"Bodycam starker Eingriff in Bürgerrechte"
In den USA und Kanada hat ein Youtube-video aus Toronto, auf dem zu sehen ist, wie ein Polizist im Einsatz einen Jugendlichen erschießt, kontroverse Diskussionen ausgelöst. In der Folge fordert eine New Yorker Richterin jetzt, Polizisten während ihrer Einsätze mit sogenannten Bodycams auszurüsten, auch um ein etwaiges Fehlverhalten der Officer dokumentieren zu können. Was sagt die Polizei zu solchen Plänen? Im Interview mit den Weltbildern äußert sich Oliver Malchow, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei.
Was hält die Gewerkschaft der Polizei in Deutschland von dieser Idee einer Bodycam?
Oliver Malchow: Eine spontane Filmszene, womöglich mit dem Smartphone oder ähnlichem Gerät von einem mehr oder weniger Unbeteiligtem aufgenommen, zeigt mit hoher Wahrscheinlichkeit nur einen Ausschnitt der tatsächlichen Begebenheit. Solche Videos gefilmter mutmaßlicher Polizeigewalt kennen wir ja auch aus unserem Land. Auch vor dem Hintergrund der großen Verbreitung solcher Filme ist es nicht verwunderlich, wenn Fälle dieser Art in der Öffentlichkeit breit diskutiert werden und jeder seine Meinung hat. Nicht selten jedoch kann nicht mehr geklärt werden, ob der Film nachbearbeitet oder manipuliert wurde.
Eine sogenannte Bodycam könnte also zumindest eine weitere, jedoch aber eine offizielle Kameraperspektive hinzufügen. Eine ständige richterliche Kontrolle von Polizeieinsätzen, was ja aus unserer Sicht die entscheidende Konsequenz des Vorschlags der New Yorker Richterin ist, lehnen wir entschieden ab. Das ist nach unserer Auffassung auch ein starker Eingriff in die Bürgerrechte und kommt einer flächendeckenden Videoüberwachung gleich.
In Hessen wurde in diesem Jahr ein Feldversuch gestartet, bei dem Polizisten mit Kameras ausgestattet werden. Allerdings ist der Ansatz hier ein anderer: Straftäter sollen mit Hilfe der Bilder besser identifiziert werden können, das Ganze soll auch der Abschreckung dienen. Gibt es erste Erfahrungen und Ergebnisse aus diesem Test?
Malchow: Angesichts der nachweisbar zunehmenden Gewalt gegen Polizistinnen und Polizisten nimmt das Thema Eigensicherung einen immer größeren Raum ein. Insofern haben meine Kolleginnen und Kollegen in Hessen, genauer gesagt in Frankfurt-Sachsenhausen, das Thema "Bodycam" interessiert aufgenommen und sich zu einem Pilotversuch bereit erklärt. Bisher liegen uns noch keine ausreichenden Erkenntnisse und Erfahrungen vor. So wie mir die GdP Hessen berichtete, wird die Polizei in Sachsenhausen häufiger attackiert. Dass die Einsatzkräfte angespuckt, beleidigt oder körperlich angegriffen werden, ist dort nahezu an der Tages- und Nachtordnung. Für die GdP und die örtlichen Personalräte ist es natürlich wichtig, dass die Körperkameras nicht zur Verhaltenskontrolle ihrer Kolleginnen und Kollegen herangezogen werden dürfen. Das heißt auch, dass die Aufzeichnungen nach entsprechender Frist gelöscht werden. So wurde es auch mit dem Dienstherrn vereinbart. Die Bilder sollen also in erster Linie zur unterstützenden Beweisführung, Abschreckung und somit erweiterten Eigensicherung dienen. Führt die Kamera in heiklen Situationen auch zu verbesserter Deeskalation ist es nach unserer Auffassung ein geeignetes Einsatzmittel. Die GdP erachtet den Einsatz aber eher in Brennpunktbereichen als notwendig und steht einer grundsätzlichen Ausrüstung der Beamtinnen und Beamten mit Bodycams skeptisch gegenüber.
Gewalt gegen Polizisten, aber auch Gewalt von Polizisten, zum Beispiel im Umfeld von Fußballspielen, ist immer wieder ein Thema. Was sollte Ihrer Meinung nach getan werden, um diese Entwicklung zu stoppen, welche technischen Hilfsmittel könnten dabei helfen?
Malchow: Solange die Gewalt aus unserer Gesellschaft nicht verbannt ist, spielen technische Hilfsmittel für die Polizei bei der Gewalt-Frage eine durchaus wichtige Rolle. Die Polizei ist für Lagen, bei denen mit gewalttätigen Angriffen auf die Einsatzkräfte gerechnet werden muss, entsprechend ausgerüstet. So verfügen die Beamtinnen und Beamten beispielsweise über Körperschutzausstattungen oder andere Einsatzmittel wie Absperrgitter. Auf der polizeilichen Seite hat die möglichst gewaltfreie Konfliktbewältigung oberste Priorität, was sich auch in der Aus- und Fortbildung von Polizeibeamtinnen und -beamten ablesen lässt.
Vor allem aber geht es darum, Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung zu ächten. Dazu hat die Gewerkschaft der Polizei unlängst zum Beispiel zehn Positionen für friedlichen Fußball formuliert. Darin heißt es: "Um jugendliche Gewalttäter aus dem Fußballbereich frühzeitig die Grenzen aufzuzeigen, müssen auch die Straftaten dieser Personen möglichst rasch in einem Strafverfahren bearbeitet werden" oder auch "Die GdP fordert ein Alkoholverbot im Bereich des ÖPNV, denn Alkohol ist der Gewaltbeschleuniger schlechthin." Gewalt hat in unserer Gesellschaft nichts zu suchen. Sie wird natürlich immer ein Faktor sein. Wirklich effektiv ist jedoch die Vermittlung der Erkenntnis, dass die Ausübung von Gewalt in unserer Gesellschaft nicht akzeptiert und hart bestraft wird.
Das Interview führte Hendrik Backhus.