Auf den Spuren der Römerschlacht am Harzhorn
Germanen und Römer lieferten sich um 235 nach Christus in Südniedersachsen einen blutigen Kampf. Das Schlachtfeld bietet einen spannenden Einblick in die Frühgeschichte.
Es waren Hobby-Archäologen, die im Jahr 2008 am Harzhorn in Südniedersachsen rostige Eisenbolzen entdeckten. Sie ahnten den möglichen Wert ihres Fundes und legten ihn Experten zur Begutachtung vor. Wenig später stand fest: Die Eisenbolzen aus dem Wald zwischen Bad Gandersheim und Kalefeld gehören zu sogenannten Scorpio-Katapulten - Schusswaffen der römischen Legionen. Der Fund rückte die Geschichte der Römer in Germanien in ein neues Licht. Anschließend wurden am Harzhorn Tausende Artefakte ausgegraben.
Geschichte wird umgeschrieben
Bis zu den Entdeckungen am Harzhorn hatten Historiker angenommen, dass die Römer seit ihrer Niederlage in der Varusschlacht im Jahre 9 nach Christus und den Rachezügen des Germanicus in den Jahren 14 bis 16 keine größeren Feldzüge mehr in das Innere Germaniens unternommen hatten.
Münzfunde belegen jedoch, dass die Schlacht in Südniedersachsen zur Zeit des römischen Kaisers Maximinus Thrax stattgefunden haben muss, der um 225 bis etwa 240 nach Christus Krieg gegen die Germanen führte. Archäologen fanden außerdem Pfeilspitzen von syrischen Bogenschützen. Diese kamen aus besetzten Provinzen und dienten in der römischen Legion als Söldner. Aus der Zeit von Maximinus Thrax ist überliefert, dass er um 235 maurische Speerschleuderer und syrische Bogenschützen einsetzte. Die Schlacht am Harzhorn wird daher auf diese Jahre datiert.
Mindestens 1.000 römische Kämpfer
Bei Ausgrabungen auf einem etwa 1.000 mal 500 Meter großen Areal fanden Archäologen bisher mehr als 2.700 Einzelteile: Pferdesandalen, Zeltheringe, Wagenteile, Lanzen, Speerspitzen und andere Waffen. Die Inschrift auf einer römischen Axt lieferte einen wichtigen Hinweis, welcher Verband gegen die Germanen kämpfte: "LEG IIII". Dies steht für die vierte Legion der Römer. Die Einheit stammte mit großer Sicherheit aus Singidunum, dem heutigen Belgrad, so die Archäologen.
Am Harzhorn zogen damals mindestens 1.000 Legionäre den Berghang hinauf. Sie kamen aus dem Norden und waren auf dem Rückweg an den Rhein. Wahrscheinlich lauerten ihnen die Germanen in einem Hinterhalt auf. Die Fundstelle am Harzhorn liegt auf der Spitze eines von West nach Ost verlaufenden Höhenzuges. Die steil abfallenden Hänge sind nur an wenigen Stellen passierbar. Teilweise ist der Pass nur 300 Meter breit. Dort könnten Germanen auf die römischen Feinde gewartet haben. Besonders viele Fundstücke entdecken Archäologen auf dem Hauptkamm des Berges.
Gefechtspositionen noch zu erkennen
Das Schlachtfeld ist so gut erhalten, dass sich einzelne Gefechtsabschnitte nachvollziehen lassen, etwa der Einschlag gezielter Pfeilsalven oder einzelne Infanterieangriffe. Dennoch bleiben viele Fragen offen. Was war das Ziel der römischen Operation so weit im Norden? War es ein Rachefeldzug? Sollten die Germanen eingeschüchtert werden?
Dank ihrer überlegenen Waffentechnik könnte es den Römern gelungen sein, sich den Weg freizukämpfen. So verfügten ihre Scorpio-Katapulte über eine hohe Durchschlagskraft. Noch in gut 120 Metern Entfernung konnten die Bolzen Holzpalisaden und Metallpanzerungen zerstören - damals eine sehr wirksame Waffe. Die Forscher gehen davon aus, dass es in der Schlacht keinen eindeutigen Sieger gab: Die Germanen machten Beute, die Römer zogen ohne große Verluste in Richtung Leinetal ab.
Zentrum und Pfad liefern Infos
Ein Informationszentrum ordnet die Funde heute historisch ein. In einem Ausstellungsraum werden die unterschiedlichen Ausrüstungen und die Militärtechniken der Römer und Germanen dargestellt - anhand von Repliken. Führungen erfolgen entlang eines Info-Pfades durch das Waldgelände. Der Pfad bietet an mehreren Stationen Gelegenheit, sich über das Kampfgeschehen, die Taktiken der römischen wie germanischen Kämpfer und die eingesetzten Waffen zu informieren. Unterschiedlich gefärbte Holzfahnen markieren jeweils den Ort eines Fundes.