Einschüchterung – Evangelikale Christen attackieren Journalisten
Noch immer bangt man in Deutschland um das Leben der Geiseln im Jemen. Gleichzeitig aber ist eine Debatte entbrannt um christliche Hilfseinsätze und Missionierung. Bei Missionierung denkt man eigentlich immer an vergangene Zeiten, als weißgewandete Menschen, kleine Kinder in Afrika bekehren wollten. Aber fundamentale Christen gibt es noch, auch in Deutschland, und zwar viele. 1,3 Millionen Menschen gelten als sogenannte Evangelikale, darunter ganz viele junge Leute. Und es werden immer mehr. Nicht zuletzt, weil auch christliche Fundamentalisten die Wirkung der Medien entdeckt haben und für sich nutzen. Aber wehe, man übt Kritik an ihnen – dann können sie ganz schön unchristlich werden.
(Bildausschnitt Christival in Bremen): „Was bedeutet Jesus für dich, was bedeutet Gott für dich, welches Gottesbild hast du?“ Hier ist Jesus der Star, eine Szene wie bei einem Popkonzert. Zehntausende feiern das Christival in Bremen im vergangenen Sommer. Zusammen singen und tanzen, ganz harmlos. Dahinter steht die evangelische Allianz, eine besondere Gruppe der Christen. Hier sind radikale Ansichten nichts Ungewöhnliches. (Bildausschnitt, Radio Bremen am 02.05.2008): Reporterfrage: „Findest du Homosexualität krankhaft?“ Antwort: „Äh, ja, eigentlich schon, in gewisser Weise.“ Nächste Antwort: „Ich glaube, dass Gott Mann und Frau geschaffen hat, man sieht ja, das passt zusammen. Mann und Mann passt nicht zusammen.“ Wirre Worte im Namen Gottes und so interessieren sich die Medien für das Christival und die sogenannten Evangelikalen. Auch eine Schülerzeitung berichtet. Hannes Grosch, Schülerzeitungsautor: „Ich hab mich mit dem Christival auseinandergesetzt, weil meine Schule einerseits direkt betroffen war, weil hier Leute übernachtet haben, aber auch, weil es da zwei Workshops gab, die ich ziemlich kritisch sehe. Nämlich einmal den Workshop zur Heilbarkeit von Homosexualität und einen Workshop, indem es darum ging, ob Abtreibung überhaupt zulässig sein kann oder nicht.“
Evangelikale bekehren gerne
Homosexualität und Dämonen, Evangelikale bekehren gerne – auch in selbstproduzierten Sendungen. (Fenster zum Sonntag, "Bibel TV" 2009): „Und die Christen beteten und nach und nach wurde ich von 7 Dämonen befreit.“ (Hof mit Himmel, Evangeliumsrundfunk 2008): „Weiche du Krankheit und weiche alles Böse und alles Finstere und fahre aus diesen Körpern heraus und alle Gebrechen sind sofort geheilt.“ In Sendungen wie diesen verbreiten sie ihren Glauben ungehindert als Allheilmittel. Hannes dagegen setzt sich in der Schülerzeitung Q-Rage kritisch mit den Evangelikalen auseinander. Er beschreibt, mit welchen Mitteln sie massiv ihren Glauben verbreiten - wie Missionare. Ihre Überzeugungen nennt er intolerant. Er zitiert Kritiker mit der Weltsicht von vorgestern. Und er beschreibt in seinem Artikel ihre erzkonservativen Ideologien: Homosexuelle heilen zu wollen und Abtreibung zu verteufeln. Hannes Grosch, Schülerzeitungsautor: „Er ist natürlich provokant geschrieben. Aber wir sind Schüler, wir haben für eine Schülerzeitung geschrieben, da können wir durchaus auch provokant schreiben und auch direkt, was uns auf dem Herzen liegt schreiben, was uns auffällt.“ Auch Evangelikalen fällt der Artikel auf. Sie protestieren massenweise in ihren Magazinen und in Internetforen. „Christen Pfui, Moslems hui“
Christen attackieren Journalisten
Sie wehren sich unter anderem dagegen, von der Schülerzeitung mit Fundamentalisten verglichen zu werden. Hannes Grosch, Schülerzeitungsautor: „An meinem Geburtstag ging es los damit, dass evangelikale Magazine einen Artikel veröffentlicht haben, indem sie erst mal prinzipiell diesen Artikel als verleumderisch darstellen und ketzerisch. Es gab dann Blogeinträge, Foreneinträge, wo man dann auch die Fotos und E-Mail Adressen und Telefonnummern von mir finden konnte.“
Hannes erlebt eine Hetzjagd im Internet, die er nicht für möglich gehalten hätte. Scheinbar harmlose Gläubige sind aggressiv. Zitat Blogeintrag: „Am liebsten würde ich die Redaktion aufsuchen, ich koche vor Wut.“ Zitat Blogeintrag: „und hier kann man der Nachwuchs-Journallaie mal höflich den Marsch blasen“. Die Evangelische Allianz mäßigt ihre aggressiven Anhänger nicht.
