Sendedatum: 09.03.2011 23:05 Uhr

Facebook: Undurchsichtiger Umgang mit Daten

von Jasmin Klofta

Na, heute schon gepostet? Erstaunlich, wie viele Menschen ständig das Bedürfnis haben, banalste Erlebnisse, intimste Vorlieben oder peinliche Fotos durch das Internet an Gott und die Welt zu schicken. Nicht bei Facebook zu sein, gilt langsam schon als Makel. Und seit man sich auf dieser Internetseite verabredet, um arabische Regime zu stürzen, gilt Facebook sogar als eine Art Garant für Meinungsfreiheit. Wenn es allerdings um das eigene Unternehmen geht, dann hat man Opposition nicht so gerne. Kritiker werden massiv bekämpft. Und während Facebook vom unglaublichen Mitteilungsbedürfnis seiner Nutzer lebt, zeigt sich das Unternehmen selbst äußerst verschlossen.

VIDEO: (6 Min)

Auf Facebook plaudern über 16 Millionen Deutsche. Hier treffen sie ihre Freunde, teilen Privates, Persönliches, Intimes. Die Internetseite ist ein Riesenerfolg in der ganzen Welt.

Mark Zuckerberg, der Gründer von "Facebook”, meint in einem Werbevideo: "Ich freue mich sagen zu können, dass weltweit 500 Millionen Menschen Facebook benutzen, um sich mit ihren Freunden und Bekannten auszutauschen." (Facebook, 21.7.2010, dt. Übersetzung).

Dabei sind viele Daten öffentlich zugänglich. Zwei Künstler haben eine Million öffentliche Profildaten in eine Dating-Seite überführt. Es ist ein Kunstprojekt und Kritik am Datenschutz von Facebook. Doch der Konzern zeigt wenig Kunstverständnis. Der Künstler Paolo Cirio erzählt: "Facebook hat wirklich sehr schnell reagiert. Sie haben uns einen Brief durch einen Anwalt geschickt und uns aufgefordert, das Projekt sofort zu stoppen." (dt. Übersetzung).

Die Anwälte von Facebook forderten aber nicht nur "die sofortige Beendigung Ihrer Aktivitäten", sondern auch die Offenlegung und Löschung "sämtlicher von Facebook gestohlener Daten".  Facebook beansprucht die Daten für sich und reagiert streng: Die Künstler wurden für immer von Facebook verbannt. Und Facebook will auch alle Informationsseiten zum Projekt löschen lassen.

Cirio: "Sie haben es mir verboten über das Projekt zu sprechen, dabei ist es freie Meinungsäußerung. Das ist doch lächerlich." (dt. Übersetzung).

Ein Maulkorb für Kritiker

Das passiert nicht zum ersten Mal. In einem Rechtsstreit zwang Facebook die sogenannten Suicidemachines in die Knie. Hier konnten Nutzer auf Wunsch alle ihre Facebook-Daten löschen. Youropenbook, das auf Datenschutzprobleme hinweist, wurde offenbar auch von Facebook blockiert. Wie bereits die Parodieseite Lamebook. Später gestand Facebook "versehentliche Zensur".

Sascha Adamek, Autor des Buchs "Die facebook-Falle", erklärt: "Wenn ich auf der einen Seite als Konzern ständig propagiere alle sollen offen sein, das Internet wird Demokratie schaffen, Offenheit schaffen, dann kann ich nicht auf der anderen Seite kritische Seiten blocken, verklagen. [...] Das sind alles Projekte, die dazu dienen, das Geschäftsmodell offenzulegen, zu zeigen, wie offen wir uns machen."

Offenheit der Nutzer ist das Konzern-Kapital

Facebook weiß viel über seine User. Wohnort, Geburtstag, sexuelle Ausrichtung, auch religiöse und politische Einstellung, Musik, Bücher Filme und auch noch die persönlichen Kontaktdaten.

Adamek: "Das heißt, Facebook bietet der werbetreibenden Wirtschaft ein Raster all unserer Aktivitäten, Interessen, Bedürfnisse, im Privatleben, im Berufsleben, all das, was wir hinterlassen auf Facebook. Und mit diesen Anzeigen verdient Facebook sein Geld."

