Durchsichtige PR der Atomlobby
Es lief doch immer so gut für die Atomlobby. Kernkraft war fest verankert in Deutschland. Jahrelang war Verlass auf mächtige Verbündete wie Franz-Josef Strauß etwa oder Helmut Kohl. Selbst die großen "Atomkraft-Nein-Danke-Proteste" konnte man da gelassen aussitzen. Und nun rückt das Ende der Laufzeiten unweigerlich näher. Und dann auch noch diese lästige Brennelementesteuer. Irgendwie spurt die Politik nicht mehr so richtig. Was also tun? Wie wäre es mit einer dicken Medienkampagne, um der Kanzlerin mal auf die Sprünge zu helfen.
Angela Merkel (CDU) wollte sich ja selbst ein Bild machen von der Energie in Deutschland. Und beim Bild machen macht sie auch ganz hübsche Bilder auf ihrer Energiereise: Merkel mit großen und kleinen Windrädern und mit einem Computer-Monitor an der Leipziger Strombörse. Währenddessen füllt auch die Atomlobby die Zeitungen mit einem energiepolitischen Appell in hochoffiziöser Deutschland-Optik.
Es geht um schwarz-rot-goldene Belange. 40 Männer von Format fordern die Bundesregierung auf, "das energiepolitische Gesamtkonzept ausgewogen zu entscheiden".
Der RWE-Sprecher Volker Heck meinte in einem Interview am 23. Juni: "Es ist für uns eine erhebliche Belastung in einem hohen dreistelligen Millionenbereich, die komplett zu Lasten des Ertrages geht." Und wer den Ertrag davon fliegen sieht, der pulvert gern einen bescheidenen Millionenbetrag in eine große Anzeige gegen die Brennelementesteuer. Die finden nämlich viele imposante Menschen bedenklich.
Ulrich Müller von LobbyControl erklärt: "Man versucht, mit so einer Anzeige auch zumindest den Eindruck zu erwecken, dass es da eine breitere Koalition gibt, eine breitere Unterstützung öffentlich, dass die Politik eigentlich gar nicht anders kann, als sich sozusagen auf diese Argumente, auch wenn sie inhaltlich fragwürdig sind, einzulassen. Das ist eigentlich das, was hinter so einer Eskalation steht."
Für "Mut und Realismus"?
Dafür sind die vielen Unterzeichner. Das will heißen, für wenig Abgaben und lange Laufzeiten. "Deutschland braucht weiter Kernenergie und Kohle." Warum verlangen das Leute wie Oliver Bierhoff, der "Manager Deutsche Fußball-Nationalmannschaft"? Ulrich Müller: "Bei Oliver Bierhoff ist es so, dass sein Vater ja langjährig Vorstandsmitglied bei RWE war, das heißt, da gibt es eine klare Verbindung zur Energiewirtschaft."
Und Josef Ackermann? Der war doch mal Merkels Kumpel von der Deutschen Bank? Ulrich Müller: "Bei Ackermann ist es so, dass die Deutsche Bank sehr stark in Energie- und Atomindustrie engagiert ist. Nach einer Studie ist sie weltweit der siebtgrößte Finanzierer von Atomprojekten."
Und bei Wolfgang Clement, hier "Ministerpräsident und Bundesminister a.D.", hat man sicher nur vergessen zu erwähnen, dass er ja im Aufsichtsrat von RWE Power sitzt.
Eine "interessengeleitete Anzeige"
Andreas Fischer-Appelt, Kommunikationsberater, erklärt: "Also es ist eine polarisierende Anzeige, es ist eine interessengeleitete Anzeige, es ist keine neutrale Anzeige und das wär auch gar nicht Aufgabe." Die Aufgabe ist: öffentlich lospoltern, massiv das Thema besetzen, mit vielen Leuten Druck auf die Politik machen. Etwas, was die großen Energieriesen bisher gar nicht nötig hatten. Denn die lassen ja sonst ihre Lobbyisten in Berlin auf die Politiker los.
