Unzumutbare Wartezeiten für Schmerzpatienten
Für Caroline Wöhler war die Wartezeit die Hölle. "Wenn ich meine Familie nicht gehabt hätte, ich weiß nicht, was ich gemacht hätte" sagt sie. "Ich konnte nicht mehr. Alles war mit Schmerzen begleitet, die ganze Zeit." Sie hatte immer geglaubt, wenn man Schmerzen hat, dringend medizinische Hilfe braucht, bekommt man sie in Deutschland auch. Doch das war leider nicht so.
"Alles war mit Schmerzen begleitet"
Es beginnt vor Jahren mit Zahnschmerzen. Der Schmerz breitet sich schnell aus, in die Wangen, Ohren, Stirn. An manchen Tagen ist jeder Atemzug eine Qual. Sie leidet unter Gesichtsnervenschmerzen, einer sogenannten Trigeminus-Neuralgie. Ihre Schmerzen sind chronisch geworden. Sie will nur noch, dass es aufhört, um jeden Preis. So fährt sie in die nächstgelegene Zahnklinik und bittet die Ärzte dort, ihr alle Zähne zu ziehen. Die Ärzte weigern sich, gesunde Zähne zu entfernen und verschreiben ihr stattdessen ein starkes Betäubungsmittel. Doch das hilft ihr immer nur kurzzeitig, sie muss immer mehr nehmen und wird schließlich abhängig von dem Opiat.
Irgendwann weiß ihr Hausarzt nicht mehr weiter und entscheidet, ihr kann nur ein Spezialist helfen und überweist sie zum Schmerzmediziner. Caroline Wöhler erinnert sich, wie erleichtert sie sich damals gefühlt hat. "Da dachte ich: jetzt wird alles gut." Sie reicht sämtliche Befunde und Unterlagen ein. Von der Schmerzpraxis in Celle wird ihr Fall als dringlich eingestuft. Und trotzdem teilen sie Caroline Wöhler mit: sie muss auf ihre Behandlung warten. Ein halbes Jahr lang.
Deutschlandweit fehlen Schmerztherapeuten
Solche langen Wartezeiten sind bei Schmerzmedizinern keine Seltenheit. Der Grund: In Deutschland fehlen speziell ausgebildeten Schmerztherapeuten: Etwa 3-4 Millionen Patienten mit chronischen Schmerzen stehen nur etwas mehr als 1200 ambulante Schmerztherapeuten gegenüber. Die langen Wartezeiten haben für Patienten schwerwiegende Folgen: Viele nehmen monatelang abhängig machende Opiate oder unterziehen sich unnötigen Operationen.
Das weiß auch Dr. Torsten Wieden, der in Celle als Schmerzmediziner arbeitet. "Das alles zu wissen und die Patienten trotzdem nicht früher adäquat behandeln zu können – das ist schwer auszuhalten." Auch Caroline Wöhler hätte er gerne sofort geholfen. Doch in der Praxis müssen sie eine Auswahl treffen. "Es haben alle Schmerzen", erklärt Thorsten Wieden, "aber es gibt Patienten, bei denen die Gefahr für die Patienten groß ist, wenn der Schmerz nicht schnell behandelt wird." Tumorschmerz-Patienten kommen zuerst dran, auch Patienten mit Nervenschmerzen etwa bei Gürtelroseerkrankung sind dringlich. Wer chronische Rückenschmerzen hat, muss in der Regel am längsten auf einen Termin warten. In der Praxis von Dr. Thorsten Wieden derzeit bis zu anderthalb Jahre.
Bis zu 2 Jahre Wartezeiten in Norddeutschland
Panorama 3 hat nachgefragt, die Rückmeldung von Schmerztherapeuten in Norddeutschland zeigen wie dramatisch die Lage in einzelnen Regionen Norddeutschlands mittlerweile ist. Die Wartezeit auf einen Termin beträgt in einigen Regionen bis zu zwei Jahre. Grund für den Mangel an spezialisierten Medizinern sind die schlechten Arbeits- und Vergütungsstrukturen. Der Job ist für junge Mediziner schlicht nicht attraktiv. Anstatt gegenzusteuern, wartet die Politik offenbar eine weitere Zuspitzung der Lage ab. Panorama 3 mit einer Bestandsaufnahme in Norddeutschland.