Viel Geld: Geschätzte 1,5 Milliarden Euro Werbeeinnahmen, voriges Jahr. Mit dem "Gefällt-mir"- und anderen kleinen Buttons soll es noch mehr werden. Der Nutzer wird zum Werbeträger: Mag er ein Produkt, kann er das anklicken. Dann erscheint es auf der eigenen Facebook-Seite und bei allen Freunden. Aber solche Buttons können noch mehr: Sie garantieren neue, frische Daten. Auch von Menschen, die bisher nichts mit Facebook zu tun haben.

Adamek: "Ein Beispiel, wenn ich als nicht-Facebook-Mitglied die Seite von Bild-online klicke, die beliebteste deutsche Online-Seite, dann setzt Facebook bei mir auf dem PC zwei Cookies und wenn ich dann nach einiger Zeit bei Facebook Mitglied werde, weiß Facebook bereits, welche Artikel ich mir wie häufig auf Bild.de angesehen habe."

Noch mehr rausholen lässt sich mit der sogenannten umgehenden Personalisierung. Facebook erlaubt dabei, dass Partnerseiten automatisch auf Profildaten zugreifen können. Facebook besteht auf die "umgehende Personalisierung", entgegen aller Proteste.

Adamek: "Die Strategie von Facebook ist immer man schreitet voran, man probiert es aus. Und wenn man dann eins über die Mütze bekommt innerhalb der Netzgemeinde, der eigenen Anhängerschaft, dann rudert man ein wenig zurück, sagt, 'okay wir haben es nicht so gemeint', verbessert vielleicht einige Einstellungen, was immer sehr kompliziert ist, macht dann aber trotzdem mehr oder weniger so weiter. Das ist das Geschäftsmodell von Facebook, weil anders könnten sie auch gar nicht in dieser atemberaubenden Art expandieren."

Kritik der Datenschützer

Facebook expandiert auch über die rechtlichen Grenzen hinaus. In Deutschland kritisieren Daten- und Verbraucherschützer immer wieder, dass Nutzer zu wenig Kontrolle über ihre Daten haben. Dazu Facebook erklärt schriftlich: "Wir glauben, dass wir konform mit den europäischen Vorschriften für Datenschutz sind."

Michaela Zinke vom Bundesverband Verbraucherzentrale: "Facebook ist bisher beratungsresistent gewesen. Also auf unsere Unterlassungserklärung, die haben sie ja nicht abgegeben und deswegen haben wir jetzt Klage eingereicht. Also die haben sich mit uns nicht auseinandergesetzt weiter."

Die Datenschutzrichtlinien von Facebook werden immer wieder erneuert, abgeändert. Derzeit beinhalten sie über 6.000 Wörter.  

Adamek: "Die Datenschutzerklärung ist länger als die Seitenzahl der amerikanischen Verfassung. All das heißt aber nicht, dass der Datenschutz besonders hoch geschätzt wird von Facebook, im Gegenteil, man erfährt dort eigentlich nur, welche Möglichkeiten Facebook hat unsere Daten zu verkaufen."

Zinke: "Selbst uns Juristen geht es so, dass wir manchmal drei Mal lesen müssen, bis wir wissen, was damit gemeint ist jetzt eigentlich."

Doch öffentlich will das Unternehmen transparent wirken. Neuerdings gibt es sogar eine offizielle Deutschland-Sprecherin. Sie soll wenigstens Journalisten Fragen beantworten. Doch auf Zapp Anfrage will sie nicht vor der Kamera sprechen. Sie sei nicht die Richtige.

Adamek: "Es ist das größte Kommunikations-Unternehmen der Welt, was sozusagen die Verarbeitung unserer Daten angeht. Sie fordern uns permanent auf, offen zu sein, möglichst viele Daten preis zu geben. Was ihre eigene Geschäftspolitik, ihre eigene Verarbeitung von Daten angeht, sind sie absolut verschwiegen."

So verschwiegen, dass sie ihre Deutschlandzentrale verstecken. Sie ist unsichtbar von außen, wie eine Briefkasten-Firma. Im Realen können User bei Facebook schwerlich Freunde treffen.

 

Dieses Thema im Programm:

ZAPP | 09.03.2011 | 23:05 Uhr

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