Ulrich Müller: "Und dann ist es in der Regel aber schon auch so, dass es häufig flankierende PR Kampagnen gibt. Häufig sind die aber nicht so stark mit der Lobbyarbeit direkt verbunden, so dass man das unbedingt immer gleich sieht. Also das ist, dass man natürlich versucht seit Jahren, die Atomkraftwerke gut darzustellen, aber dass man es nicht direkt in diesen Anzeigen selbst sagt 'Wir brauchen jetzt eine Laufzeitverlängerung'."
Stattdessen kämpfen die Kraftwerke persönlich als Klimaschützer für die Umwelt: In der Anzeigenkampagne des Deutschen Atomforum e.V. "kämpft" Brunsbüttel zum Beispiel "24 Stunden am Tag für die Einhaltung des Kyoto-Abkommens". Und Kraftwerk Grohnde, in einem Bild hinter aufgeschichteten Zuckerrüben zu sehen, "erzeugt umweltfreundliche Energie". Ulrich Müller: "Sicher ist es so, dass die Energieversorger seit Jahren darauf hinarbeiten, die Atomausstiegvereinbarung, die sie eigentlich selbst unterzeichnet haben, wieder aufzubrechen, also sich nicht an die eigene Zusage zu halten. Und da gibt es natürlich schon langfristige Pläne und auch PR Strategien, wo man versucht, mit welchen Argumenten kann man das erreichen."
PR für Kernenergie
Da tauchte im letzten Jahr ein über 100 Seiten starkes "Kommunikationspapier Kernenergie" auf. Darin macht die Agentur PRGS einem großen Energiekonzern Vorschläge, wie man vor den Bundestagswahlen 2009 das Thema Kernenergie besser verkaufen könnte: Zum Beispiel immer betonen, eine "Verlängerung der Restlaufzeiten unterstützt Klimaschutz und Energiewende". Außerdem solle man "Zugeständnisse prüfen in Richtung Strompreis, Atomsteuer, Klimaschutz-Fonds, um das Image aufzubessern".
Aber nun, wo es hart auf hart kommt und die Bundesregierung wirklich eine Atomsteuer kassieren will, ist es ums Image auch egal. Jetzt drohen die Energieriesen damit Kraftwerke abzuschalten. Sie sind unter Druck. Die Anzeige ist ein Schnellschuss. Hastig zusammengeschustert ist dieser energiepolitische Appell. Andreas Fischer-Appelt meint: "Man sieht das auch, ein paar kleine handwerkliche Fehler stecken auch in der Anzeige drin, wie zum Beispiel, das haben Sie aber festgestellt, überhaupt keine Frau unterzeichnet hat. Wenn Sie genau gucken, sehen Sie, es fehlen auch einige große Vertreter der Industrie. Ich guck, zum Beispiel Siemens fehlt, wir haben die Automobilindustrie nicht einzeln, höchstens als Verband. Und insofern wird es dort auch Unternehmen gegeben haben, die sagen 'das möchten wir nicht mittragen'."
Denen war vermutlich klar, Merkel hat zwar großzügig zur Diskussion über Energie aufgerufen, will sich aber öffentlich keinesfalls von solchen Drohgebärden der Industrie beeindruckt zeigen, wie sie trotzig in einem Interview betont: "Bei mir ist immer so, wenn etwas Richtung einer Drohung läuft oder ich zu was gepresst werden soll, führt das bei mir zu totalen Gegenbewegung." (Quelle: Mediengruppe Madsack, 24.08.2010)
Ulrich Müller: "Wenn sie jetzt zu stark auf die Atomindustrie eingeht, dann wird es immer heißen 'die Union und die Schwarz-Gelbe Bundesregierung machen sozusagen den Kniefall vor der den Energieversorgern'."
Raus aus den Hinterzimmern, rein in die Öffentlichkeit – fürs erste Mal lief das doch gar nicht so – gut.