Weihnachtsmärkte: Einst Versorgung, heute Vergnügen
In Norddeutschland sind nun wieder zahlreiche Weihnachtsmärkte geöffnet. Die Tradition eines vorweihnachtlichen Marktes reicht bis ins Mittelalter zurück. Damals dient er der Versorgung, mittlerweile steht geselliges Beisammensein im Vordergrund.
Heutzutage erleben wir den Weihnachtsmarkt üblicherweise vor allem als dichtes Gedränge zwischen den Ständen. Zur Eindämmung der Corona-Pandemie mussten die Menschen 2020 und 2021 daher weitestgehend auf dieses Vergnügen verzichten. Die Tradition der Weihnachtsmärkte wurde unterbrochen, wie es zuletzt während des Zweiten Weltkriegs geschehen ist. Aufgrund der Corona-Hygienevorschriften mussten die meisten Märkte abgesagt werden. Seit 2022 finden die Weihnachtsmärkte im Norden wieder ohne Auflagen statt. Wegen der Energiekrise wird vielerorts aber bei der Beleuchtung und stromintensiven Attraktionen gespart.
Der Freude an dampfendem Glühwein, dem Duft von gebrannten Mandeln, unterschiedlichen Speisen und liebevoll gestaltetem Kunsthandwerk steht allerdings nichts entgegen. Und mancherorts wird wohl auch der Weihnachtsmann zu sehen sein, der Geschenke an die Kinder verteilt. Große Städte haben oftmals mehrere Märkte, die bereits vor dem ersten Advent bis kurz vor Heiligabend oder sogar darüber hinaus geöffnet sind. Auch viele kleinere Ortschaften oder Höfe halten Weihnachtsmärkte ab, oft aber nur für einen oder wenige Tage.
Erste vorweihnachtliche Märkte im 14. Jahrhundert
Die ersten Weihnachtsmärkte im deutschsprachigen Raum finden bereits vor mehr als 600 Jahren Erwähnung. So soll der Bautzener Wenzelsmarkt schon 1384 stattgefunden haben. Der Dresdener Striezelmarkt wird 1434 urkundlich genannt. Ähnlich lange gibt es den Nürnberger Christkindlesmarkt oder den Augsburger Lebzeltermarkt. Ein Wiener "Wintermarkt" geht gar auf das Jahr 1382 zurück.
Mittelalterliche Märkte dienen der Versorgung
Allerdings haben die Märkte im Mittelalter wenig mit unseren heutigen Vergnügungsveranstaltungen zu tun. Die mittelalterlichen Stadtbewohner konnten sich dort mit Nahrungsmitteln und Gebrauchsgegenständen für den anstehenden Winter und das Weihnachtsfest eindecken. Neben den Händlern erhielten Handwerker wie Korbflechter, Schuster und allmählich auch Spielzeugmacher das Recht, auf den Märkten ihre Waren anzubieten. Kuchenbäcker durften vielerorts für das leibliche Wohl sorgen. Oft waren schon im Mittelalter fahrende Musikanten für musikalische Untermalung zuständig.
18. Jahrhundert: Treffpunkt für geselliges Beisammensein
Der Übergang vom Versorgungsmarkt zum stimmungsvollen Vergnügen beginnt im 17. und 18. Jahrhundert. In dieser Zeit vollzieht sich ein Wandel des Weihnachtsfests vom rein religiösen hin zu einem bürgerlichen Familienfest. Geselliges Beisammensein und Geschenke für die Kinder gewinnen an Bedeutung für die Mittel- und Oberschicht. Auf den vorweihnachtlichen Märkten sind vermehrt Speisen und Getränke im Angebot, aber auch Spielzeug. Aus dieser Zeit stammt auch der Brauch, Krippen aufzustellen. Die ersten Krippen kamen zu Beginn des 17. Jahrhunderts aus Italien. "Lebende Krippen" mit Schafen, Ziegen und Eseln findet man manchmal noch heute vor allem auf ländlichen Märkten.
