Im Kloster Loccum lebt die Tradition
Mitten in Niedersachsen, etwa auf halber Strecke zwischen Steinhuder Meer und Weser, liegt eine der am besten erhaltenen mittelalterlichen Klosteranlagen Deutschlands: Kloster Loccum. Zwölf Zisterzienser-Mönche und ein Abt aus dem thüringischen Volkenroda gründeten das Kloster 1163.
Obwohl die Anlage längst kein Kloster mehr ist, gehört kirchliches Leben noch immer zum Alltag. Die Tradition gerät in Loccum nicht in Vergessenheit, sie wird gelebt. Seit der Gründung findet an jedem Werktag eine Andacht statt und der Hausherr nennt sich weiterhin Abt: Horst Hirschler, von 1988 bis 1999 Bischof der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover.
Ein Graf stiftet das Land
Stifter des Klosters ist Graf Wulbrand von Hallermund, Mitglied eines regionalen Adelsgeschlechts. Er stellt am 21. März 1163 im Dom zu Minden dem Zisterzienser-Orden ein Stück Land rund um Burg Lucca zur Verfügung. Reste des Gemäuers stehen noch immer im ausgedehnten Wald südlich von Loccum. Der Orden benennt Mönche aus dem thüringischen Volkenroda, die sich auf den rund 300 Kilometer langen Weg machen und im Frühsommer auf der Burg eintreffen. Ihr Auftrag: Sie sollen ein Kloster gründen, den Boden beackern, ein Klosterleben aufbauen. Der Plan geht langsam auf, trotz Kälte und Hunger, Räubern und Wegelagerern, von denen in einer alten Erzählung berichtet wird. Die Mönche im Kloster verschreiben sich einer kargen Lebensweise und geloben, sich nur von der eigenen Hände Arbeit zu ernähren. Armut, Disziplin und Gebet, bis heute die Grundsätze der Zisterzienser, werden auch in Loccum gelebt. Rasch entwickelt sich das Kloster, beherbergt zu Blütezeiten 180 Menschen: Mönche und Priester ebenso wie gläubige Laien.
Der Sturm der Reformation fegt durch Loccum
Dem Aufstieg folgt der langsame Niedergang. Die Finanzlage des Klosters verschlechtert sich, schließlich müssen sich die verbliebenen Mönche Anfang des 15. Jahrhunderts verschulden. Erst als der Abt des Gründungsklosters Volkenroda eingreift und einen neuen Klostervorsteher auswählt, bessert sich die Situation. Doch bald bedrängt die aufkommende Reformation auch Kloster Loccum. Um 1600 haben sich die Gedanken Martin Luthers durchgesetzt, die Gottesdiener wechseln 1593 unter Abt Johannes Fenger zum protestantischen Glauben, bleiben aber im Kloster.
Hexenprozesse hinter Klostermauern
Zu Beginn des 17. Jahrhunderts folgt eine düstere Zeit im und um das Kloster. Vermeintlichen Hexen wird der Prozess gemacht, viele Frauen müssen sterben. Das bekannteste Opfer ist Gesche Köllars, eine Bauersfrau, die Tiere verhext haben soll. Dokumente belegen, dass sie am 2. Juni 1660 im Kloster enthauptet wurde.
Die Regeln werden lockerer
Im Zuge der Reformation lockern sich strengen Regeln des Klosterlebens, es wird möglich, die Gemeinschaft zu verlassen. Gerhard Molanus geht um 1700 als der Abt in die Geschichte des Klosters ein, der die Reliquien des Katholizismus verbannt. Dutzende Stücke lässt er an geheimer Stelle auf dem Friedhof vergraben, damit Gläubige, die sich nicht dem Protestantismus anschließen wollen, sie nicht finden. Dennoch überstehen einige die Zeiten und liegen jetzt im Tresor des Klosters. Die strengen Regeln des Klosterlebens werden gelockert, es ist möglich, die Gemeinschaft zu verlassen.
Ausbildungsstätte für Pfarrer
Seit 1820 werden in Loccum evangelische Pfarrer ausgebildet, die ihr erstes Theologisches Examen an einer Universität bereits abgeschlossen haben. Während sie bis Ende der 1960er-Jahre zwei Jahre im Kloster lebten, kombinieren Vikare heute ihre praktische Ausbildung in den Gemeinden mit mehrwöchigen Aufenthalten im sogenannten Predigerseminar der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover in Loccum.
Traditionen bestimmen das Klosterleben
Einige Traditionen haben die Jahrhunderte überdauert: Noch immer hält das Kloster gute Kontakte zum katholischen Orden der Zisterzienser und wird neben dem Abt von seinem Stellvertreter, dem Prior, sowie einem Konvent geleitet. Auch die Hora, eine Andacht in der Klosterkirche, findet seit 850 Jahren regelmäßig statt. Derzeit versammeln sich die Bewohner und ihre Gäste täglich außer sonntags um 18 Uhr zum Gebet. Der Stellenwert des Klosters lässt sich an den Gästen ablesen, die zu runden Jubiläen nach Loccum kamen: zur 750-Jahr-Feier 1913 Kaiser Wilhelm II., zur 800-Jahr-Feier 1963 der damalige Bundespräsident Heinrich Lübke.
Kunstschätze überdauern die Zeit
Vermutlich ist es der Lage von Kloster Loccum, abseits der wichtigen Handelswege, zu verdanken, dass auch die Gebäude Jahrhunderte überstanden. Die bestens erhaltene mittelalterliche Anlage lockt zahlreiche Besucher, im Sommerhalbjahr finden täglich Führungen statt. Mittelpunkt ist die schlichte, schön renovierte Kirche von 1277 mit Triumpfkreuz, Marien- und Laienaltar, Reliquienschrein und einer neuen Orgel. Auch die Bibliothek mit einem Bestand von rund 80.000 Exemplaren, darunter viele aus dem 15. und 16. Jahrhundert, gilt als Kulturschatz.
Treffpunkt für Tagungsgäste und Pilger
Die Ruhe von Kloster Loccum und seine Spiritualität nutzen auch verschiedenste Gruppen für Tagungen. Das Seminarhaus bietet 40 Zimmer sowie eine moderne technische Ausstattung der Konferenzräume. Für Pilger stehen in einem eigenen Gebäude mit kleiner Kapelle 16 Schlafgelegenheiten bereit. Seit 2005 verbindet ein Pilgerweg Loccum mit dem Kloster in Volkenroda südöstlich von Göttingen. Die rund 300 Kilometer lange Strecke durch Südniedersachsen führt an zahlreichen Klöstern und Klosterruinen entlang.