürchtet wird: Michel erforscht und hinterfragt mit seinen Aktionen Trends, Zeitgeist und Kulturzirkus. Geboren in Teheran, seit 1986 in Hamburg, studierter Jurist und Islamwissenschaftler, Poetry-Slam-Moderator, Conferencier, Maler, kreativer Kulturveranstalter und Verehrer der klassischen persischen Lyrik: Wer könnte besser geeignet sein für die Abgründe des Alltags als Michel Abdollahi?