Hoeneß-Urteil: Schwer zugänglich für Medien
Der Fall Uli Hoeneß war einer der aufsehenerregendsten Steuerhinterziehungsprozesse in der Geschichte der Bundesrepublik. Dass der Journalist Jochen Zenthöfer das schriftliche Urteil zu diesem Fall anfordert, kann daher kaum überraschen: Ein alltäglicher Vorgang für deutsche Gerichte, sollte man meinen. Denn in Deutschland müssen Urteile veröffentlicht werden. Das ist spätestens seit einer Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 1997 klar.
Das hat sich aber offenbar noch nicht bis zur Staatsanwaltschaft München II herumgesprochen: "Der Antrag des Dr. Jochen Zenthöfer auf Übersendung einer anonymisierten Urteilsabschrift wird zurückgewiesen", so die Staatsanwaltschaft in ihrem Antwortschreiben.
"Justiz hat eine Bringschuld"
Bei solchen Sätzen platzt Rechtswissenschaftlern wie Professor Holm Putzke von der Universität Passau der Kragen: "Die Justiz hat in diesem Fall der Veröffentlichung von Urteilen eine Bringschuld, so dass es überhaupt nicht nötig sein muss, dass jemand erst verlangt, dass etwas veröffentlicht wird. Im Fall von Ulrich Hoeneß hätte die Justiz dies von vornherein tun sollen und in Anbetracht der öffentlichen Nachfrage und des öffentlichen Interesses auch besonders schnell.“
Doch erst eine Dienstaufsichtsbeschwerde und viele Mails später bekommt Journalist Zenthöfer endlich das Urteil - mit zahlreichen Schwärzungen. Auch die Namen von Richtern, Staatsanwaltschaft und Verteidigern fehlen. Obwohl Namen von Menschen die berufsmäßig an einem Gerichtsverfahren beteiligt sind gar nicht geschwärzt werden dürfen. Zudem sind viele Passagen gekürzt. Wie lang die gekürzten Stellen sind, lässt sich nicht nachvollziehen.
"Sensationslust befriedigen"?
Andrea Titz, Pressesprecherin des Landgerichts München, vermutet hinter den Beschwerden des Journalisten über diese Schwärzungen kein seriöses Interesse: "Man erhofft sich vielleicht auch insgeheim, dass man irgendwelche Details aus dem Leben des Angeklagten noch einmal nachlesen und so auch seine Neugierde und Sensationslust befriedigen kann." Dass es bei dem Urteil um den vermutlich größten verhandelten Fall von Steuerhinterziehung einer Einzelperson in Deutschland geht, erscheint für sie unerheblich.
Zweierlei Maß?
Für Zenthöfer, der als freier Journalist unter anderem für das "Luxemburger Wort" und die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schreibt, sieht das anders aus. Er versteht schlicht nicht, warum Uli Hoeneß mit so wenig Strafe davon gekommen ist und kann es aus dem geschwärzten Urteil auch nicht herauslesen.
Er verweist auf den Fall eines bayrischen Landwirts der einen Betrag von rund 100.000 Euro hinterzogen hatte - bei Hoeneß waren es 28 Millionen. "Der Landwirt musste aber vier Jahre ins Gefängnis", so Zenthöfer, "und hatte keine Möglichkeit in den offenen Vollzug zu kommen. Der Hof wurde dann zwangsversteigert. Ein Hof der vier Generationen in der Familie dieses Landwirts gehörte. Das ist länger als der FC Bayern München in der Bundesliga spielt."
Uneinigkeit über die Rolle der Justiz
Doch das Problem geht weit über den Fall Uli Hoeneß hinaus. Auch das Urteil zu Christan Wulff zum Beispiel ist von der Pressestelle des Landgerichts Hannover erst einmal ohne Namen von Richter, Schöffen und Staatsanwaltschaft herausgegeben worden. Dass dies unzulässig ist, hat das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung vom Oktober 2014 klargestellt. Doch auch im Fall Wulff werden die Verfahrensbeteiligten nur auf erneute Nachfrage genannt.
Für Holm Putzke eine Haltung, die sich ändern muss: "Ich beobachte manchmal ein wenig die Einstellung, 'Wir sind Justiz, und Justiz ist etwas anderes als ein Dienstleister‘. Und das ist falsch", meint Putzke. "Die Justiz erbringt nichts anderes als eine Dienstleistung. Und jeder hat einen Anspruch darauf, dass die Justiz ordnungsgemäß arbeitet und dass er auch die Produkte der Justiz zeitnah bekommt und davon Kenntnis nehmen kann."