Ungerecht: Die Sanktionen der Jobcenter
Mit ihrem Leben als Erwerbslose haben sich Sabine und Hans-Günter K. aus Hildesheim arrangiert. Beide sind schwer krank, ihnen bleibt nur Hartz IV. Sie kommen über die Runden - auch, wenn das Geld oft knapp ist. Doch dann kommt plötzlich ein Bescheid vom Jobcenter. Das kündigt eine Reduzierung der Leistungen an. Hintergrund der Kürzungen: Ein Streit darüber, wie krank das Ehepaar wirklich ist. Denn die Zahlungen stehen ihnen nur zu, wenn sie nicht mehr arbeiten können.
Vom Jobcenter schikaniert
Für das Ehepaar K. ein finanzielles Desaster. "Das ist nur noch Verzicht, nur noch Verzicht. Es ist wirklich nur das Nötigste an Lebensmitteln zu kaufen dafür. Und dann eben die Miete, die Miete ist das Allerwichtigste", erzählt Sabine K. Panorama3.
Das Ehepaar fühlt sich vom Jobcenter schikaniert. Hinter den Kürzungen vermuten sie einen bestimmten Sachbearbeiter. Denn sie haben gegen den Mitarbeiter eine Dienstaufsichtsbeschwerde gestellt. Jetzt nutze der seinen Ermessensspielraum, so die Annahme ihres Anwalts.
Überforderung der Sachbearbeiter?
Für Klaus Dörre, Professor für Soziologie an der Universität Jena, spielt in solchen Fällen vor allem die Überforderung der Sachbearbeiter eine Rolle: "Je schwieriger gewissermaßen die Vermittlungsfälle sind - also wenn Menschen wirklich nicht mehr können, sind das schwierige Fälle auf Seiten der Sachbearbeiter - desto größere Probleme machen sie und desto eher neigt man eben dazu zu sanktionieren. Bringen tut das überhaupt nichts. Es führt dazu dass solche Menschen zusätzlich drangsaliert und entwürdigt werden."
Gegenüber Panorama 3 bestreitet das Jobcenter Hildesheim diesen Zusammenhang. Im Fall des Ehepaares K. halte man sich streng an das Gesetz.
Regelrechtes Bestrafungssystem
Kritiker bemängeln, dass vor allem mit dem Werkzeug der Sanktionen in den letzten Jahren in den Jobcentern ein regelrechtes Bestrafungssystem entstanden sei. Wer nicht spure, dem würden Leistungen gekürzt. Und bestraft wird reichlich. Zwischen Juni 2013 und Mai 2014 wurden mehr als eine Millionen Sanktionen verhängt, rund 74 Prozent wegen so genannter Meldeversäumnisse. Also dann, wenn sich ein Betroffener nicht fristgerecht beim Jobcenter zurückgemeldet hat.
Für Klaus Dörre ist dieses Sanktionssystem sinnlos. Wer arbeite wolle, tue ohnehin alles, um einen Job zu bekommen. Denjenigen, die nicht mehr arbeiten könnten, würden die Sanktionen nicht helfen und die kleine Gruppe von Menschen, die nicht arbeiten wollten, könnte sich auch mit Sanktionen arrangieren.
Viele Sanktionen nicht rechtens
Hinzu kommt: Ein nicht unerheblicher Teil der verhängten Sanktionen sind rechtswidrig. Wer in Niedersachsen wegen Hartz IV klagt, gewinnt in rund 35 Prozent den Prozess teilweise oder ganz.
Für Klaus Dörre ist die Konsequenz klar: "Die Tatsache, dass viele Sanktionen nicht rechtens sind zeigt, dass das ganze System eigentlich am Rande der Rechtsstaatlichkeit operiert. Und wenn das so ist, dann muss man es dringend verändern. Und dazu würde gehören, dass man die Sanktionen einfriert oder am besten ganz abschafft ".