Stand: 27.10.2017 15:35 Uhr

Der Geist der Reformation an einer Hamburger Schule

von Daniel Kaiser

95 Thesen irgendwo in Mitteldeutschland - ein paar Jahre später ist Hamburg eine andere Stadt. Martin Luthers Reformation vor 500 Jahren hat alles umgekrempelt. Der 31. Oktober 1517 hat die Welt verändert. Auch in Hamburg lassen sich heute Spuren der Reformation finden - etwa an der Johanneum-Schule im Stadtteil Winterhude.

Das Johanneum in Hamburg-Winterhude © Imago/Hoch Zwei
Das Johanneum in Hamburg-Winterhude wurde 1529 von Johannes Bugenhagen gegründet.

Was haben Heinrich Hertz, Kurt Sieveking, Ralph Giordano, Walter Jens und Lotto King Karl gemeinsam? Sie waren alle Schüler des Hamburger Johanneums. Johanneum - der Name verrät es: Die Schule war ursprünglich im Johanniskloster untergebracht. Das stand damals dort, wo sich heute das Rathaus befindet. Die kleine und große Johannisstraße dort erinnern heute noch daran.

Gründung einer Lateinschule

Mit der Reformation waren Klöster unerwünscht. Eine Lateinschule wurde gegründet, erklärt die Schulleiterin des Johanneums von heute, Inken Hose: "Das hat sich so ergeben, weil die katholischen Geistlichen aus der Stadt vertrieben wurden, denn Hamburg hatte sich zur lutherischen Lehre bekannt." Da diese Geistlichen weggeschickt wurden, das Schulwesen jedoch fest in katholischer Hand war, kam es zu einer Versorgungslücke.

VIDEO: Hamburg damals: Johannes Bugenhagen (5 Min)

Die Schulpolitik war schon damals ein Hauptstreitpunkt. Schon Jahre vor der Reformation habe es immer wieder heftige Konflikte mit der Kirche gegeben. Hose erzählt: "Die Bürger beklagten immer die Qualität der Lehrer, die Höhe des Schulgeldes. Die Streitereien wurden immer mit einem Kompromiss beigelegt, aber die Qualität verbesserte sich nicht."

Die Statue des Reformators und Bildungsexperten Johannes Bugenhagen vor der Johanneum-Schule in Hamburg Winterhude © NDR Foto: Daniel Kaiser
Die Statue von Johannes Bugenhagen steht vor dem Rotklinkerbau der Johanneum-Schule in Hamburg Winterhude.

Die Bildung war ein Schlüssel zu den Herzen der Hamburger. Johannes Bugenhagen war Bildungs-Profi, sagt Hose: "Bugenhagen war schon mit 19 Schulleiter in Treptow. Er genoss einen so guten Ruf, dass die Schüler scharenweise zu ihm strömten. Als er sich Luther anschloss 1521, hat der bestimmt sofort erkannt, was für einen fähigen Mann er da hat." Dass er die Reformation nach Hamburg brachte, kam den Bürgern der Hansestadt gerade recht.

Soziale Gerechtigkeit zieht ins Schulwesen ein

Bugenhagen war humanistischer Reformpädagoge. Der wollte den Kindern das Wissen nicht einprügeln, sondern aus ihnen, wie er sagte "fröhliche und lustige Leute" machen. So gab es eine Staffelung des Schulgeldes, abhängig vom Einkommen der Eltern und freie Plätze für Kinder einkommensschwacher Familien. "Da ist ein Stück größere soziale Gerechtigkeit ins Schulwesen hineingekommen. Überhaupt hat man geschaut: Wer braucht Hilfe? Das ist eine schöne Seite der Reformation."

Porträt
Johannes Bugenhagen, Ausschnitt eines Gemälde von Lucas Cranach dem Jüngeren, 1555. © picture-alliance / akg-images Foto: akg-images

Johannes Bugenhagen: Der Reformator des Nordens

Er war Mitverfasser der ersten niederdeutschen Bibel, ein geschickter Verhandler und enger Freund Martin Luthers, dessen Reformation er in den Norden brachte. mehr

Die Reformation wollte mündige Menschen. Die sollten selbst lesen können, was in der Bibel steht. Am besten im Original - auf Griechisch, Damit sie sich selbst ein Urteil bilden können. Das Johanneum ist 1914 nach Winterhude umgezogen, aber dieser humanistische Ansatz der Reformation steckt noch drin. "Bei uns lernen alle Lateinisch und Griechisch. Im Reformationsprojekt erfahren in der 5. Klasse alle die Geschichte der Schule."

Der Schulgründer Johannes Bugenhagen steht als Denkmal vor dem Johanneum. Inken Hose ist nach fast 500 Jahren die erste Frau an der Spitze der Gelehrtenschule. Musik spielt bis heute auch eine zentrale Rolle am Johanneum. Damals singen die Kinder jeden Tag in den Hauptkirchen der Stadt. Heute musizieren sie in gleich mehreren Orchestern und Bands. Auch am Reformationstag: Am 30. Oktober wird in der St. Petri Kirche eine Kantate aufgeführt, die ein Lehrer eigens komponiert hat.

Dieses Thema im Programm:

NDR 90,3 | Kulturjournal Spezial | 26.10.2017 | 19:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Hamburg

Neuzeit

Bundesrepublik Deutschland

Mehr zur Reformation

Reformatorenkreis mit Johannes Forster, Georg Spalatin, Martin Luther, Johannes Bugenhagen, Erasmus von Rotterdam, Justus Jonas, Caspar Cruciger und Philipp Melanchthon. Kopie des Meienburgischen Epitaph von Lucas Cranach d.J.. © picture-alliance / akg-images Foto: akg-images

Die Reformation: Was ist das eigentlich?

Mit seinen 95 Thesen hat Luther eine Revolution in Bildung und Politik in Gang gesetzt und die Geschichte verändert. mehr

Hände halten ein Smartphone auf dem der News-Channel von NDR Kultur zusehen ist © NDR.de

WhatsApp-Channel von NDR Kultur: So funktioniert's

Die Kultur Top-News aus Norddeutschland direkt aufs Smartphone: NDR Kultur ist bei WhatsApp mit einem eigenen Kanal aktiv. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mann und Frau sitzen am Tisch und trinken Tee. © NDR Foto: Christian Spielmann

Tee mit Warum - Die Philosophie und wir

Bei einem Becher Tee philosophieren unsere Hosts über die großen Fragen. Denise M‘ Baye und Sebastian Friedrich diskutieren mit Philosophen und Menschen aus dem Alltag. mehr

Mehr Kultur

Bunte Urnen stehen im Regal © NDR.de Foto: Tabea Pander

Wandel der Bestattungskultur: Trauerarbeit darf bunt sein

Beerdigungen müssen nicht immer mit der Farbe Schwarz zusammengebracht werden. Patricia Hansen aus Jesteburg gestaltet Urnen und Särge mit viel Farbe. mehr