Wolfgang Baake, Deutsche Evangelische Allianz: „Die Schüler sind nicht an den Pranger gestellt worden. Sondern wir haben darauf hingewiesen, dass in der Zeitschrift ganz bewusst, nicht nur durch die Schüler, sondern vor allen Dingen auch durch die begleitenden Co-Autoren, dass hier bewusst Falschaussagen über Evangelikale getroffen worden sind. Aber das hier jemand an den Pranger gestellt wurde, dass kann ich nicht nachvollziehen.“ Reporterfrage: „Die Schüler haben Morddrohungen bekommen.“ Wolfgang Baake, Deutsche Evangelische Allianz: „Davon weiß ich nichts.“ Doch Hannes bekam anonyme Anrufe und E-Mails wie diese: „Der Tag wird kommen, an dem ihr alle hängen werdet, ihr Hochverräter.“ Hannes Grosch , Schülerzeitungsautor : „Eine E-Mail, an die ich mich sehr gut erinnere, da stand drin, ich müsse wirklich darauf Acht geben, was ich sage, denn ich sei ja antichristlich und das sei ja gefährlich. Ich hatte Angst, das kann man so sagen. Ich habe mich bedroht gefühlt dadurch.“ Nicht nur der Schüler gerät unter Druck, auch Thomas Krüger. Der Direktor der Bundeszentrale für politische Bildung ist Mitherausgeber der Zeitung, er hatte den Artikel in einem Begleitbrief gelobt. (Bildausschnitt Artikel: www.idea.de, nur als Abonnement abrufbar). Auch ihn nehmen Evangelikale ins Visier. Thomas Krüger, Direktor „Bundeszentrale für politische Bildung“: „Ich war relativ überrascht, dass aus diesem Bereich der evangelikalen Szene sowohl durch die Institutionen Statements, aber dann durch viele einzelne, engagierte, betroffene Evangelikale doch ein sehr harscher Ton an den Tag gelegt worden ist (...) das ging bis hin zu Morddrohungen, das waren auch nicht einzelne Mails, sondern ein höher dreistelliger Betrag von Mails, der da innerhalb von kurzer Zeit zu uns kam.“ Wolfgang Baake, Deutsche Evangelische Allianz: „Ich habe seinen Rücktritt gefordert, aber ich habe nicht irgendwelche Morddrohungen gegen ihn losgelassen. Sondern ich habe ihn massiv kritisiert.“ Massive Kritik. (Bildausschnitt: Artikel aus der Zeitschrift "Idea Spektrum".)
