Wie der Hamburger Bernhard Markwitz die Schwimmflügel erfand
Als die lebensrettende Erfindung des Hamburger Tüftlers Bernhard Markwitz 1964 auf den Markt kommt, stößt sie zunächst auf wenig Resonanz. Heute sind seine Schwimmflügel weltweit gefragt.
Als die Familie Markwitz Anfang der 1950er-Jahre nach Winterhude zieht, einem Hamburger Stadtteil in der Nähe der Alster, denkt niemand daran, dass der Goldfischteich im Garten des Hauses einmal ihr Leben verändern wird. 1956 fällt Annette, die dreijährige Tochter von Bernhard Markwitz, in diesen Teich. "Meine Gießkanne ist wohl ins Wasser gefallen und dann wollte ich wohl hinterher", erinnert sie sich Jahrzehnte später in der NDR Fernseh-Dokumentation "Norddeutsche Geistesblitze". Ein Alptraum für Eltern. Nur durch einen Zufall wird die Kleine noch rechtzeitig entdeckt und und von ihrem Vater in letzter Minute gerettet.
Ein Schwur, der Leben retten soll
Als das Erlebnis verdaut ist, schwört sich Bernhard Markwitz, alles daran zu setzen, Menschen das Schwimmenlernen zu erleichtern. "Dem Gentleman da oben habe ich aus Dankbarkeit versprochen, jedem Kleinkind das Schwimmen beizubringen", so Markwitz später. Denn der Ostpreuße aus Königsberg liebt Wasser, schwimmt und taucht gern und gut. Schon mit 17 ist er ausgebildeter Rettungsschwimmer.
Erste Versuche mit Schwimmhilfen an den Armen
Markwitz, am 3. November 1920 in Königsberg geboren, arbeitet seit 1949 für die Deutsche Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) in Hamburg. 1957 beginnt er mit einer Schwimmausbildung für Drei- bis Sechsjährige, die er selbst entwickelt hat. Der Vorfall mit seiner Tochter lässt ihn über Schwimmhilfen nachdenken. Die gibt es bisher nur aus Kork. Sie werden um den Bauch gebunden und nutzen wenig, denn der Auftrieb ist gering und der Oberkörper kippt nach vorne. Markwitz muss etwas Neues erfinden und weiß, dass es dabei auf den Drehpunkt ankommt, damit der Nichtschwimmer Oberkörper und Kopf über Wasser halten kann. Seine entscheidende Idee: Schwimmhilfen an den Armen. Er experimentiert zunächst mit den Schläuchen von Kinderrollern. Das Prinzip funktioniert, aber die Tragfähigkeit der Gummischläuche reicht nicht aus. Auf der Suche nach dem richtigen Material stößt er auf PVC. Dieser damals noch neue Kunststoff eignet sich hervorragend. Jetzt muss er nur noch dafür sorgen, dass die Schläuche nicht drücken und die Blutversorgung abschnüren, nicht scheuern und keine Luft verlieren, wenn mal ein Ventilstöpsel herausrutscht.
Ein Lottogewinn ermöglicht die Schwimmflügel
Acht Jahre lang tüftelt Markwitz an seinen Schwimmhilfen. Dann sind die Versuche mit den weiterentwickelten Schwimmflügeln in der heimischen Badewanne erfolgreich. Jetzt müssen sie patentiert und in großen Mengen produziert werden. Aber woher soll das Geld dafür kommen? Als Kaufmann hat Markwitz keine so großen Summen übrig, deshalb soll ein Lottoschein helfen. Zwar sind die Chance auf einen Hauptgewinn bekanntermaßen äußerst gering, aber genau zum richtigen Zeitpunkt gewinnt Bernhard Markwitz tatsächlich eine Viertelmillion Mark. Im Gegensatz zu anderen Lotto-Gewinnern verprasst er das Geld nicht, sondern investiert es in seine Schwimmflügel und erzielt mit der Gründung der Firma BEMA, abgleitet aus den Anfangsbuchstaben seines Vor- und Nachnamen, langfristig die beste Rendite, die man sich denken kann.
Markwitz hat seine BEMA-Schwimmflüge überall dabei
1964 werden seine BEMA-Schwimmflügel im Schwimmbad Ohlsdorf in Hamburg erstmals offiziell vorgestellt - von Markwitz' Kindern Annette und Rainer. Wie die DLRG Bezirk Alster dem NDR mitteilt, sind auf der Bootsaustellung in Hamburg vom 21. bis 26. Januar 1965 die BEMA-Sicherheits-Schwimmringe für 7,85 D-Mark verkauft worden. Anfangs ist die Öffentlichkeit skeptisch, aber Markwitz widmet sich voll und ganz der Werbung für seine Erfindung. Er hat immer Schwimmflügel dabei, um sie vorzuführen. Selbst im Urlaub mit seiner Familie stattet er die Mitreisenden am Pool und am Strand damit aus. Jeder soll sie ausprobieren und sich davon überzeugen, dass die Schwimmflügel sogar Erwachsene über Wasser halten können.
Aus Hamburg in alle Welt
Seine Hartnäckigkeit hat Erfolg - die Schwimmhilfe aus Hamburg tritt ihren Siegeszug um die Welt an. Rund 150 Millionen Stück verkauft Markwitz allein bis Mitte der 1990er-Jahre. Kein Wunder, dass er sich schon bald mit Plagiaten herumärgern muss, die vor allem in den USA den Markt überschwemmen. Aber die Originale sind stets ein Stück voraus. Denn im Laufe der Zeit werden immer wieder Verbesserungen und auch weitere Schwimm- und Schwimmlernhilfen eingeführt. Heute ist das deutsche Wort "Schwimmflügel" in der Welt so bekannt wie "Autobahn" oder "Kindergarten".
Bernhard Markwitz, der 1982 das Bundesverdienstkreuz bekommen hat, stirbt am 10. Februar 2000 nach einer Herzoperation. In diesem Jahr übernimmt das Hamburger Unternehmen Wehncke Freizeit die Firma BEMA. Bis 2002 bleibt Markwitz' Ehefrau Gisela Geschäftsführerin.