Schwule dürfen kein Knochenmark spenden
Nicole Jürgens ist schwer krank. Die 43-Jährige aus Bremerhaven hat eine sogenannte Knochenmarkfibrose. Das bedeutet, ihr Knochenmarksgewebe wird mit der Zeit verfasern und kann so kein Blut mehr bilden. Um zu überleben, braucht sie deshalb eine Knochenmarkspende. Auf der ganzen Welt wurde bislang niemand gefunden, dessen Gewebe zu hundert Prozent passt. So wie Nicole Jürgens warten in Deutschland derzeit viele Menschen auf einen Spender.
DKMS sucht ständig neue mögliche Spender
Um neue mögliche Spender zu finden, organisiert die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS) regelmäßig großangelegte Typisierungsaktionen. Erst vor wenigen Wochen waren mehrere Tausend Menschen in eine Kieler Schule gekommen, um einem leukämiekranken Studenten zu helfen.
Bei solchen Spendersuchaktionen wird den potenziellen Helfern Blut abgenommen. Ein kleines Röhrchen reicht, um die Merkmale bestimmen - also typisieren zu können. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein passender Spender gefunden wird, ist verschwindend gering. Deshalb ist es wichtig, möglichst viele mögliche Spender zu erfassen und in die weltweite Datenbank aufzunehmen.
"Risikogruppen" nicht zugelassen - dazu zählen Schwule
Was viele vermutlich nicht wissen: Obwohl so dringend lebensrettende Spender gesucht werden, dürfen homosexuelle Männer nicht spenden. Nach den Richtlinien der Bundesärztekammer werden bestimmte "Risikogruppen" nicht zugelassen. Dazu zählen auch "Männer, die mit Männern Sexualverkehr" haben. Der Grund: Schwule Männer sind statistisch häufiger mit Infektionskrankheiten wie HIV infiziert.
Bei der Registrierung werden potenzielle homosexuelle Spender also nicht wie Heterosexuelle nach ihrem individuellen Risikoverhalten befragt. Stattdessen dürfen Schwule ihr Blut generell nicht typisieren lassen. Durch diese Regel werden also pauschal auch alle gesunden homosexuellen Spendewilligen ausgeschlossen.
"Für alle Betroffenen sehr dramatisch"
Nicole Jürgens, die so dringend auf eine Knochenmarkspende wartet, ist empört. Sie sagt, das sei ein absolut verschenktes Potenzial. "Wenn da von vornherein eine ganze Gruppe von Menschen unter Generalverdacht steht und überhaupt nicht in diesen Pool kommen können, finde ich das natürlich für alle Betroffenen sehr dramatisch."
Auch die DKMS selbst hält das offenbar für falsch. Pressesprecherin Ricarda Henkel sagte am Rande einer Typisierungsaktion gegenüber dem NDR, dass sie den Ausschluss von Schwulen von einer Knochenmarkspende für veraltet halte. Die DKMS sei aber nun mal an die Vorschriften gebunden, so Henkel.
Mögliche Neuregelung: Ein Jahr kein Sex für schwule Spender
Die Bundesärztekammer schreibt der Redaktion von Panorama - die Reporter, man überlege, Schwule doch zur Knochenmarkspende zuzulassen. Erst müsse aber geprüft werden, ob dies überhaupt mit EU-Recht vereinbar sei. Allerdings gäbe es eine Einschränkung: Bei einer möglichen Neuregelung müssten Schwule ein Jahr lang ohne Sex leben, bevor sie als Spender in Frage kämen.