Weihnachtsmärkte spiegeln gesellschaftlichen Wandel
Mit dem gesellschaftlichen Wandel durch die Industrialisierung ändern sich im 19. Jahrhundert auch viele Weihnachtsmärkte. Berichte über Zusammenstöße beispielsweise auf dem Berliner Weihnachtsmarkt weisen auf soziale Konflikte hin. Mit dem Aufkommen der Kaufhäuser ab 1920 verschwinden viele Waren von den Märkten, weil sie in den Warenhäusern günstiger und in größerer Auswahl zu haben sind. Dafür erlebt die folkloristische Ausrichtung der Märkte einen Aufschwung. Tannenbäume und Lichter sorgen für eine gemütliche Atmosphäre. Traditionell gestaltete Buden, feierliche Zeremonien und Musik sowie Vergnügungen wie Karussells bestimmen zunehmend das Geschehen. Ausnahmen sind einige katholische Gegenden, in denen die Adventszeit als Fastenzeit gilt.
Kaum Märkte während Zweitem Weltkrieg und Nachkriegszeit
Unter den Nationalsozialisten werden die Weihnachtsmärkte zum heidnischen Winterfest umgedeutet und im Sinne des Nationalsozialismus ideologisiert. Allerdings setzt der Zweite Weltkrieg dem Treiben bald ein Ende. Auch in der Nachkriegszeit finden aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage kaum Märkte statt. Erst mit dem wieder aufkeimenden Wohlstand in den 1960er-Jahren nimmt auch die jahrhundertealte Tradition wieder an Fahrt auf.
Weihnachtsmarkt heute zwischen Handwerk und Kommerz
Allein in Deutschland finden mittlerweile jährlich mehr als 2.500 Weihnachtsmärkte statt. Der Leipziger Weihnachtmarkt gilt mit seinen rund 300 Ständen als einer der größten des Landes. Neben den großen Weihnachtsmärkten mit Hunderten Buden und einem bunten Rummelangebot wie Fahrgeschäften oder Eisbahnen entstehen auch immer mehr kleine Märkte - beispielsweise in städtischen Hinterhöfen oder auf abgelegenen Gutshöfen. Sie heißen Weihnachts-, Christkindl- oder Adventsmarkt. Auch die Bezeichnung Wintermarkt findet in Zeiten, in denen die christliche Tradition in den Hintergrund tritt, immer mehr Anklang.
Historisch anmutende Stände, mit Rindenmulch ausgelegter Boden und traditionelles Kunsthandwerk liegen im Trend. Zum obligatorischen Glühwein gibt es - neben regionalen Spezialitäten - noch immer Lebkuchen oder Zuckerwatte. Auch weihnachtliche Blasmusik und frisch gebackene Waffeln gehören für viele zum Erlebnis Weihnachtsmarkt.
Rostock hat größten Weihnachtsmarkt in Norddeutschland
Rund 140 Marktstände und etliche Karussells samt 38 Meter hohem Riesenrad: Rostock hat nach eigenen Angaben den größten Weihnachtsmarkt Norddeutschlands. Bekannt sind auch die Märkte in Hamburg, Hannover, Osnabrück, Oldenburg und Schwerin. Als besonders stimmungsvoll gelten die traditionsreichen und vor historischer Kulisse stattfindenden Märkte in Lübeck und Lüneburg, die üblicherweise Tausende Besucher anlocken. Skandinavisch angehaucht ist der wohl nördlichste Weihnachtsmarkt nahe der dänischen Grenze in Flensburg.
Winter Wonder Land in London
Auch in unseren europäischen Nachbarländern haben Weihnachtsmärkte eine lange Tradition. In Wien, Salzburg, Rom, Bozen, London oder Zagreb bummeln die Menschen ebenso von Stand zu Stand wie in Kopenhagen, Stockholm, Prag oder Riga. Städtereisen mit Weihnachtsmarkt-Besuch sind deswegen in der Adventszeit sehr beliebt.
Der Weihnachtsmarkt als Exportschlager
Seit einigen Jahrzehnten gibt es auch in Übersee Weihnachtsmärkte mit deutschen Klassikern wie Bratwurst, Lebkuchen und Zuckerwatte. In zahlreichen Städten der USA erfreuen sich "German Christmas Markets" großer Beliebtheit. Aber auch in Tokio, Peking, Kapstadt, Sydney oder Auckland haben entweder Einwanderer an der Tradition festgehalten oder die Globalisierung hat den beliebten Budenzauber in aller Welt verteilt.
Viele Weihnachtsmärkte im Energiespar-Modus
Sorgen bereiten den Betreibern allerdings die hohen Kosten im Zuge der Energiekrise. Viele Weihnachtsmärkte in Innenstädten schalten ihre Beleuchtung am Abend daher deutlich zeitiger aus als früher. Auch auf energieintensive Attraktionen wie Eislaufbahnen oder Fahrgeschäfte verzichten einige Märkte.