Stand: 07.04.2015 17:00 Uhr

Schwulenheiler in der evangelischen Kirche

Gero Cochlovius, Pastor evangelische Martins-Gemeinde Hohnhorst. © NDR
Pastor Gero Cochlovius hält "ausgelebte Homosexualität" für Sünde.

Sonntagmorgen kurz nach dem Gottesdienst. Die Menschen kommen aus der evangelischen Martins-Kirche Hohnhorst bei Hannover - mit ihnen ihr Pastor Gero Cochlovius. Sein schwarzer Talar weht im Wind. Vor einigen Jahren hat er gepredigt, dass man Homosexuellen "Hilfe zur Heilung" anbieten soll.

"Ausgelebte Homosexualität" sei Sünde

Sieht der Pastor das heute auch noch so? Cochlovius bestätigt dem NDR seine Haltung. Er wisse, es gebe Menschen, die sich eine Veränderung wünschten, so Cochlovius. Und er erklärt, "praktizierte, ausgelebte Homosexualität" entspreche nicht dem Willen Gottes, es sei richtig, hier von Sünde zu sprechen.

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Ein Mann auf einer Liege, im Vordergrund steht ein Arzt im Kittel. © Katja Reise

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Die Martins-Gemeinde gehört zur evangelischen Landeskirche Hannover. Eigentlich gilt die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) als liberal. Die deutliche Mehrheit innerhalb der evangelischen Kirche sei der Überzeugung, dass Homosexualität eine "Prägung" und kein "Krankheitszustand" sei, also nicht therapiert werden solle, sagt Friedrich Hauschildt, Vizepräsident des EKD-Kirchenamtes und zuständig für ethische Fragen.

Mehrere EKD-Gemeinden halten Homosexualität für veränderbar

Trotzdem ist der niedersächsische Pastor Gero Cochlovius nach Recherchen von Panorama - die Reporter kein Einzelfall. Mehrere EKD-Gemeinden bestätigen auf Nachfrage, dass sie Homosexualität für veränderbar und für "sündhaftes Fehlverhalten" halten. Ein Pfarrer aus Baden-Württemberg schreibt zum Beispiel seine Gemeinde glaube dass eine "homophile Neigung grundsätzlich veränderbar" sei.

Kirchturm evangelische Martins-Kirche Hohnhorst. © NDR
Mehrere EKD-Gemeinden halten Homosexualität für "sündhaftes Fehlverhalten" und veränderbar.

Ähnlich sieht das auch Michael Diener. Er ist der Vorsitzende des strenggläubigen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes - eine Organisation innerhalb der evangelischen Landeskirchen. Homosexuelle Partnerschaften lehnt er ab. Der Verband repräsentiert nach Schätzungen knapp 300.000 evangelische Gläubige. In einem seiner Verbandsberichte fordert Michael Diener Gläubige sogar auf, für eine Veränderung von Homosexuellen zu werben. Diener, der kürzlich in das EKD-Kirchenparlament berufen wurde, bestätigte diese Haltung gegenüber dem NDR, betonte aber, dass Therapien nicht immer erfolgreich seien und niemand dazu gedrängt werden dürfe.

Bundesärztekammer warnt vor Veränderungsversuchen

Peer Briken, Psychiater © NDR
Der Psychiater Peer Briken warnt vor Versuchen, die sexuelle Orientierung zu ändern. Das könne zu Depressionen bis hin zu Selbstmordversuchen führen.

Solche Haltungen kritisiert der renommierte Psychiater Peer Briken scharf. Briken ist der Leiter des Instituts für Sexualforschung am Universitätsklinikum Hamburg. Er fordert, dass die Kirche ihre Mitglieder darüber aufklärt, dass es sich bei "Homosexualität um eine Variante der Natur" handele, an der man nichts verändern müsse. Wenn versucht werde, die sexuelle Orientierung zu ändern, könne das zu Depressionen bis hin zu Selbstmordversuchen führen, so Briken. Menschen so etwas nahezulegen, sei unmenschlich.

Auch der Weltärztebund und die Bundesärztekammer erklären, dass Homosexualität keine Erkrankung sei und deshalb keinerlei Heilung bedürfe. Sie stellen fest, entsprechende Therapien seien nicht nur "unwirksam", sondern könnten sich sogar "negativ auf die Gesundheit" auswirken.

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Bastian Melcher © NDR

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Diese Erkenntnisse von anerkannten Wissenschaftlern und Ärzten werden von einigen einfach ignoriert. Auch vom "Deutschen Institut für Jugend und Gesellschaft" (DIJG). Es gehört zu der strenggläubigen Gemeinschaft "Offensive Junger Christen" (OJC), und die ist unter dem Dach der EKD aktiv.

Strenggläubige Organisation wirbt für "Chance auf Veränderung"

Hier glauben sie, dass Homosexualität veränderbar sei. Konstantin Mascher, Leiter der OJC, sagte gegenüber dem NDR, seine Erfahrung sei, dass Menschen Veränderungen erlebten, und dass der wissenschaftliche Diskurs noch nicht abgeschlossen sei.

Das Institut erklärt zwar auf seinen Internetseiten, dass "homosexuell empfindende Menschen" das Recht hätten, eine "homosexuelle Identität anzunehmen", aber sie schreiben auch von einer "Chance auf Veränderung" und von einem Recht auf "Therapie mit dem Ziel der Abnahme homosexueller Empfindungen".  Und in einer Infobroschüre des Instituts wird Homosexualität als "Identitätsproblem" bezeichnet.

Buch mit "Behandlungsplan" zur "Heilung der Homosexualität"

In einem Buch, das die christliche Gemeinschaft OJC verkauft, wird ein sogenannter "therapeutischer Behandlungsplan" zur "Heilung der Homosexualität" vorgestellt. Gegen Ende des Buches steht sogar: "Homosexuelles Verhalten sollte niemals gutgeheißen werden." Das Vorwort hat die Leiterin des DIJG, die Kinderärztin Christl Vonholdt, verfasst. Sie schreibt, dass zur "Veränderung einer homosexuellen Orientierung" ein "längerer Wachstumsprozess" nötig sei. Ein Interview mit dem NDR hat Vonholdt abgelehnt.

Friedrich Hauschildt, Vizepräsident EKD-Kirchenamt. © NDR
Friedrich Hauschildt von der EKD meint es mache keinen Sinn, bestimmte Gruppen zu verurteilen.

Warum lässt die evangelische Kirche Diskriminierung in ihren Reihen zu? Warum duldet die EKD Gruppen, die zu gefährlichen Umpolungen aufrufen? Friedrich Hauschildt, Vizepräsident des EKD-Kirchenamtes, bestätigt, dass sich solche Gruppen innerhalb der evangelischen Kirche befänden. Aber aus seiner Sicht mache es keinen Sinn, bestimmte Gruppen zu verurteilen - weder Homosexuelle noch die, die Homosexuelle verurteilten, so Hauschildt, das sei nicht Aufgabe der Kirche.

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Dieses Thema im Programm:

Panorama - die Reporter | 07.04.2015 | 21:15 Uhr

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