Sendedatum: 16.11.2011 23:20 Uhr

Nazi-DVD - Mediengeschäft mit rechtem Terror

Die Zeiten, in denen Paulchen Panther eine harmlose, pfiffige Comicfigur war, sind in Deutschland wohl vorbei. Seit dem Wochenende steht der rosarote Panther plötzlich für Morde, Banküberfälle und rechten Terror. Im Bekennervideo des Nazi-Trios verharmlost Paulchen in pervers verschnittener Version die Morde und Anschläge. Am Freitag waren die Aufnahmen auf dem Markt. Ein Verlag hat zugeschlagen und sich die Exklusivrechte gesichert. Und die anderen Medien guckten in die Röhre.

VIDEO: (5 Min)

Das abgebrannte Haus der Zwickauer Neonazis: Hier wird das Bekennervideo des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds vergangene Woche gefunden. Vier Exemplare entdecken die Ermittler noch vor Ort. Doch schon zuvor sollen die Rechtsextremen Kopien der DVD verschickt haben, unter anderem an die Partei "Die Linke". Wichtiges Beweismaterial ist plötzlich im Umlauf.

Kai Gniffke, Chefredakteur von ARD-aktuell, meint: "Dass in so einem Moment ein Wettbewerb, insbesondere bei investigativen Redaktionen losgeht, in den Besitz von solchen Unterlagen, DVDs oder Informationen zu kommen, das ist, glaube ich, ganz natürlich und dagegen ist auch gar nichts einzuwenden. Die Frage ist einfach: Was passiert, wenn Redaktionen sich gegenseitig übertreffen?"

Der Wettlauf um das Video ist eröffnet

Den Mitarbeitern des Vereins "apabiz" in Berlin, dem Antifaschistischen Pressearchiv, wurde das brisante Material zugespielt. Sie bieten das Video Journalisten zum Kauf an. Auf Anfrage bekommt ZAPP ein Angebot: "Die Kosten für das Bekenner-Video belaufen sich auf 2.000 Euro". Allerdings unterliegt das Video "einer Sperrfrist". Wer das Material kauft, darf es erst am Dienstag verwenden. Das hat der Verein mit einem Verlag so vereinbart.

Uli Jentsch vom "apabiz" erklärt: "Das war eine Forderung in dem Fall. Also das war kein Angebot von uns. Ich hätte auch eher bevorzugt, wenn es anders gewesen wäre, weil es uns eigentlich eher unangenehm war, so weit zu gehen, sozusagen. Auch, also, jemand, in dem Fall einem Medium, entgegenzukommen."

Ein Medium sichert sich die Vorabrechte. Nach ZAPP Recherchen ist es der Spiegel. Wie viel das Magazin für den exklusiven Zugriff bezahlt hat, bleibt unklar.

Uli Jentsch: "Das ist ein Geschäftsverhältnis, dazu würden wir hier keinen Kommentar machen."
Nachfrage Reporter: "Aber es war der 'Spiegel'?"
Uli Jentsch, Antifaschistisches Pressearchiv: "Es war der 'Spiegel`.“

Der will zu dem Vorgang keine Angaben machen. Schreibt auf ZAPP Anfrage, dass sich "der 'Spiegel' zu möglichen Quellen grundsätzlich nicht äußert."

Gekauft, gedruckt

Der SPIEGEL zeigt im aktuellen Heft die ersten Fotos aus dem Video, vor allen anderen. Und bei "Spiegel TV" laufen Ausschnitte aus dem Video.

 "Auch dieses obskure Bekennervideo, was dem Spiegel und Spiegel TV exklusiv vorliegt, offenbart unvorstellbares." (Spiegel TV, 13.11.2011).

Ein Verlag sichert sich brisantes Material über einen der vermutlich größten rechtsextremen Kriminalfälle.

"In dem Video, das Spiegel TV erstmals exklusiv zeigt, rühmen sich die Terroristen ihrer Taten und verhöhnen ihre meist türkischen Opfer." (Spiegel TV, 13.11.2011).

Hendrik Zörner, Sprecher des Deutschen Journalisten-Verbands, sagt: "Es ist ein wichtiges Dokument über die rechtsextreme Szene, über das Terrornetzwerk, das da jetzt im Augenblick gerade aufgedeckt wird. Insofern gehört es an die Öffentlichkeit. Geld dafür zu bezahlen, ist nicht in Ordnung, ganz egal, was dargestellt wird."

Kai Gniffke: "Es gibt einen ganz natürlichen Wettbewerb unter Journalisten, Informationen früher als andere zu bekommen und natürlich auch, wenn ich der Erste bin, eine Weile lang von dieser Exklusivität zu leben. Aber nochmal: Als Staatsbürger finde ich es nicht in Ordnung, wenn es Dinge gibt, die wirklich für die gesamte Gesellschaft von Interesse sind, dass die eine Zeitlang einfach monopolisiert sind."

Weitere Angebote

Ein Monopol, das erst gebrochen wird, als weitere Kopien auftauchen. Mehreren Redaktionen wird das Video nun auch von anderer Stelle angeboten.

Rainer Metzger, stellvertretender Chefredakteur der 'taz', stellt fest: "Wir kaufen grundsätzlich nicht solche Sachen. Wir zahlen für Recherche. Also wenn jemand losfährt und Tage braucht, um so ein Video auszugraben oder von mir aus auch Wochen, dann zahlen wir dafür. Aber wir zahlen nicht für angebotene Materialien. Wir kaufen nichts vom Markt weg, was rund herum angeboten wird."

Die "taz" bekommt das Video später - kostenlos. Auch andere Medien wie die "Süddeutsche" oder "ARD-aktuell" versichern, dass sie das Nazi-Video nicht bezahlt haben und auch nicht bezahlen würden.

Hendrik Zörner: "Dass es leider immer wieder vorkommt, dass Scheckbuchjournalismus gemacht wird, dass also für Informationen bezahlt wird, ist ein Übel, das sich letztendlich negativ auf die Qualität von Berichterstattung auswirkt. Wir sagen ganz klar: Für Informationen darf kein Geld fließen."

Aber es fließt trotzdem. Und deshalb hat ein Verlag zunächst die Interpretationshoheit über die brisanten Bilder. Exklusivität geht eben vor.

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 16.11.2011 | 23:20 Uhr

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