Einschüchterungsversuche
Auch Politiker und Lobbyisten kritisieren Krüger nun. Bis dieser einknickt und sich von dem Artikel distanziert. Thomas Krüger, Direktor „Bundeszentrale für politische Bildung“: „Ich habe selten so einen organisierten Druck via Internet, Zeitung über die politische Bande erlebt wie in diesem Zusammenhang, das muss man schon sagen. Ich war selten so überrascht, dass die liberale Öffentlichkeit das überhaupt nicht ernst genommen hat.“ Uwe Birnstein, Publizist und Theologe: „Sowie Kritik geäußert wird, kann sich ein Journalist sicher sein, da kommen zig Mails und Briefe an Vorgesetzte, Intendanten und Chefredakteure. Als Journalist muss man sich rechtfertigen. Das empfinde ich schon als Einschüchterungstaktik.“ Einschüchterungsversuche hat auch Oda Lambrecht erlebt. Sie brachte ein Buch über Evangelikale heraus. Oda Lambrecht, Autorin “Mission Gottesreich": „Zum Beispiel hat der Dachverband der Evangelikalen, die evangelische Allianz, eine Stellungnahme herausgegeben, indem sie uns unterstellt haben, wir hätten ein Verbot von evangelikal sein gefordert oder ein Verbot von evangelikaler Medien, was wir natürlich nicht gemacht haben in unserem Buch.“ Frage Reporterin: „Also interpretieren sie das herein? Wolfgang Baake, Deutsche Evangelische Allianz: „Nein, das ist keine Interpretation, sondern es ist, dezidiert steht es so nicht da, aber wenn sie den Textzusammenhang lesen, können sie das so empfinden, bzw. können sie das so verstehen.“ Und geht es gegen Empfindungen, werden die Kritiker als Atheisten dargestellt und zermürbt. Zitat Blogeintrag: „Ja so sind sie, die Gottesleugner.“ Oda Lambrecht, Autorin “Mission Gottesreich“: „Darüber hinaus haben wir ganz viele Zuschriften bekommen und Mails, von Menschen, die unser Buch gar nicht gelesen haben. Die pauschal gesagt haben, das Buch ist schlecht und dann Textbausteine aus einer offiziellen Stellungnahme des evangelikalen Verbandes einfach kopiert haben und uns geschickt haben und das zum Teil sehr aggressiv.“ Und wie Evangelikale ihre Anhänger mobilisieren, verbreiten sie gerne im Fernsehen.
Bildausschnitt, "Bibel TV": „Wir ermuntern auch unseren Freundeskreis, sich bei den Rundfunksendern zu bedanken, wenn etwas kommt in den Medien. Aber auch wenn etwas kommt, was wir nicht mit dem christlichen Glauben in Einklang bringen können. Dann ermuntern wir unsere Leute auch dann mal einen Zuschauerbrief zu schreiben oder auch mal einen Anruf zu tätigen, um zu sagen: Leute, bis hierher und nicht weiter. Wir helfen unseren Leuten über unsere Zeitschrift, dass wir die Anschriften beispielsweise veröffentlichen und den Leuten zeigen, wie man so etwas macht.“ Wie man so etwas macht - wie er Journalisten subtil einzuschüchtern versucht, davon gibt er auch im Zapp Interview eine Kostprobe. Wolfgang Baake, Deutsche Evangelische Allianz: „Wenn ich etwas mit dem Norddeutschen Rundfunk oder mit der ARD zu beschweren habe, schreibe ich an den Intendanten. Wenn der Intendant meines Erachtens nicht entsprechend darauf reagiert, habe ich das Recht, den Rundfunkrat einzuschalten und dann beschäftigt sich der Rundfunkrat mit meiner Beschwerde.“ Genau so ist es. Garantiert ohne Beschwerden lässt sich der Glaube dagegen in den eigenen Medien und selbstproduzierten Sendungen verbreiten. Ausschnitt" Bibel TV", Konferenz christlicher Führungskräfte, Podiumsdiskussion vom 28.03.2009: „Wenn wir in die Öffentlichkeit gehen und sagen, wir wollen die Gesellschaft verändern.“ Die Gesellschaft verändern und vielleicht ist der christliche Glaube dabei nur ein Vorwand. Uwe Birnstein, Publizist und Theologe: „Die evangelische Allianz verfügt schon über sehr viel Geld. Das sieht man, wie moderne und gut ausgerüstete Medien das sind (...) diese Gruppe, diese Fundamentalisten, das ist eine Lobbygruppe. Denen geht es vielleicht noch gar nicht so sehr um Glaube, wie um politische Macht. Um politische Macht durchsetzen zu können, braucht man ein großes Heer an Menschen und Einfluss in den Medien, aber auch in der Politik.“